„Eziden“
Die Perspektive der Gesellschaft Ezidischer AkademikerInnen
Christine Allison, eine ausgewiesene Expertin des Ezidentums, hat in einem Aufsatz aus dem Jahr 2008 zu Recht konstatiert, dass es über die weltweit kaum mehr als eine Million Anhänger zählende ezidische Religionsgemeinschaft eine sehr reichhaltige Bibliografie gibt, wenn man sie etwa mit den überschaubaren Veröffentlichungen über die vielfältigen Ausprägungen und Praktiken des Islam unter den vielen Millionen Kurden vergleicht.1 Aber das, was über die Eziden und das Ezidentum von nicht-ezidischen Autoren bis weit ins 20. Jahrhundert hinein geschrieben wurde, war vielfach begleitet von einem sensationslüsternen Ton, einer Ignoranz gegenüber den Besonderheiten der ezidischen religiösen Lehre und – für die Gemeinschaft besonders fatal – verhängnisvollen Ressentiments und Unterstellungen. Solche Vorurteile sind noch heute vielfach anzutreffen, wovon die durch nichts belegte Mutmaßung, die Eziden seien „Anbeter des Bösen“, besonders schwer wiegt, die Gemeinschaft in ihrem religiösen Grundverständnis hart trifft und sogar an den Rand der physischen und religiös-kulturellen Vernichtung gebracht hat. Erst durch die in der europäischen Diaspora gewährleistete Religions- und Meinungsfreiheit und den staatlich garantierten Schutz dieser Grund- und Menschenrechte haben die Eziden damit beginnen können, jenen Jahrhunderte währenden Ressentiments und Vorurteilen zu begegnen, über ihre Religion systematisch aufzuklären und so auch den interreligiösen Dialog zu fördern.2
Teil dieser Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit ist auch die Frage nach der richtigen Schreibweise der Religion und ihrer Anhänger. Eine global gültige Standardschreibweise gibt es bis heute nicht. In den vergangenen Jahrhunderten wurden sehr vielfältige Schreibweisen verwandt, was mitunter auch die lang anhaltende Verwirrung der mit dem Thema befassten Autoren symbolisieren mag, die Eziden religionshistorisch richtig zu verorten.3 In älteren Publikationen aus dem deutschen Sprachraum wurde vielfach von den „Jeziden“, „Jezidi/s“ oder auch „Yaziden“ gesprochen. Viele Leser haben erstmals durch Karl Mays populäre Bücher aus dem Orientzyklus „Durch die Wüste“4 und „Durchs wilde Kurdistan“5 von den Eziden erfahren, die in diesen Schriften „Dschesidi“ genannt werden. In den letzten Dekaden waren dann die Begriffe „Yeziden“ und „Jesiden“ in deutschsprachigen Publikationen am prominentesten vertreten. Im englischen Sprachraum wird in der Regel der Name „Yezidis“ oder „Yazidis“ benutzt.
Die in Deutschland lebenden Eziden gebrauchen inzwischen mehrheitlich den Begriff „Eziden“; dies spiegelt sich in der Namensgebung zahlreicher Vereine und Organisationen wider, die in den letzten zwei Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland gegründet wurden. Die Causa von der „richtigen“ Schreibweise ist nicht nur Produkt einer freien religiösen und kulturellen Identitätsfindung der Eziden in der Diaspora, sondern auch als bewusste Abkehr von Versuchen zu werten, die Eziden in bestimmte religionshistorische „Schubladen“ zu stecken. Denn bis zum heutigen Tag wird u. a. die These vertreten, wonach der Name der Eziden auf den umayyadischen Kalifen Yazid I. zurückzuführen sei6 und die Eziden folglich Anhänger bzw. Verehrer dieses Herrschers seien. Einige Orientalisten erklärten sogar, das Ezidentum habe einen islamischen Ursprung.7 Ob die Verbindung zu Yazid I. historisch tatsächlich verbrieft ist und welche Theorien über die Wortherkunft noch existieren, soll hier kurz zusammengefasst dargestellt werden.
