Erste islamische Körperschaft des öffentlichen Rechts in Deutschland
(Letzter Bericht: 3/2013, 104f) Die Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) ist in Hessen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt worden. Die Entscheidung des Kultusministeriums, die Mitte Juni 2013 bekannt wurde, fiel Medienberichten zufolge bereits Ende April. Die AMJ ist damit die erste islamische Religionsgemeinschaft, die diesen Status in Deutschland erhält. Sie sei im gesamten Bundesgebiet rechtsfähig, hieß es aus dem Ministerium, die mit dem Körperschaftsstatus verbundenen Rechte und Befugnisse sind jedoch auf das Bundesland Hessen beschränkt.
Was große islamische Verbände seit vielen Jahren erstreben und was ebenso lang die Debatten um die „Anerkennung“ des Islam in Deutschland befeuert, erreichte die AMJ innerhalb kurzer Zeit. Der begehrte Status bringt Vergünstigungen und steuer- und arbeitsrechtliche Privilegien mit sich. Körperschaften dürfen zum Beispiel eigene Beamte beschäftigen und sind von der Grundsteuer befreit, vor allem dürfen sie Steuern von den Mitgliedern erheben und über das Finanzamt einziehen lassen.
Dies sei nicht geplant, hieß es, vielmehr habe die AMJ zunächst eigene Friedhöfe und die Förderung des Moscheebaus im Blick. Bislang sind Moscheebauten hauptsächlich abseits in Gewerbegebieten zu finden. Ferner will die AMJ das in Riedstadt bei Darmstadt gegründete „Institut für islamische Theologie und Sprachen“ als staatliche Bildungseinrichtung anerkennen lassen, sagte der Vorsitzende der AMJ, Abdullah Uwe Wagishauser, laut epd.
Der Körperschaftsstatus kann Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften auf Antrag verliehen werden, „wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten“ (GG Art. 140 i. V. m. Art. 137,5 WRV). Mit ihrem Bestehen seit den 1950er Jahren, ihrer klaren Hierarchie sowie transparenten Mitgliederstrukturen hatte die AMJ jetzt offenbar die Nase vorn. Außerdem wird auf Rechtstreue geachtet.
Nicht gefordert ist hingegen eine liberaldemokratische Gesinnung. Diese würde man zumindest aus den Schriften und Lehren der Ahmadiyya auch kaum ableiten können. Wenn die Ahmadiyya immer wieder als „gemäßigte Reformbewegung“ bezeichnet wird, so ist aus weltanschaulicher Sicht darauf hinzuweisen, dass sich dieser Begriff nur auf das Selbstverständnis der Ahmadiyya beziehen kann. In diesem Sinne bezieht sich „Reform“ auf die Notwendigkeit, dass die Religionen in jedem Jahrhundert „erneuert“ werden müssen. Der „Erneuerer“ und „Reformer“ des Islam ist der „Verheißene Messias“ (Imam Mahdi/al-Masih), der Gründer der Ahmadiyya Mirza Ghulam Ahmad (1835 – 1908), „und sonst niemand“. Mit ihm, der sich als Wiederkunft Jesu versteht, beginnt die Endzeit, in der der reine und ursprüngliche Islam auf der ganzen Welt wiederhergestellt werden wird. Seiner Prophezeiung zufolge werden alle anderen Religionen nach 300 Jahren durch den endgültigen und universalen (friedlichen) Triumph des Islam überwunden sein. Im Moment befinden wir uns im zweiten Jahrhundert der Ahmadiyya-Bewegung, dem „Jahrhundert des Islam“. Wer sich gegen den „Reformer“ stellt, wird nicht selten als Ungläubiger mit drastischer Polemik und der Androhung völliger Vernichtung bedacht. Der „erbittertste und aktivste“ der Feinde des Islam sei das Christentum, dessen Überwindung und Ende häufig Thema in den Reden der Ahmadiyya-Kalifen (der dynastischen Nachfolger des Gründers) ist. Aufgrund der Sonderlehren der Ahmadiyya wurde die Religionsgemeinschaft 1974 aus der Weltgemeinschaft der Muslime ausgeschlossen.
In Hessen ist die AMJ neben der sunnitischen „Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion“ (DITIB) an der Einführung des islamischen Religionsunterrichts an 27 Grundschulen ab kommendem Schuljahr beteiligt.
Friedmann Eißler