Eine Alternative zur Jugendweihe?
Erstmals nahmen in diesem Jahr im Bistum Magdeburg mehr als 60 Jugendliche an einer "Jugendfeier zur Lebenswende" teil. Diese Jugendfeiern sind ein Versuch der katholischen Kirche, zu der in den östlichen Bundesländern nach wie vor weit verbreiteten Jugendweihe eine Alternative aufzubauen. Man möchte damit vor allem die erreichen, die der (vielfach atheistischen) Jugendweihe distanziert gegenüber stehen und für die dennoch die Erstkommunion oder Konfirmation als Möglichkeit nicht in Frage kommt. Obwohl diese Überlegungen plausibel sind, funktioniert das Modell kaum. Die evangelische Kirche hat ähnliche Versuche in der Kirchenprovinz Sachsen aufgegeben, die Zahl von bescheidenen 60 Teilnehmern in einem Bistum, in dem etwa 20 000 Jugendliche zur Jugendweihe gehen, war wenig ermutigend. Offensichtlich ist die Jugendweihe in den Familien sehr stark verwurzelt, sie ist Teil der familiären Identität und wird emotional positiv erlebt (vgl. MD 3/2001, 104f).
Auf diesem Hintergrund ist es nicht leicht, eine kirchliche "Jugendfeier zur Lebenswende" anzubieten. Am Sonnabend, dem 15. Mai, fand um 11.00 Uhr zum vierten Mal eine solche Feier in der Halleschen Moritzkirche statt. 39 Jugendliche waren über mehrere Monate hinweg in zahlreichen Zusammenkünften auf diesen Tag vorbereitet worden. Kurz vor Beginn der Veranstaltung herrschte in der Kirche eine aufgeregte Stimmung, es wurde viel fotografiert und geplaudert; die sonst eher typische, andächtige Stille fehlte. Die Jugendlichen hatten im Altarraum Platz genommen, festliche Musik stimmte auf die Feier ein. Zur Eröffnung wurden einige freundliche Worte gesagt. Es wurde jedoch nicht klar, wer da sprach; der Redner trug kein Messgewand.
Im Zentrum der Feier standen zwei symbolische Handlungen der Jugendlichen: Sie legten erst ein Symbol ihrer Kindheit (z. B. ein Kuscheltier) in eine Art Schatztruhe, später entzündeten sie - an der Osterkerze! - eine Kerze als Symbol der Jugend. Beide Handlungen wurden von den Jugendlichen mit einigen Sätzen kommentiert. So hieß es z. B. "Ich lege dieses Tagebuch als Symbol meiner Kindheit ab..." Beim Entzünden der Kerzen wurden Zukunftswünsche formuliert: "Ich wünsche mir mehr Gelassenheit", "Ich wünsche mir, dass ich meine Ziele erreiche" usw. Dieser Teil war der emotional stärkste und eindrücklichste der Veranstaltung. Das Ablegen von Kindheitssymbolen, zumal in Verbindung mit den (mitunter heiteren) Aussagen der Jugendlichen, war überzeugend. Die sog. Zukunftswünsche habe ich als verschleierte Segensbilder empfunden. Hinter "Ich wünsche mir Glück und Gesundheit" steht in der christlichen Tradition das Bild vom gesegneten Leben - nur eben, dass man diesen Segen normalerweise zugesprochen bekommt und nicht sich selbst sagt.
Berührend war allemal, was Jugendliche sich heute wünschen: Fast jeder Dritte thematisierte als Zukunftshoffung "dass die Familie zusammenbleibt". Hier wurde sichtbar, wie sehr heutige Jugendliche unter der Zunahme von Scheidungen und Trennungen leiden. Typisch für die Zeitgeistlage war wohl auch der Wunsch eines Jugendlichen, der sich "einen guten Beruf und Geld" wünschte. Das war übrigens der einzige Wunsch, der Heiterkeit und Beifall hervorrief. Hinter mir sagte ein Gast: "Der wünscht sich wenigstens mal was Vernünftiges."
Es schlossen sich kurze Ansprachen von einem Vertreter der Eltern und von einem Vertreter der Jugendlichen an, die, um im Bild zu bleiben, auf jeder Jugendweihe hätten gehalten werden können. Es gab während der gesamten Veranstaltung keinen gemeinsamen Gesang; die Orgel blieb still. Die Feier schloss mit einem Segen. Zur Erläuterung wurde gesagt, dass man Gott auch als Hoffnung, Leben, gutes Gelingen bezeichnen kann. Der Redner legte eine Stola um und bat um den Segen des dreieinigen Gottes. Es herrschte in diesem Moment erstaunliche Stille, selbst die unentwegten Fotografen legten eine Pause ein und manche Teilnehmer bekreuzigten sich.
Am Ende bleibt ein höchst ambivalentes Gefühl: Ist es eine "Mogelpackung", wenn in einer christlichen Kirche unter einem gotischen Altar von Gott gar nicht oder nur am Rande gesprochen wird? Oder ist es eine legitime Möglichkeit, auf Menschen zuzugehen, die vermutlich in ihrem bisherigen Leben niemals eine Kirche betreten haben und nun wenigstens sagen können: Es war schön, damals, in dieser großen Kirche.
Andreas Fincke