Etymologie
Teilweise wird der Begriff Êzîdî, die Eigenbezeichnung der Eziden, auf den mittelpersischen Begriff yaz(a)d oder das kurdische Wort yazdan, was mit „Gott“ oder „höchstes Wesen“ übersetzt werden kann, zurückgeführt.8 Teilweise wird auch eine Verbindung mit dem neupersischen Begriff Izid bzw.Izad (Engel) für möglich erachtet.9
Einleuchtender dürfte demgegenüber die etymologische Ableitung vom kurdischen Wort Ezidi bzw. Ezda(yi) sein, was mit „der, der mich erschaffen hat“, also „Schöpfer“, übersetzt werden kann. Die große Mehrheit der Vereine und Organisationen, die in den vergangenen Jahren in Deutschland gegründet wurden, wählen die Schreibweise „Eziden“, weil sie jener kurdischen Selbstbezeichnung „Ezidi“ bzw. „Ezda(yi)“ am nächsten kommt: So sagt der Ezide über sich: „Ez Êzîdî me“ („Ich bin Ezide“) und nicht: „Ez Yezîdî me“.
Eine früher gängige und heute noch vertretene These lautet, dass der Name vom Umayyaden-Kalifen Yazid I. (644 – 683 n. Chr.) stamme. Doch dies ist aus mehreren Gründen nicht stichhaltig:10 Es ist richtig, dass in einer Reihe von ezidischen heiligen Texten11 von Siltan (Sultan) Êzî(d) die Rede ist. Doch weder die kurdische Bezeichnung als Siltan12 noch der Kontext, in dem Siltan Êzî(d) in den meisten Qewlen erwähnt wird, sprechen hier für eine rein historische Verbindung zwischen dem Êzî(d) der Eziden und dem Umayyaden-Kalifen Yazid I. Êzî(d) ist in der oralen Geschichte der Eziden vielmehr als eine mythische Figur zu begreifen, als ein Synonym für den Namen Gottes selbst. Ähnlich wie auch die Zahl 72 eine mythische Zahl im Ezidentum darstellt, die nicht mit konkreten historischen Ereignissen in Verbindung gebracht werden kann, kann auch Êzî(d) (aufgrund des fließenden Übergangs von tatsächlicher und legendärer Geschichte) nicht ohne Weiteres als eine historische Person identifiziert werden. Bereits der britische Forschungsreisende William Francis Ainsworth berichtete 1861 davon, dass ein Qewwal ihm erzählt habe, dass der antike ezidische Name für Gott „Azed“ gewesen sei13. Viele Eziden glauben daher auch, dass Ezid der Name Gottes sei.14 Die Beschreibung Siltan Êzî(d)s in den Qewlen legt diesen Schluss durchaus nahe: So beginnt der „Qewl von Sheikh Erebeg Entush“ (Qewlê Şêx ‘Erebegê Entûşî) eingangs mit den Worten, dass Siltan Êzî(d) der König, der Vollendete, sei,15 wobei König (Padşa) ein Wort zur Bezeichnung Gottes ist.16 Im „Qewl von der Mühle der Liebe“ (Qewlê Aşê Mihbetê) wird Siltan Êzî(d) als „ezidischer Glaube“ und „ezidische Religion“ betitelt.17 Im „Qewl von Sheikh Obekr“ (Qewlê Şêxubekir) wird Siltan Êzî(d) nicht nur als König beschrieben, die sieben Engel werden sogar als die „Sieben Engel Siltan Êzîds“ tituliert,18 also als ihm untergeordnet beschrieben. Im „Qewl vom Glauben“ (Qewlê Îmanê) wird Siltan Êzî(d) als Schöpfer der Welt geschildert.19 Auch im „Qewl vom schwarzen Ferqan“ (Qewlê Qere Ferqan) erscheint Ezid als eine Gestalt, die bereits vor der Schaffung der Welt existierte, vor den Engeln und Heiligen.20 Im „Qewl von Tausend und einem Namen“ (Qewlê Hezar û Yek Nav) wird Siltan Êzî(d) genauso wie Gott als omnipräsent und als die scheinbaren Widersprüche in der Welt überwindende Figur beschrieben.21 Die Bedeutung Ezids spiegelt sich auch in der religiösen Praxis wider. Das Mor Kirin22 vollzieht sich beispielsweise im Namen Ezids; der Sheikh spricht während der Zeremonie zum Kind die Worte: „Hol, hola Êzîde Siltan. Tu bûyi berxê Êzîd, serekê riya Êzîd“ (Hol, hola Sultan Ezid, du bist ein Lamm Sultan Ezids, des Führers der ezidischen Religion).23
