Hartmut Noll-Arukaslan

Erfolg und Erfolgsdenken

In einer an Gewinn orientierten Gesellschaft spielen strategische Ziele und Erfolge eine zentrale Rolle. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich die Nachfrage nach Erfolgstrainings als erstaunlich stabil erweist. Im Zusammenhang von Beratung und Coaching gelten Erfolgsversprechen heute meist als unverzichtbar, um sich gegen die Konkurrenz behaupten zu können. Wie nützlich oder gar schädlich Positives Denken jedoch sein kann, wird nach wie vor sehr unterschiedlich bewertet. Der folgende Text stammt von einem Finanzberater, der seine Berufstätigkeit von einem christlichen Menschenbild her reflektiert.


Was ist Erfolg?

Das Brockhaus-Lexikon definiert ihn als ein „von Anspruchsniveau und Leistungsmotivation bestimmtes Bestätigungserlebnis bei der geglückten Verwirklichung von Zielen, das seinerseits motivierende und anspruchssteigernde Wirkung hat“.2 Erfolg motiviert, so die Definition, aber das nächste Erlebnis muss auch das vorherige übertreffen. Der „Erfolgstrainer“ Roland Arndt bestätigt dies: „Auf den Einsatz kommt es sicherlich auch an. Aber das Ergebnis ist entscheidend für unser eigenes Erfolgsgefühl.“3 Interessant ist hier die Betonung des Gefühls: Erfolg will als solcher empfunden werden. Gewissensbisse wären zum Beispiel ein Beleg für ein fehlendes Erfolgsgefühl. Nietzsche meint: „Der Erfolg gibt oft einer Tat den vollen ehrlichen Glanz des guten Gewissens, ein Misserfolg legt den Schatten von Gewissensbissen über die achtungswürdigste Handlung.“4

Zielklarheit und Erreichung der Ziele zeichnet den Erfolg aus. Meyers Konversationslexikon sagt: „Erfolg ist die fortschreitende Verwirklichung von klar definierten, selbst bestimmten und erstrebenswerten Zielen.“5 Erfolg ist also immer ein subjektives Geschehen. Jeder Mensch legt die Messlatte unterschiedlich an, sie ist abhängig von den eigenen Erwartungen und denen der anderen.6 Zudem kann man zwischen persönlichem, also individuellem Erfolg und dem Erfolg einer Gruppe, zum Beispiel einer Firma, unterscheiden. Letzterer kann sogar dann als eigener Erfolg gesehen werden, wenn es keine Eigenbeteiligung gibt. Zum Beispiel kann sich nach dem Sieg einer Fußballmannschaft ein Erfolgsgefühl bei den Fans einstellen, das aber meist nicht von allzu langer Dauer ist.

Lasch beschreibt, wie sich das inhaltliche Verständnis von Erfolg abhängig von der gesellschaftlichen Entwicklung verändert.7

So galt im 18. Jahrhundert Mäßigung als Tugend und damit – wurde sie praktiziert – als Erfolg. Genussmöglichkeiten zu nutzen, galt weniger als Erfolg. Wenn sie allerdings der Förderung der Geselligkeit dienten, waren sie insofern Erfolgszeichen. Vor allem seit dem 19. Jahrhundert wurde die Vermeidung von Armut, und damit das Ansammeln von Geld und Besitz, als Erfolg angesehen. Bildung und Wissen konnten nur insofern erfolgreich machen, als sie der Marktbeherrschung und dem Verdienen von Geld dienten. Anders als (zeitweilig) im 20. Jahrhundert waren folglich Fleiß und gewissenhafter Umgang mit Geld Erfolgswerte mit hoher Priorität. Der eigene Reichtum steuerte zum Allgemeinwohl und dem Glück kommender Generationen bei. Die Spielregeln des Erfolgs waren bestimmt von Fleiß, Disziplin, Selbstverleugnung und Mäßigung.

Weißglut des Verlangens nach Geld

Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts gewann die Fähigkeit, den Wettbewerb um Ressourcen zu bestehen, als Erfolgskriterium immer mehr an Bedeutung. In der Arbeitsgesellschaft wurde derjenige als erfolgreich betrachtet, der im Wettstreit mit dem Kollegen oder Konkurrenten siegte. Werte wie Willenskraft, Selbstvertrauen, Energie und Initiative führten nun zum so gesehenen Erfolg. Diese Tendenz hat sich seither verstärkt, aber auch verändert: Um Erfolg zu haben, kommt es oft weniger auf die Qualität der Arbeit an sich an, sondern mehr darauf, richtig aufzutreten, Freunde zu gewinnen, Menschen zu durchschauen und zu beeinflussen. Das weit verbreitete Buch von Dale Carnegie „Wie man Freunde gewinnt“ legt einen Schwerpunkt auf diese Erfolgsstrategie.

