Esoterik

Ein neues Tarot-Kartenspiel mit den Schurken aus dem Disney-Universum

Seit Anfang November können Disney Fans ein Tarot-Kartenspiel mit den bekannten Bösewichten aus Filmen wie „Arielle“, „König der Löwen“ oder dem „Dschungelbuch“ erstehen. Die Motive des „Disney Villains Tarot Deck“ (Disney-Schurken-Tarot-Kartenspiel), verteilt auf 78 Karten, führen einmal quer durch das Disney-Trickfilm-Portfolio der letzten Jahrzehnte. Mit vertrauten GegenspielerInnen wie der hinterhältigen Meerhexe Ursula, dem machthungrigen Löwenonkel Scar oder der heimtückischen Schlange Kaa ist diese Edition das erste übergreifende Tarot-Kartendeck, das offiziell von Disney autorisiert wurde und in Masse produziert wird.1  Weitere Editionen sollen folgen.2

In der Tarot-Community scheint die Veröffentlichung eines popkulturell gestalteten Tarot-Decks durch einen Riesen der Unterhaltungsindustrie nur bedingt auf Begeisterung zu stoßen: Während manche die Aktion begrüßen, da Disney-Motive gerade jüngere Menschen ansprächen, lehnen andere die starke Kommerzialisierung ab, da ein hauptsächlich auf mediale Aufmerksamkeit ausgerichtetes Produkt wie dieses dem Tarot seinen sakralen Charakter nehme, wie ein Mitglied der Szene beklagt.3

Dass Disney sich gerade jetzt dazu entschlossen hat, ein „Schurken-Tarot“ zu entwickeln, scheint dabei kein Zufall zu sein: Ist man derzeit auf sozialen Medien wie Instagram unterwegs, begegnet man Tarot vor allem unter jüngeren UserInnen in verschiedensten Formaten und Varianten. Neben zahlreichen Anleitungen zur individuellen Gestaltung von Kartendecks und Tausenden von Videos und Bildern zu den Grundlagen des Tarots finden sich unzählige Diskussionsforen und lange Kommentarspalten mit Erfahrungsberichten und Ratschlägen.

Folgt man einem Bericht der englischen Tageszeitung Guardian, hat der aktuelle Tarot-Trend mit der partiellen Umdeutung des Kartenlegens zu tun. Tarot dient demnach nicht mehr in erster Linie der Vorhersage künftiger Ereignisse, sondern wird stattdessen als Beitrag zur allgemeinen Psychohygiene gesehen, indem es helfen soll, Unterbewusstes aufzudecken.4  Eine aktuelle Studie des „Springtide Research Institute“ weist in eine ähnliche Richtung:5  Vor allem jüngere Menschen vermischen zunehmend religiöse und esoterische Praktiken und pflegen im Alltag eine hoch individualisierte Spiritualität. Das Geheimwissen um Tarot wird dabei für viele Teil einer Praxis von „Self-Care“ (Selbstsorge) und damit Teil der zunehmend verbreiteten unverbindlichen Gebrauchsesoterik, die primär der Selbstoptimierung dient.

Mit Disneys Tarot-Deck voller Bösewichter zeigt sich ein weiteres Vordringen esoterischer Praktiken in den Mainstream – die Massenproduktion eines solchen Produkts durch einen von Profitinteressen geleiteten Konzern dürfte dafür ein verlässlicher Indikator sein. Für die einzelnen NutzerInnen, die wahrscheinlich primär aus den Reihen der Disney-Fans und weniger aus dem esoterischen Bereich kommen, ist der Unterhaltungswert des „Disney-Schurken-Tarots“ vermutlich hoch. Inwieweit Captain Hook und Co. jedoch wirklich zu einer vertieften Selbstreflexion beitragen können, bleibt fraglich.


Claudia Jetter, 01.01.2022

 

Anmerkungen

1  Herausgeber des Kartenspiels ist der amerikanische Verlag „Insight Editions“. Im September 2021 veröffentlichte er bereits ein Tarot-Karten-Set, das thematisch an den Disney-Gruselfilm-Klassiker „The Nightmare Before Christmas“ angelehnt ist. Außerdem gab es schon 2001 für eine Werbeaktion eine Special Edition zu diesem Film. Vgl. Heather Greene: With „Villains“ tarot deck, Disney pushes the mystical practice further into mainstream, Religion News Service, 15.11.2021, https://religionnews.com/2021/11/15/with-villians-tarot-deck-disney-pushed-the-supernatural-practice-further-into-mainstream/?utm_source=pushly (Abruf der Internetseiten: 23.11.2021.)

2  Seit langem gibt es immer wieder exklusive Tarot-Kartenspiele mit Motiven aus der Unterhaltungsindustrie, wie zum Beispiel ein Tarot-Set zur Serie „Supernatural“ oder zu David Bowies „Starman“. Diese wurden bisher aber nur in sehr kleinen Margen produziert.

3  Vgl. Greene: With „Villains“ tarot deck (s. Fußnote 1).

Vgl. Elle Hunt: When the mystical goes mainstream: how tarot became a self-care phenomenon, The Guardian, 27.10.2021. www.theguardian.com/lifeandstyle/2021/oct/27/tarot-cards-self-care-jessica-dore-interview?CMP=Share_AndroidApp_Other.

5  www.springtideresearch.org. Vgl. auch den Artikel von Heather Greene: Study: Gen Z doubles down on spirituality, combining tarot and traditional faith, 11.8.2021, https://religionnews.com/2021/08/11/study-gen-z-doubles-down-on-spirituality-combining-tarot-and-traditional-faith.