Gleichwohl sind – und das darf keineswegs negiert werden – in den heiligen Texten der Eziden auch Passagen zu finden, die eine Verbindung Ezids zum Umayyaden-Kalifen Yazid I. herstellen, so etwa im „Großen Qewl“ (Qewlê Mezin), wo Siltan Êzî(d) als Sohn Mu‘awiyas I. bezeichnet wird.24 In etwas abgewandelter Form kann man dieses Motiv auch in der „Erzählung von der Erscheinung von Ezids Geheimnis“ (Çîroka Pêdabûna Sura Êzî) nachlesen.25
Für diese Erwähnung und auch die Aufnahme weiterer historischer und mythologischer Handlungsstränge, Persönlichkeiten und Heiliger aus dem islamischen Kulturraum (wie im Übrigen auch aus der sufistischen Lehre) gibt es aber eine einleuchtende wie naheliegende Erklärung: Die bis heute überlieferten heiligen Texte der Eziden wurden – weil sie mündlich überliefert wurden und keine schriftliche Kanonisierung stattfand – im Laufe der Jahrhunderte immer wieder den soziokulturellen und politischen Gegebenheiten angepasst. Darin ist eine hohe Flexibilität zu erkennen, durch welche die Eziden nicht gezwungen waren, an starren Dogmen oder unverrückbaren religiösen Praktiken festzuhalten oder diese zu verteidigen. Zu einem großen Teil stammen die Qewlen und die übrigen religiösen Texte aus der unmittelbaren Zeit nach dem Leben und Wirken Sheikh Adis (1075 – 1162 n. Chr.), als die Islamisierung des Nahen und Mittleren Ostens (und damit auch der traditionellen Siedlungsgebiete der Eziden) noch nicht abgeschlossen war und die (feindliche) Trennung zwischen Eziden und Muslimen noch nicht so absolut war wie heute.26 Vor diesem Hintergrund sahen die Verfasser der Post-Sheikh-Adi-Qewlen wahrscheinlich kein ideologisches Problem darin, islamische Persönlichkeiten und heilige Figuren in die mündlichen Überlieferungen einzuflechten. Dies diente nicht zuletzt auch einem Selbstschutz, weil man auf diese Weise vermeiden wollte, dem Vorwurf der Häresie oder der bloßen Andersartigkeit ausgesetzt zu sein27 (dass dies angesichts der zwangsweisen Islamisierung im Laufe der folgenden Jahrhunderte ein Trugschluss war, steht auf einem anderen Blatt).
Im Falle Siltan Êzi(d)s zeigt sich der Unterschied zwischen tatsächlicher und legendärer resp. mythischer Geschichte der Eziden besonders deutlich, weil es zwischen den Eziden und Yazid I. zu dessen Lebzeiten nachweislich keinen Kontakt oder Austausch gab, jedenfalls gibt es bis heute keine historischen Quellen, die das nahelegen würden. Yazid I. ist daher weder ein Religionsstifter im klassischen Sinne wie Jesus Christus oder Mohammed noch hat sich sein Wirken und Denken auf die Lehre des Ezidentums ausgewirkt, anders etwa als die sufistischen Gedanken Sheikh Adis, der von den Eziden als Reformer ihrer Religion begriffen, von Wissenschaftlern zumindest als Schlüsselfigur bei der Entwicklung des Ezidentums heutiger Ausprägung betrachtet wird.28 Siltan Êzî(d) ist ausschließlich als eine mythische Gestalt zu begreifen, die entweder mit Gott oder gar mit dem Glaubensbekenntnis selbst gleichgesetzt wird. In der religiösen Praxis wie auch in der Wahrnehmung durch die Mehrheit der Gläubigen29 wird Ezid jedenfalls heutzutage als Synonym für Gott begriffen.
