Es wird leer unter dem Dach: Interne Differenzen und personelle Veränderungen bei Concilium GENA
(Letzter Bericht: 9/2002, 282f) Für neue Irritationen und heftige Diskussionen in der okkult-magischen Szene hat der Austritt der umstrittenen Thelema Society (TS) und des mit ihr freundschaftlich verbundenen Vidar/Vali-Bundes aus dem Dachverband gesorgt. Die internen Auseinandersetzungen haben auch zu personellen Konsequenzen bei Concilium GENA geführt: Der bisherige Vorsitzende, Federico Tolli, und drei weitere Mitglieder des Vorstandes traten während der Mitgliederversammlung am 5. Oktober 2002 in Bergen/Dumme geschlossen zurück.
Zu den Hintergründen: Noch in der Nacht teilte der führende Kopf der TS, Michael D. Eschner, im thelemitischen Internet-Diskussionsbereich von New Aeon City mit: "Die TS ist am heutigen Tag aus dem Dachverband Concilium GENA ausgetreten. Grund: Dem Vorstand des DV [Dachverbandes; M.P.] zur Verfügung ge-stellte vertrauliche Unterlagen wurden im Web veröffentlicht. Das verantwortliche Vorstandsmitglied konnte eindeutig identifiziert werden. Die TS stellte daraufhin einen Mißtrauensantrag gegen dieses Vorstandsmitglied. Der Mißtrauensantrag wurde von der Mitgliederversammlung abgelehnt. Obwohl das Abstimmungsverhalten der meisten Stimmberechtigten, wie sich im Nachhinein herausstellte, auf einem Mißverständnis zu basieren schien, lehnen wir es ab, daß der absolut inakzeptable Vertrauensbruch des betreffenden Vorstandsmitglieds nicht eindeutig als solcher gekennzeichnet wird."
Nähere Informationen über den Ablauf der Ereignisse liefert eine Pressemitteilung, die am 20. Oktober 2002 von der Pansophischen Gesellschaft in Hamburg (Vorsitzender: Federico Tolli) verbreitet wurde. Auslöser für den Streit war offensichtlich die Einschätzung eines Gerichtsurteils des Amtsgerichtes Dannenberg vom 15. April 2002: "Ein Mitglied der TS wurde wegen Anstiftung zur Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Gericht war der Meinung, dass ein TS-Mitglied aufgrund der Nötigung des verurteilten Mitgliedes zu 'üblichen' Praktiken, so die Kammer, mit körperlicher Gewalt gezwungen wurde." Der Vorstand des Dachverbandes setzte "eine Kommission zur Untersuchung dieses Falles" ein. Unter der Leitung von Arndt Pipert kam diese Kommission zum Ergebnis, dass dieses Urteil "nahe an Rechtsbeugung" grenzen und "in keinem Fall die wahren Zustände in der TS" widerspiegeln würde. Dieser Auffassung soll Tolli, den die Pressemitteilung an späterer Stelle als "Theologen" tituliert, sich widersetzt haben, indem er auf weitere Aussagen (v.a. "von staatlichen und kirchlichen Stellen") hinwies, die die Auffassung der Richter untermauerten. Offensichtlich sei die Auseinandersetzung schließlich eskaliert: "Der Streit spitzte sich zu, als die schriftliche Urteilsverkündigung inklusive des persönlichen Anschreibens des Amtsgerichtes an das angeklagte Mitglied auf einem öffentlichen Forum im Internet publiziert wurde. ... Daraufhin beschuldigte die TS den Vorsitzenden Tolli an dieser zweifelhaften Veröffentlichung beteiligt zu sein. Da Kommission und zwei weitere Vorstandsmitglieder von der TS das schriftliche Urteil nebst Anschreiben erhielten, ging die TS von einem Vertrauensbruch aus und forderte in einem Misstrauensantrag von der MV [Mitgliederversammlung; M.P.] die Absetzung des Vorsitzenden. Dieser [Tolli; M.P.] gab zu, dass ihm die Unterlagen bei einem Umzug abhanden gekommen wären, bestritt jedoch jegliche Beteiligung an der Veröffentlichung und reichte aus beruflichen und wegen Wandlung seiner Weltanschauung seinen Rücktritt ein." Völlig kampflos wollte Tolli das Feld allerdings nicht räumen. Er forderte von der Gruppe um Eschner "ein öffentliches Bekenntnis zu vergangenen Fehlern und eine Erklärung, dass Praktiken wie Ekeltraining und erzwungener Beischlaf nicht mehr durchgeführt werden in der TS". Aus der Sicht der Pansophischen Gesellschaft bzw. Tolli stellt sich der weitere Verlauf der Mitgliederversammlung so dar: "Dem widersprach die TS mit der Erklärung Michael Eschners, dass solche Praktiken, wie in der Urteilsschrift dargelegt, nie stattfanden." Offensichtlich konnte sich die TS im Dachverband mit dem Versuch nicht durchsetzen, Solidarität einzufordern und Tolli als Vorsitzenden "unehrenhaft" zu entlassen. Mit der TS ist auch der Vidar/Vali-Bund aus dem Dachverband ausgetreten. Die inhaltlichen Differenzen in diesem dispergierenden Milieu, auf die hier schon öfter hingewiesen wurde, scheinen für diesen internen Trennungsprozess den Ausschlag gegeben zu haben. Für den Vidar/Vali-Bund ließ "Nordolf" am 11. Oktober 2002 im Internet verlauten: "Die Ziele des Vidar/Vali-Bundes und des Dachverbandes erschienen uns über Monate hinweg immer unvereinbarer. Viele Mitgliedsgruppen hatten das Interesse, einen gesellschaftsfähigen Okkultismus zu etablieren, also sich ein 'gemütliches' Plätzchen in der bürgerlichen Gesellschaft einzurichten. Dies ist aber definitiv nicht das Ziel des Vidar/Vali-Bundes. Uns wäre es im Dachverband eher darum gegangen, mit okkulten/spirituellen Ideen in die Gesellschaft einzugreifen und den Okkultismus/Spiritualität auch als Kraft zu verstehen, der diese Gesellschaft verändern kann."
Die Neuwahlen bei Concilium GENA brachten folgendes Ergebnis: Neuer Vorsitzender ist Michael Hamm aus Wiesbaden, neuer Pressesprecher Ralph Gerlach aus Dortmund, neuer Schriftführer ist Nico Zandomeneghi aus Köln, das Amt des Kassenwartes versieht weiterhin Hans Georg Illig aus Mannheim. Als weitere Vorstandsmitglieder wurden Iris Maier aus Udenheim und Berthold Röth aus Worms im Amt bestätigt. Derzeit sind - so die Pressemitteilung - im Dachverband neun "Gruppen, Logen und Organisationen aus dem okkulten und naturreligiösen Spektrum vertreten". Weitere Aufnahmeanträge würden vorliegen. Die offizielle Internetseite www.concilium-gena.org (Stand: 29.10.2002) nennt folgende Mitgliedsgruppen:
Celtsus-Wicca-Medizingesellschaft
Communitas Saturni
In Nomine Satanas
Loge Chiron
Maya Nahual Tradition (Yok'ha Maya)
Pansophische Gesellschaft
Reformierter Alter und Universeller Ritus (R.A.U.R.)
Saturngesellschaft Deutschlands
Tyrclach Vikings.
Matthias Pöhlmann