Der Erfolg dieser Fähigkeiten wird allerdings immer noch in Geld gemessen. Es dient jedoch weniger als im 19. Jahrhundert dem Allgemeinwohl oder dem Wohl der nächsten Generation. Auch der Erfolg wird individualisiert. Lasch zitiert dazu Napoleon Hill: „Sie werden nie über größeren Reichtum verfügen, wenn Sie sich nicht in eine regelrechte Weißglut des Verlangens nach Geld hineinsteigern können.“8 Streben nach Reichtum ist nicht länger unmoralisch, sondern der Weg zum Erfolg. Dabei kommt es heute als weiterer Wandel dieser Sicht vor allem auf das Erfolgsimage an. Es ist wichtiger, das richtige Erfolgsdenken zu haben und wie ein erfolgreicher Mensch zu agieren, als tatsächlich über viele Ressourcen zu verfügen. Die objektive Qualität des Erfolgs interessiert teilweise nicht mehr, aber die Selbstinszenierung als Erfolgsmensch muss stimmen. „Nichts ist so erfolgreich wie der Schein von Erfolg.“9

„Die meisten Amerikaner würden Erfolg noch immer mit Reichtum, Ruhm und Macht umschreiben; ihr Verhalten aber zeigt, dass ihnen daran eigentlich nicht viel gelegen ist. Was ein Mensch tut, zählt weniger als die Tatsache, dass er es ‚geschafft‘ hat.“10 Früher ging es also eher um die Achtung für tatsächliche Leistung, um Ruhm und Ehre oder um Besitz. Heute geht es mehr um Bewunderung für die persönlichen Erfolgseigenschaften, um ein aufregendes Leben in Berühmtheit und darum, von anderen Menschen beneidet zu werden. Diese von Lasch treffend bezeichneten Erfolgskriterien nennen nur die wenigsten Erfolgstrainer direkt als ihr Ziel, aber gelegentlich wird sogar die Erfolgsinszenierung unverblümt versprochen. Aus dieser hoch individualisierten Sicht wird Erfolg zum Mittel, Anerkennung zu erhalten, und damit häufig zur Sinngebung für das eigene Denken und Tun. Nach ihr hat jeder Mensch das Grundrecht auf Erfolg im Leben,11 der sich im Einzelnen als privater, beruflicher und gesellschaftlicher Erfolg einzustellen hat.

Wie funktioniert ein Erfolgstraining?

Will man sich als erfolgreich erleben, will man also Reichtum und Bewunderung, will man auf der Bühne der Anerkennung stehen und beneidet werden, wird man die Ziele seines Denkens und Handelns entsprechend ansetzen: Man strebt nach Selbstbestätigung und Macht, die teilweise indirekter Ausdruck des Strebens nach Liebe in einer individualisierten Gesellschaft ist. Egli, der Erfinder des LoL²A-Prinzips, behauptet: „Es liegt an ihnen, ob Sie sich zu einem machtlosen oder einem machtvollen Menschen machen wollen.“12

Manchmal kommt der Wunsch nach Wohlstand und Reichtum hinzu, diese sind jedoch häufig eher Mittel zum Zweck. Oft sind die Wertvorstellungen dennoch sehr materialistisch.13 Hat man ihn, ist Erfolg in jedem Fall der Hauptmotivator für das Streben nach weiterem Erfolg. Deshalb stellen Erfolgstrainer im Rahmen ihrer Methoden und Strategien die Frage nach den Zielen ihrer Klienten. Die tieferen Beweggründe für das Streben nach Erfolg oder eine Rechtfertigung für das Erfolgsdenken interessieren weniger als die Frage, wie man sich selbst durch Erfolgserlebnisse zu mehr Erfolgsstreben motivieren kann. Denn Erfolg, der sich nicht ständig reproduziert, ist vergänglich, insbesondere dann, wenn er als Erfolgsgefühl erlebt werden soll. Beachtenswert ist, wie diese Trainer gezielt nach einer Lebensvision, nach der Vision für die nächsten Lebensjahre fragen, wie klar dabei Ziele erfragt und formuliert werden und welch ein hoher Stellenwert der Konkretion dieser Ziele beigemessen wird.