Ungeachtet all dieser Erwägungen wäre es schließlich auch deshalb falsch, davon zu sprechen, dass die ezidische Religion historisch auf Yazid I. zurückzuführen sei, weil dies die lange ezidische Geschichte, die weit in die vorchristliche Zeit zurückreicht, völlig ausblenden würde.30 In der Ezidenforschung ist – fast schon mantramäßig – nachzulesen, dass es sich beim Ezidentum um eine synkretistische Religion handele, eine Religion also, die aus anderen Glaubensrichtungen Anleihen genommen habe. Die Synkretismusthese übersieht zunächst, dass eine gegenseitige Beeinflussung der Religionen des Nahen und Mittleren Ostens aufgrund der unmittelbaren Nachbarschaft der religiösen Gruppen historisch nichts Außergewöhnliches darstellt. Entscheidend ist aber, dass die Kosmogonie, Glaubenslehre und viele religiöse Bräuche im Ezidentum einzigartig sind und entscheidende Distinktionsmerkmale gegenüber anderen Religionen darstellen.31 Aufgrund der Tatsache, dass das Ezidentum viele alte Elemente iranischer Provenienz aufweist, wie z. B. die Engellehre oder die Verehrung der Sonne, glauben einige Autoren, dass das heutige Ezidentum seine Wurzeln in einer altiranischen Ur-Religion gehabt haben muss.32 Dies wird auch zurückgeführt auf die noch überlieferten Schöpfungsmythen, die wir von den Eziden, den Ahl-e Haqq und den Zarathustriern kennen, und deren Verwandtschaft zum altiranischen Mithraskult.33 Da jene Schöpfungsmythen gewisse Parallelen zueinander aufweisen, geht man davon aus, dass die Wurzeln des Ezidentums jedenfalls noch vor dem Aufkommen des Zarathustrismus liegen müssen, also vor der Zeit um etwa 1000 v. Chr.
Historie
Eine Verbindung zwischen den Eziden und Yazid I. wird von jenen nicht wegen des Lebens und Wirkens dieses Kalifen abgelehnt. Es ist vielmehr die historische Last, die mit dieser Verbindung einhergeht, die von den Eziden als Zumutung betrachtet wird. Yazid I. ist nämlich bei Schiiten verhasst, weil er mit dem Mord am Enkel des Propheten Mohammed, Hussein ibn Ali, in Verbindung gebracht wird.34 Bei Sunniten genießt er auch keinen guten Leumund, weil ihm nachgesagt wird, Medina geplündert und dabei 80 Gefährten des Propheten Mohammed getötet zu haben.35 Die angebliche Verehrung Yazids durch die Eziden wurde in der Vergangenheit vielfach als Grund angeführt, um Strafexpeditionen und Repressionen gegen diese zu legitimieren. Die Eziden wurden vielfach als Apostaten beschimpft, die vom rechten Glauben abgefallen seien und die es entweder zu islamisieren oder zu töten gelte. Ihnen wurde vielfach die Daseinsberechtigung abgesprochen. Mit dieser Argumentation werden noch bis heute Vernichtungsfeldzüge gegen die Eziden gerechtfertigt, wie der durch den „Islamischen Staat“ begangene Genozid an den Eziden aus Shingal seit dem 3.8.2014 zeigt.36
Identität
Die Schreibweise ist keine rein akademische Angelegenheit, sondern gerade auch eine Frage des kollektiven Bewusstseins und der Identität der Eziden. Eine wichtige Voraussetzung für eine gemeinsame Identität ist die gemeinsame Sprache.37 Sprache ist ein Instrument, mit dem wir unsere Erfahrungen, Haltungen und Lebenswelten mit anderen reflektieren und austauschen können. Von immenser Bedeutung ist daher die Bezeichnung bzw. die Schreibweise der eigenen Gemeinschaft im Hinblick auf die Identität ihrer Mitglieder.
