Eindrücke vom Yogafestival in Berlin
(Letzter Bericht: 9/2009, 345f) Vom 24. bis 26. Juni 2011 fand im Kulturpark Kladow das 7. Berliner Yogafestival statt. Laut Angaben der Veranstalter (Lernen in Bewegung e.V., Berlin) kamen über 5000 Besucher, mehr als 50 nationale und internationale Gäste wirkten an diesem „größten europäischen Yoga-Event“ (www.yogafestival.de) mit. Darunter waren berühmte Personen aus der Yogaszene wie der 102-jährige Swami Yogananda, Sadhguru Jaggi Vasudev und Leela Mata. Als Überraschungsgast wurde Sri Sri Ravi Shankar begeistert gefeiert, der – wie es hieß – im Vorfeld des World Culture Festivals extra früher angereist war. Die fröhliche Grundstimmung glich der eines Volksfestes, besaß aber gleichzeitig einen spirituell meditativen Charakterzug. Ein Großteil der überwiegend weiblichen Teilnehmer war mittleren Alters, es waren aber auch einige Familien beziehungsweise Mütter mit Kindern dabei. Für Kinder gab es sogar ein eigenes Programm mit Geschichtenerzähler, Zauberer und Schatzsuche. Kinderyoga und Familienyoga waren mit im Angebot.Auf dem Festival wurde nicht nur eine Vielzahl von Yogaformen (z. B. „Hormonyoga“ und „Aromayoga“) angeboten, auch Meditationen, Mantra-Singen und Mantra-Konzerte, Workshops und Vorträge standen auf dem Programm. Beim Hormonyoga, das die Brasilianerin Dinah Rodrigues entwickelte, soll das Hormonsystem (vor allem bei Frauen) durch spezifische Übungen positiv beeinflusst werden. Das Aromayoga, von Tanja Bochnig entwickelt, verbindet Yoga-Übungen mit der Aromatherapie durch ätherische Öle. Die Vorträge behandelten Themen wie „Den launischen Geist besser verstehen“, „Geheime Atem-Methoden und -Forschung“, „Heilende Energieübertragungen“, „Die Atmung – Brücke des Prana zum quantenphysikalischen Körper“.Das Veranstaltungsgelände lag in der landschaftlich sehr ansprechenden Umgebung des Wannsees. Die einzelnen Programmpunkte fanden in Zelten und unter freiem Himmel statt. Auf dem „Indischen Basar“ gab es vegetarisches Essen sowie Schmuck, Kunsthandwerk und Aryurveda-Produkte zu kaufen. Bei den Yogavereinen, die hier mit Ständen vertreten waren, fand man fast nur Angebote mit religiösem Hintergrund; rein sportlich orientierte Yogaangebote ohne einen spirituellen Anspruch gab es kaum. Der Stand von „Love Peace Harmony“ mit seinem „Heilsegen mit den Göttlichen Heilenden Händen“ fiel besonders auf. Diese Strömung gründet sich auf den chinesischen Wunderheiler und spirituellen Guru Zhi Gang Sha. Ihr weltanschaulicher Hintergrund fußt laut einem ihrer Anhänger auf der Annahme einer drohenden Apokalypse. Um diese zu verhindern, wolle der „Meister“ sein Wissen über die Heilung der Seele allen Menschen weitergeben. Auffallend waren hier die Preise der weiterführenden Kurse (z. B. 500 Euro für ein Wochenendseminar), während die Informations- und Einführungsveranstaltungen kostenlos oder recht preiswert waren.Als Beispiel aus dem Programm soll der Vortrag „Materielles und spirituelles Wachstum mit Veda“ von Swami Gyan Nikhil Joshi näher beschrieben werden. Der Vortragende stellte sich als indischer Astrologe, Wissensvermittler des traditionellen indischen spirituellen und gesundheitlichen Wissens und als allgemeiner Lebensberater dar. Er gab eine Anleitung zum „Glücklichsein“, die er in Form einer leicht verständlichen und an die Bedürfnisse des modernen Menschen angepassten Yoga-Philosophie präsentierte. Seine Botschaft lautete in etwa: Befreie dich von den „Manipulationen“ während deiner Kindheit. (Zu dieser Befreiung gehört auch die Überwindung des Denkens, dass Geld und das Streben danach schlecht sei.) Darauf baute seine Aussage „Askese ist Käse“ auf sowie die Aufforderung an alle, ihr eigenes Leben zu genießen. Ein weiterer Ratschlag war, nicht hart zu arbeiten, aber trotzdem durch geschicktes Agieren materiell erfolgreich zu sein. Soziale Kontakte solle man sich nur nach dem Kriterium des eigenen Nutzens aussuchen. Sein Lebensmotto ist so zusammenzufassen: „Ich gestalte mein Leben wunderschön, ich bin glücklich, ich bin gut.“Obwohl ein großer Teil der Angebote des Festivals religiös geprägt war, schien bei vielen Teilnehmern das passive Entspannen und das Erleben von Gemeinschaft einen größeren Stellenwert zu haben als das Streben nach neuer spiritueller Erkenntnis. Auffallend war die starke Fokussierung auf das „Ich“ und die individuelle spirituelle Entwicklung, was aus christlicher Sicht kritisch zu hinterfragen ist.
Clemens Brilla, Berlin