Erfolg hat das Ziel, den eigenen Willen durchzusetzen, nicht dem Willen anderer zu dienen oder gar den Willen Gottes zu tun. Von Gott wird daher als von einer verfügbaren höheren Macht gesprochen. Religion ist je nach individueller Anschauung ein Faktor zur Unterstützung des Lebenserfolgs. So werden Themen wie Glaube, Gebet und Gott nicht im Bereich der Ziele angesprochen, sondern wenn es um Strategien geht, die erfolgreich machen. Sie beruhen – bei allen Verschiedenheiten im Detail – auf einer einfachen Botschaft: Ob es um einen möglichst ganzheitlichen Erfolg im Leben geht, um mittelfristigen Erfolg im Beruf oder um kurzfristigen Erfolg in den Beziehungen des Alltags: Immer wieder wird man vor die Herausforderung gestellt, sich zu verändern und umzudenken. Jede Veränderung beginnt, so heißt es, in den eigenen Gedanken.14

Das Zusammenspiel und Durchdenken verschiedenster Methoden, die je nach Erfolgstrainer unterschiedlich betont und gemixt werden, bilden die zielorientierten Strategien des Erfolgsdenkens. Diese gilt es im eigenen Bewusstsein zu verankern und praktisch umzusetzen. Es geht nicht darum, Theorien zu durchdenken, sondern durch sie praktische Hilfen zu finden, die den Erfolg machbar werden lassen. Die Anzahl dieser Tipps ist nahezu unüberschaubar. Ich beschränke mich im Folgenden auf zehn meiner Meinung nach wesentliche und immer wiederkehrende Methoden.15

Positives Denken

Die Deutschen neigen zu kritischen Sichtweisen. Das aus der angelsächsischen Neugeistbewegung stammende und über das New-Age-Denken nach Deutschland vermittelte Positive Denken widerspricht dieser Haltung. Versuchte man anfänglich, in den Erfolgstrainings immer eine positive Sicht zu gewinnen und alles Negative zu ignorieren oder zu verdrängen, so hat sich das Vorgehen hier geändert. Umdenken zum Positiven hin wird nun als ein andauernder Prozess betrachtet. Der nach Erfolg strebende Mensch soll sich dafür die folgenden Denkgesetze zu eigen machen:

• Vergiss den Grundsatz, dass das Aufgeben alter Denkgewohnheiten schwer ist. Umdenken ist möglich und leicht erlernbar.

• „Das Leben eines Menschen ist das, was seine Gedanken daraus machen.“16 Durch meine Gedanken bestimme ich also mein Leben.

• „Nachahmung ist der schnellste Weg zum Lernerfolg.“17 Statt alles selbst zu durchdenken und durch Erfahrung zu lernen, ist es effektiver andere nachzuahmen.

• Der Grundsatz der sich selbst erfüllenden Prophezeiung bedeutet:18 Das Unterbewusstsein verwirklicht die Inhalte unserer Selbstgespräche. Henry Ford sagte: „Glaube ans Gelingen, und du wirst wahrscheinlich Recht behalten; glaube an dein Scheitern, und du wirst mit Sicherheit Recht behalten.“19 Somit denke ich an Erfolg und werde erfolgreich, ich denke positiv und werde es.

• Beachtung schafft Verstärkung und Nichtbeachtung soll Befreiung schaffen.20 Also geht es darum, den Blick auf das Beachtenswerte und Positive zu richten.

• Unbekanntes und Probleme sind Herausforderungen. „Jedes Problem enthält den Keim eines noch größeren Vorteils.“21

• Sei dankbar und vergleiche Dich hierzu mit Menschen, denen es schlechter geht.22

• Wähle positive Formulierungen, stelle die richtigen Fragen und trainiere das Gehirn so, positiver zu denken und nicht in negatives Grübeln abzugleiten.

