Esoterik

Esoterik als Geschäft

Mit Esoterik lassen sich einträgliche Geschäfte machen. Wenn zum Beispiel eine Hamburger Unternehmensberatung in einer Studie den „Trend Esoterik“ untersucht, interessiert sie vor allem die Frage, ob und inwiefern sich mit Esoterik wirklich viel Geld verdienen lässt. Eine Schätzung der Umsätze in diesem Bereich ist jedoch schwierig, da es neben zahlreichen regionalen Dienstleistungsangeboten unüberschaubar viele kommerzielle Esoterik-Anbieter im Internet gibt.Dass es sich für Unternehmen offenbar lohnt, auf Esoterik zu setzen, zeigt ein Beispiel aus Jena. Der ursprünglich aus Köln stammende Michael Wiechert hat sich in der thüringischen Stadt mit einer Unternehmensberatung für Versandhandel und E-Commerce niedergelassen. Er bietet Beratung für Internetversandhandel an und beruft sich dabei auf seine eigenen Erfahrungen mit einem erfolgreichen mittelständischen Versandhandel: „Horoskope direkt“ (www.horoskope-direkt.de). Auffällig ist die klare Unterscheidung vom Geschäft der Unternehmensberatung und den „eigenen Projekten“ (www.unternehmensberatung-wiechert.de). Die Sprache des Unternehmensberaters ist durch und durch wirtschaftlich und gänzlich esoterikfrei. Das betrifft auch das Coaching-Angebot, bei dem offenbar keinerlei Methoden zum Einsatz kommen, die sonst aus dem esoterischen und spirituellen Beratungsbereich bekannt sind. Auch die Vita, mit der sich Wiechert vorstellt, zählt allein wirtschaftliche Erfahrungen und Kompetenzen auf: Studium der Betriebswirtschaftslehre, Logistik, Einkauf, Marketing usw.Die eigenen Projekte, mit denen Wiechert im Internet präsent ist, drehen sich bis auf eine Ausnahme um Esoterik und Schmuck. Der Schwerpunkt des Geschäfts liegt auf dem Versandhandel „Horoskope direkt“. Hier werden ausführliche, persönlich erstellte Horoskope in Buchform und Schmuck angeboten. „Zielgruppe sind übrigens nicht primär überzeugte ‚Esoteriker’, sondern Menschen, die auf der Suche nach einem persönlichen Geschenk sind und ‚sowas’ einfach originell finden“, erfährt man auf der Internetseite des Unternehmensberaters. Sprache und Präsentation verraten, dass es sich auch bei dem Betreiber des Angebots keineswegs um einen „Esoteriker“ handelt, sondern um einen Geschäftsmann, der mit „originellen Geschenkideen“ handelt. Persönliche Horoskop-Bücher kosten zwischen 50 und 80 Euro. Wiechert gibt an, dass sich die Kundenzahl von „Horoskope direkt“ im fünfstelligen Bereich bewegt.Zu den eigenen Projekten gehört ein weiterer Internet-Versandhandel, „Taufringe direkt“, spezialisiert auf Schmuck zur Taufe, sowie die Internetseite „Sterntaufe“, auf der man Sternenpatenschaften erwerben kann. Des Weiteren bietet Wiechert drei Informationsseiten an: „Sternzeichen Liebe. Welche Sternzeichen passen zusammen“, „14 Nothelfer“ mit Informationen über Schutzengel und „populäre Heilige“ und ein „Esoterik-Lexikon“. Die Informationsseiten haben offensichtlich hauptsächlich zwei Funktionen: Zum einen möchte der Anbieter sich selbst ganz im Geschäftsinteresse als seriöser Experte in Sachen Esoterik profilieren. Zum anderen ist jede aufgerufene Seite mit anderen Seiten verlinkt und mit Werbung versehen. Auch damit lässt sich Geld verdienen. Informationen stehen hier im Dienst des Geschäfts. Anzeigenkunden werden in einer aktuellen