Drei Basisfragen kennzeichnen die Identität:38 Wer bin ich? Wohin gehöre ich? Wie sehen mich die anderen? Identität wird als Wahrnehmung der relativen Einheitlichkeit der Einstellungen, Gefühle und des Verhaltens trotz wechselnder Umweltbedingungen und unabhängig von der Zeit beschrieben.39 Die Identität des Menschen bezeichnet dabei die ihn kennzeichnende und als Individuum von anderen Menschen unterscheidende Eigentümlichkeit seines Wesens. Kollektive Identität hingegen wird als kohärentes und andauerndes Bewusstsein der Identifikation mit und der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verstanden. Im Unterschied zu Formen sozialer Identität ist kollektive Identität durch eine gemeinschaftsbildende Handlungsorientierung bestimmt, die mehrdimensional artikuliert wird (z. B. Gemeinschaftsgefühl im Sinne der Solidarität; historisch als Erinnerung gemeinsamer Geschichte und normativ als Bejahung gemeinsamer Werte, Normen und Tugenden).40
Verschiedene Faktoren beeinflussen die Identität einer Gemeinschaft. Neben Faktoren wie Erziehung, Gesellschaft, Umwelt, Kultur und Geschichte nimmt hierbei die Sprache einen zentralen Stellenwert ein. Nach dem Verständnis des Soziologen Lothar Krappmann wird Identität ganz entscheidend über die Sprache vermittelt.41 Insofern ist es nicht verwunderlich, dass mittlerweile die große Mehrheit der in der Diaspora gegründeten ezidischen Vereine, Gemeinden und Organisationen die Schreibweise „Eziden“ und „Ezidentum“ benutzt und sich dabei argumentativ zumeist auf die Eigenbezeichnung der kurdischen Muttersprache bezieht. Diese Entwicklung führt zum einen zum Abbau von Ressentiments und Klischees gegenüber dem Ezidentum, die sich seit Jahrhunderten hartnäckig etabliert haben und vielfach den Nährboden für die Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Eziden bis in die Gegenwart hinein bilden. Zum anderen stärkt eine einheitliche Schreibweise das Selbstverständnis der Mitglieder positiv, um die kollektive Identität zu unterstützen.
Zusammenfassung
Diese kurze Abhandlung zeigt, dass die Eziden keine Anhänger des Kalifen Yazid I. sind. Die in den ezidischen heiligen Texten zu findende Figur „Siltan Êzî(d)“ ist eine mythische Figur, die als Synonym für Gott zu verstehen ist. Der Versuch, die Eziden als Spielart oder Sekte des Islam zu etikettieren, muss daher entschieden zurückgewiesen werden. Über die Jahrhunderte wurden falsche Bilder und Vorurteile über die Eziden im Nahen und Mittleren Osten sowie in der Orientliteratur verbreitet. Es existieren unzählige Namensbezeichnungen der Eziden, die überwiegend negativ konnotiert sind. Bis in die Gegenwart hinein waren und sind diese Ressentiments der Grund dafür, dass den Eziden jede Daseinsberechtigung abgesprochen wurde. Die Hinwendung zur muttersprachlichen Eigenbezeichnung ist als Produkt der kollektiven Identitätsfindung und als Beitrag zur Aufklärung in eigener Sache zu verstehen. Gerade auch vor dem Hintergrund des Genozids an den Eziden im Nordirak und der existenziellen Bedrohung der Religion sehen die Eziden die Notwendigkeit, sich dieser Identität bewusst zu werden und so das Überleben der Gemeinschaft zu sichern.
Serhat Ortac und Sefik Tagay
Anmerkungen
- Allison 2008, 1.
- Vgl. dazu etwa Gesellschaft Ezidischer AkademikerInnen (im Druck).
- Vgl. dazu Kreyenbroek 1995, vii-viii, 3-5, 16-20.
- May 1963.
- May 1951.
- So etwa Kreyenbroek 1995, 95f.
- So etwa Lescot 1938, 19-44.
- Vgl. Açıkyıldız 2010, 35.
- Vgl. Açıkyıldız 2010, 35.
- Vgl. dazu Spät 2010, 114-115; Guest 1993, 32; Layard 1850, 300.