Ein konstruktives Selbstbild

Ein Mensch, der sich selbst ablehnt, kann nicht erfolgreich sein. Eine gesunde Selbstwahrnehmung bedeutet im Erfolgsdenken immer eine positive Selbstwahrnehmung. Ich muss lernen, mich selbst zu lieben. Wenn der Mensch Maß aller Dinge ist und seine Selbstverwirklichung wünscht, so führen Selbstbewusstsein, Selbstliebe und Selbstvertrauen ihn dorthin.23 Praktisch verfasse ich hierfür zum Beispiel eine Liste meiner Erfolge, meiner erfüllten Träume und meiner beruflichen Fortschritte. Ein Erfolgstagebuch, in welchem ich täglich ein bis drei positive und erfolgreiche Erlebnisse festhalte, wird zur aktiven Psychohygiene.

Die Vision

Für das Leben braucht der erfolgreiche Mensch eine Vision, besser eine Lebensvision.24 Eine Vision wird hier im Vergleich zum Ziel als weitergehend und umfassender eingestuft. Sie beschäftigt sich deshalb noch nicht mit der Zielerreichung, dazu muss die Vision in Einzelziele verwandelt werden.

Wofür lebe und arbeite ich? Die Sinnfrage wird in die Vision integriert. Charles Garfield sagt: „80 Prozent unserer Motivation entspringen dem ‚Warum‘, nur 20 Prozent dem ‚Was oder Wie‘.“25 Wichtiger als Techniken für den Erfolg ist also eine klare Vision. Wie diese aussieht, wird völlig offengelassen und liegt in der Freiheit des Individuums. Der Mensch soll träumen, sich in die Zukunft versetzen und von hier in der Rückblende sagen, was er im Leben gerne erreicht hätte, um erfolgreich gewesen zu sein. Mögliche Hindernisse werden bei diesen Vorstellungen bewusst erst einmal ausgeblendet, mögliche schöne Ereignisse werden in Gedanken vorweggenommen. Hilfreich sind hierbei die Visualisierung der Vision, also die bildhafte Vorstellung, und ein Ausmalen in Gedanken oder gar als Collage.26

Die Zielplanung

Ist die Vision klar, die heute oft sehr egozentrisch ausfällt, kommt es auf die Zielplanung27 an. Niemand plant zu versagen, aber viele versagen bei der Zielplanung. Wer Ziele hat, kann sie meist auch umsetzen. Wer keine hat, kann dies nicht und lebt machtlos nach der Zielvorgabe anderer Menschen. Ziele können verändert werden, aber die Vision bleibt. Auch Zielverfehlung bringt nach vorne, denn der Versuch der Zielerreichung führt zur Weiterentwicklung des Menschen. Klare und konkrete Ziele, ausgedrückt als Mehrjahres-, Jahres-, Monats- und Wochenziele, geben Motivation zu beginnen und durchzuhalten. Ziele steigern die Vorfreude, machen Erfolg messbar und helfen zur Prioritätenplanung. Jedes erreichte Ziel oder Teilziel stärkt zudem das Selbstvertrauen.

Zielplanung soll sich sinnvollerweise auf Beruf und Privatleben beziehen. Gerade bei letzterem unterlassen viele Menschen die Planung und scheitern so auf dem Weg zum Erfolg, sagen die Trainer. Auch Familienleben, Entspannung, Erholung, Weiterbildung, Hobbys und Sport sollten als Ziele eingeplant werden. Wichtig ist die emotionale Intensität in der Planung.28 Ähnlich wie die Vision stelle ich mir bildhaft die Zielerreichung vor und integriere so neben dem Verstand die Emotionen in die Zielplanung. Bewegt werde ich hier immer von zwei Polen: dem Streben nach Gewinn und der Angst vor Pein. Wird nur ein Pol berücksichtigt, vernachlässige ich etwa 50 Prozent der möglichen Motivation zur Zielerreichung. Will ich als Ziel zum Beispiel fünf Kilogramm abnehmen, stelle ich mir vor, wie gut aussehend ich vor dem Spiegel stehe. Als Gegenpol stelle ich mir vor, wie ich unbeweglich mit Filzpantoffeln und Bier vor dem Fernseher hocke. Je intensiver die Visualisierung von Zielen gelingt, desto seltener muss sie wiederholt werden und desto schneller führt sie zur Zielerreichung. Lernen wird hierdurch in vielen Fällen tatsächlich beschleunigt. Ein Hundeliebhaber wird nach einem Hundebiss (Pein) sofort zum Hundefeind, so kann ein Übergewichtiger sofort umlernen, wenn er die Pein ausreichend visualisiert (so als hätte er sie erlebt), indem er sich vorstellt, im Schwimmbad wegen seiner Figur ausgelacht zu werden. Unberücksichtigt bleibt hierbei jedoch häufig, dass das wirklich erfolgreiche Umlernen in fast allen Fällen von wesentlichen weiteren Faktoren abhängig ist.