Pressemeldung über das „Esoterik-Lexikon“ damit gelockt, dass man mit 1000 Besuchern täglich auf der Seite rechne. Tatsächlich rangiert der Link bei Google weit oben.Auf der Seite selbst demonstriert der Anbieter Neutralität gegenüber den Inhalten und sichert sich rechtlich ab: „Bitte beachten Sie, dass wir auf diesen Seiten lediglich versuchen, esoterische Begriffe zu erklären. Ob man an Übersinnliches glaubt oder nicht, muss einjeder selbst entscheiden. Bitte beachten Sie insbesondere auch, dass bei Erklärungen zu Heilsteinen selbstverständlich keinerlei Wirkunsweise derselben behauptet wird. Ausdrücklich verweisen wir darauf, dass die Wirkung von Heilsteinen wissenschaftlich nicht belegt ist. Dies gilt natürlich genauso für esoterische Formen wie wahrsagen, Hellsehen oder Kartenlegen“ (www.esoterik-lexikon.info). Nicht nur hier, sondern allenthalben finden sich Rechtschreibfehler. In der Pressemitteilung betont der Anbieter, dass man auf ein „seriöses Erscheinungsbild“ Wert lege mit „entsprechender Textlastigkeit“ und unter Verzicht auf „kitschigen Schnickschnack“. Die Artikel sind kurz, lassen sprachlich zu wünschen übrig und der Informationsgehalt ist dürftig bis irreführend. Unter dem Eintrag „Hexe“ steht: „Eine hexe ist ein weibliches Wesen, welches dem Volksglauben nach mit dem Teufel im Bunde ist. Eine Hexe betreibt geheime Rituale und Schwörungen, ist in der Magie kundig nd kann Dinge und Menschen verzaubern. Im Mittelalter wurden viele Frauen die zB in der Kräuterkunde kundig waren oder andersartig auffällig waren im Zuge der Hexenverfolgung verfolgt und teilweise auf dem Scheiterhaufen verbrannt.“ Da sich das Lexikon noch im Aufbau befindet, gibt es bisher nur wenige Einträge. Auf der Startseite finden sich zunächst Lexikoneinträge, die für Horoskope werben, wie man sie eben dann mit einem Klick auf das daneben platzierte Werbebanner bei Wiecherts „Horoskope direkt“ erwerben kann.Die Geschäftsidee mag unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten clever sein; die mangelhafte Ausführung dürfte den Erfolg schmälern. Wiechert ist nicht der einzige Geschäftsmann, der versucht, auf diese Weise mit der Esoterik Geld zu verdienen. Im Internet tauchen unter dem Stichwort Esoterik-Lexikon mehrere ganz ähnliche Seiten auf.Das Geschäft Wiecherts beschränkt sich nicht auf die Esoterik, sondern wird auch mit Tauf-Schmuck und Informationen zu Heiligen und Engeln im Bereich der christlichen Tradition betrieben. Dabei werden Esoterik und christliche Tradition unbefangen miteinander vermengt: Auf der Seite „Horoskope direkt“ werden Horoskope für Taufe, Kommunion und Konfirmation angeboten. Inwieweit tatsächlich Horoskope zu diesen kirchlichen Anlässen verschenkt werden, lässt sich nicht beurteilen. Es ist jedoch durchaus möglich, dass solche kommerziellen Angebote dazu beitragen, auch unter Kirchenmitgliedern die Toleranzgrenze gegenüber Esoterik als zumindest „origineller Geschenkidee“ zu senken.Am Beispiel der erwähnten Internetlexika lässt sich sehen, wie sich im Internet Information und Kommerz vermengen. Auf der einen Seite lässt dies den Bedarf an seriösen, nichtkommerziellen Informationsangeboten steigen. Auf der anderen Seite wird es für die Internetnutzer immer schwieriger, eben solche Informationen auch zielsicher zu finden.
 

Claudia Knepper