Vitalität

Der moderne Körperkult kann hier nur kurz erwähnt werden. Vitale Menschen sind erfolgreiche Menschen.29 Keiner stellt sich einen erfolgreichen Menschen vor, der nicht mehr aus dem Sessel aufstehen kann. Erfolgsdenker achten so auf ausreichenden Schlaf, gesunde Ernährung, ausreichende Bewegung. Dr. med. Ulrich Strunz ist in diesem Bereich einer der besonders einflussreichen Erfolgstrainer.30 Bekannt ist sein Buch „forever young. Das Erfolgsprogramm“. Der Schwerpunkt liegt bei ihm darauf, möglichst lange jung und fit zu bleiben, um glücklich zu sein. Body-Management geht darüber allerdings noch hinaus. Haltung, Stimme, Mimik, Gestik und Atmung werden trainiert. Man handelt nach dem Motto: Lerne die Körperbewegungen der Erfolgreichen und du wirst erfolgreich!31

Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen

„Postmodernes multioptionales Bewusstsein zieht eine Bewegung vom Schicksal zur Wahl nach sich, so dass es nicht nur die Möglichkeit zur Wahl (das wäre Freiheit), sondern nur noch den Zwang dazu gibt (das ist Unfreiheit).“32 Das Erfolgsdenken betont allerdings ausschließlich die Möglichkeit zur Wahl. Ein erfolgreicher Mensch hat gelernt und lernt immer wieder, Entscheidungen zu treffen. Eine gezielte Entscheidung lenkt die gesamte Aufmerksamkeit auf einen Punkt.33 Eine Entscheidung für etwas bedeutet immer, auch jede andere Möglichkeit auszuschließen.34 Erfolgsdenken setzt daher eine grundsätzliche Entscheidung für Glück und Erfolg voraus. Zudem trägt der nach Erfolg strebende Mensch bewusst die Verantwortung für Entscheidungen und deren Folgen. Er lernt die typischen Ausreden Verantwortungsloser abzulegen, die sagen, sie haben keine Zeit, sie hätten das noch nie so gemacht, der andere sei schuld, der andere solle sich ändern, der andere könne das viel besser, er habe es ja schon einmal erfolglos versucht, er schaue lieber erst einmal zu oder mache es später.35 Verantwortung wird auf das einzelne Individuum bezogen und weniger auf das Kollektiv: „Sie ganz allein bestimmen ihre Welt. Sie entscheiden, ob ihre Welt gut oder schlecht ist.“36

Motivation aus mir selbst heraus

Erfolgsdenken ermutigt dazu, die innere Kraft anzuzapfen. Wahre Motivation kommt von innen, ist intrinsische Motivation.37 „Um den anstehenden Herausforderungen der nächsten Jahre gewachsen zu sein, benötigen wir alle noch mehr Motivation aus uns selbst heraus.“38 Egli erinnert an Hesses Werk „Siddharta“, in dem Siddhartha sagt: „Bei mir selbst will ich lernen, will ich Schüler sein, will ich mich kennen lernen.“39 Hieran anknüpfend wird die innere Motivation oft auch im Esoterischen und in fernöstlichen Religionen gesucht.

Motivation bedeutet zudem, die eigenen Motivationspunkte zu kennen. Motivieren mich zum Beispiel Wettkämpfe, so gestalte ich Arbeiten als Wettkampf und erhöhe so durch Ausnutzung meines Motivationspunktes die Eigenmotivation.

Beziehungspflege

Sie gehört zum ganzheitlichen Erfolg.40 Beziehungen werden in fünf Vernetzungen erlebt: in der Beziehung zu mir selbst, zum Partner, zu Kindern, Verwandten und Freunden, zu Mitarbeitern und Kooperationspartnern und schließlich zu meiner subjektiv erlebten Welt (Politik, Umwelt, Werte, Geld, Medien).41

Religiöses Bewusstsein

Wenn es den biblischen Gott auch für viele nicht gibt, so ist für die Erfolgsorientierung doch eine allgemeine Religiosität oder Spiritualität sinnvoll. Übersinnliche Energie kann genutzt werden, Religion wird als Mittel zum Zweck verstanden: „Unter Spiritualität können also christliche Kontemplation, buddhistische Zen-Meditation und Yoga, die Mystik des islamischen Sufismus und die jüdische Kabbalistik, aber auch das Denken des New Age, Anthroposophie und Theosophie, westliche Reinkarnationsvorstellungen, Magie, Spiritismus und Okkultismus, Pendeln und Wünschelrutengehen, Astrologie und Wahrsagetechniken wie Kartenlegen oder Handlinienlesen, Praktiken einer so genannten Alternativmedizin wie Wunder- oder Geistheilungen durch Handauflegungen oder auch Edelstein- und Bachblütentherapie firmieren.“42 Richtig und Falsch, Gut und Böse zu unterscheiden ist überflüssig,43 denn das religiöse Bewusstsein des Erfolgsmenschen befreit von dem Zwang zu beurteilen und zu verurteilen. Es bietet allerdings keinen äußeren Maßstab und keinen Halt mehr für das eigene Leben. Das Gebet wird nicht selten als höchste Energieform empfohlen. Glaube gilt als hilfreich für die Entfaltung der Persönlichkeit. Zu wem man betet oder was man glaubt, ist dabei sekundär.44

Training für Spitzenleistungen

Neue Gewohnheiten müssen eintrainiert werden. „Erfolg ist eine Gewohnheit, sich auf dem richtigen Weg zu befinden, bis die Ziele erreicht sind. Und der richtige Weg heißt ‚tägliche Aufgabenerfüllung‘.“45 Ist ein Mensch doch nicht erfolgreich, liegt es im Zweifelsfall an mangelndem Training. Eigenes Versagen muss wegtrainiert werden. Dies kann die Klienten frustrieren, und es schützt die Trainer vor Kritik. Denn auch wenn ihre Methoden nicht funktionieren, wird der Erfolgshungrige immer nur auf seine Eigenverantwortung verwiesen. Er hat sich selbst zu trainieren, statt zu analysieren, ob die Methoden falsch sein könnten oder die Strategie nicht ausreichend durchdacht wurde. Realistisch wäre allerdings die Einschätzung, dass auch auf dem Gebiet der Persönlichkeitsentwicklung noch kein Meister vom Himmel gefallen ist.

Anstöße zur Bewertung

Wenn man den Beruf eines Beraters und Verkäufers ausübt, wie ich selbst als der Autor, hat das Thema „Erfolgsdenken“ einen direkten Praxisbezug. In meinem beruflichen Umfeld stehe ich vor der Aufgabe, nicht nur erfolgreich zu agieren, sondern das Erfolgsstreben bei mir und anderen mit meinen persönlichen Werten und Anschauungen in Einklang zu bringen. Die Mischung von positiven und überzogenen Erwartungen, die das Erfolgsdenken auszeichnet, macht die praktische, ethische und theologische Unterscheidung nötig. Dabei begegnen mir immer wieder ähnliche Fragen: Was sind die positiven und negativen Begleiterscheinungen eines solchen Denkens? Welche Elemente des Erfolgsstrebens sind nützlich und verantwortlich anwendbar? Wo und wie unterscheidet sich das christliche Menschenbild bzw. mein individuelles Menschenbild von dem des alltäglichen Erfolgsdenkens? Wo gerät der Lebenssinn, der sich für den Christen aus dem Glauben an Christus ableitet, in Widerspruch zum Erfolgsdenken? Inwieweit darf die Kirche selbst nach Erfolg streben und wie definiert sie Erfolg und erfolgreiches Leben? Wie bewahrt sich der Theologe die Unabhängigkeit von Erfolgserlebnissen bzw. Erfolgsdenken? Wie hilft die Kirche dem, der sich selbst als erfolglos und gescheitert betrachtet? Die Antworten auf diese Fragen zu geben, ist tägliche Herausforderung.


Hartmut Noll-Arukaslan, Bonn


Anmerkungen

1 Ich danke Herrn Dr. Hansjörg Hemminger für den konstruktiven Austausch und die Ermöglichung dieses Artikels.

2 2002 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus.

3 Vgl. Arndt, 62.

4 Vgl. Nietzsche, 80.

5 Vgl. Jenni in „Noch erfolgreicher!“ mit seinem Zitat von Paul Meyer, 33.

6 Vgl. Pietka in ihrem Artikel.

7 Vgl. Lasch, 76ff.

8 Vgl. Lasch, 84.

9 Vgl. ebd.

10 Ebd., 85.

11 Vgl. Arndt, 17.

12 Egli, 25 und 62.

13 Vgl. Eibach, 22.

14 Vgl. Christiani, 11, der diese Denkweise mit dem Begriff der Motivation beschreibt.

15 Hierbei unterscheide ich in der Begrifflichkeit nicht weiter zwischen „Methode“ und „Strategie“. Für den einen Anwender ist eine einzelne Methode bereits eine Strategie, für den anderen bilden die Gesamtheit der individuell ausgewählten Methoden erst eine Strategie. Ich halte mich weitgehend an Christiani. Sein Buch „Weck den Sieger in Dir“ war für mich Mitauslöser für die Beschäftigung mit dem Thema.

16 Vgl. Christiani, 44.

17 Ebd., 47.

18 Ebd., 54ff.

19 Ebd.

20 Ebd., 64ff.

21 Ebd., 99.

22 Ebd., 106, und Robbins im Zusammenhang mit Hilfsbereitschaft, 117ff.

23 Vgl. Christiani, 67ff und 92f.

24 Ebd., 111ff.

25 Ebd., 115.

26 Vgl. Christiani, 225ff.

27 Ebd., 131ff.

28 Ebd., 35f.

29 Ebd., 187ff.

30 Ulrich Strunz: „forever young. Das Erfolgsprogramm“, München 1999.

31 Vgl. Robbins, 77ff.

32 Vgl. Afflerbach, 29, mit Bezug auf P. L. Berger.

33 Vgl. Christiani, 59.

34 Vgl. Robbins, 40.

35 Vgl. Christiani, 87ff.

36 Vgl. Egli, 85.

37 Vgl. Christiani, 53.

38 Vgl. Arndt, 14.

39 Vgl. Egli, 64, und Hesse, 38.

40 Vgl. Christiani, 108.

41 Vgl. Arndt, 32ff.

42 Vgl. Körtner, 156.

43 Vgl. Hempelmann, 65.

44 Vgl. Carnegie, 48 und 221.

45 Vgl. Arndt, 49.


Literatur

Afflerbach, Horst: Handbuch Christliche Ethik, Wuppertal 2002

Arndt, Roland: Erfolgreich in jeder Beziehung, Bad Oldesloe 22000

Carnegie, Dale: Sorge dich nicht – lebe! München 781996

Christiani, Alexander: Weck den Sieger in dir! In 7 Schritten zu dauerhafter Selbstmotivation, Wiesbaden 22000

Correll, Werner: Menschen durchschauen und richtig behandeln, Psychologie für Beruf und Familie, Landsberg 171999

Egli, René: Das LoL2A-Prinzip. Die Vollkommenheit der Welt, Oetwil a. d. L. 232000

Eibach, Ulrich: Liebe, Glück und Partnerschaft – Sexualität und Familie im Wertewandel, Wuppertal 1996

Focus, Heft Nr. 14 vom 30. März 2002, Die Kunst der Motivation

Hempelmann, Heinzpeter: Glauben wir alle an denselben Gott? Christlicher Glaube in einer nachchristlichen Gesellschaft, Wuppertal 1997

Hesse, Hermann: Siddhartha, Text und Kommentar, Frankfurt a. M. 1998

Knoblauch, Jörg / Marquardt, Horst (Hg.): Mit Werten in Führung gehen. Konzepte christlicher Führungskräfte, Gießen 2001

Körtner, Ulrich H. J.: Zeitgeist statt Heiliger Geist? Wege zwischen Verdrängung und Verlotterung, Theologische Beiträge 30/1999, H. 3, 151-165

Lasch, Christopher: Das Zeitalter des Narzissmus, München 1982

MacDonald, Gordon: Ordne dein Leben, Wiesbaden 1992

Nietzsche, Friedrich: Ausgewählte Werke, Menschliches – Allzumenschliches, Köln 2000

Schwanitz, Dietrich: Bildung. Alles was man wissen muss, München 2002

Noch erfolgreicher! Das Magazin für Motivation, Weiterbildung und Erfolg 01/2000 und 02/2001

Pietka, Petra: ERFOLG – Was ist das? http://www.ivcg.de/artikel/199907.htm 05.04.02

Robbins, Anthony: Das Prinzip des geistigen Erfolgs. Der Schlüssel zum Power-Programm, München 41997