- Diese sind: Qewlen (Hymnen, die bei religiösen Zeremonien von Priestern rezitiert werden; ferner thematisieren die Qewlen die ezidische Kosmogonie); Qesiden (ebenfalls Hymnen, aber mit deutlich mehr arabischen, iranischen und türkischen Lehnwörtern); Beyten (Gedichte, die die Pflichten und Aufgaben der Gläubigen zum Gegenstand haben); Duayen (Gebete).
- Der kurdische Begriff für Kalif ist Xelîf, Sultan ist dagegen ein Herrschertitel ab dem 10. Jahrhundert, den Yazid I. naturgemäß nicht innehaben konnte.
- Ainsworth 1861, 41.
- Vgl. Spät 2010, 114.
- Kreyenbroek 1995, 274f.
- Die Titulierung als König findet man auch in anderen religiösen Texten, etwa im „Glaubensbekenntnis“ (Şehda Dînî), vgl. Kreyenbroek 1995, 226-229.
- Kreyenbroek/Rashow 2005, 384.
- Kreyenbroek 1995, 210-211.
- Kreyenbroek/Rashow 2005, 83-89.
- Kreyenbroek/Rashow 2005, 94-103.
- Kreyenbroek/Rashow 2005, 74-82.
- Eine taufähnliche Zeremonie, bei welcher der Kopf des ezidischen Jungen oder Mädchens dreimal mit dem Wasser aus der als heilig geltenden weißen Quelle in Lalish (Kaniya Sipî) besprengt wird. Nach ezidischer Überzeugung wird dabei die Seele des „Täuflings“ für ein gutes Leben als Ezide/als Ezidin gereinigt.
- Kreyenbroek 1995, 159.
- Kreyenbroek/Rashow 2005, 157-172.
- Kreyenbroek/Rashow 2005, 131-156.
- Kreyenbroek/Rashow 2005, 34.
- In diese Richtung weist auch Badger (1852, 112) hin.
- So Kreyenbroek 1995, 27.
- Dass nicht alle Eziden dieser Auslegung folgen, hängt mit der fehlenden Kanonisierung und Standardisierung der Glaubenslehre zusammen, die regional unterschiedliche „Exegesen“ hervorbrachte.
- Kritisch in diesem Sinne auch schon Layard 1850, 300.
- Insbesondere die Verehrung Tausi-Meleks gibt der ezidischen Religion ihr eigenständiges Gepräge, vgl. Asatrian/Arakelova 2003, 8f.
- So etwa Kreyenbroek (im Druck).
- Ausführlich dazu Kreyenbroek 1992; ders. 2002; ders. 2010.
- Açıkyıldız 2010, 36.
- Açıkyıldız 2010, 36.
- Vgl. dazu Schirra 2015.
- Mead 1987.
- Vgl. Oerter/Montada 1995, 346-362.
- Brunner/Zeltner 1980, 100.
- Bader 1995, 32.
- Krappmann 1993.
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- Allison, Christine (2008): „Unbelievable Slowness of Mind”: Yezidi Studies, from Nineteenth to Twenty-First Century, in: The Journal of Kurdish Studies, Jahrgang 6, 1-23
- Asatrian, Garnik / Arakelova, Victoria (2003): Malak Tāwūs: The Peacock Angel of the Yezidis, in: Iran and the Caucasus, Vol. 7, No. 1-2, 1-36
- Bader, Veit-Michael (1995): Ethnische Identität und ethnische Kultur: Grenzen des Konstruktivismus und der Manipulation, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, Jahrgang 8, Heft 1, 32 – 45
- Badger, George Percy (1852): The Nestorians and their Rituals: with the narrative of a mission to Mesopotamia and Coordistan in 1842 – 1844 and a late visit to those countries in 1850; also researches into the present condition of the Syrian Jacobites, Papal Syrians, and Chaldeans, and an inquiry into the religious tenets of the Yezeedees, Bd. 1, London
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- Kreyenbroek, Philip G. (1995): Yezidism – its Background, Observances and Textual Tradition, Lewiston u. a.
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- Kreyenbroek, Philip G. (im Druck): Die Eziden, die Ahl-e Haqq und die Religion des Zarathustra, in: Gesellschaft Ezidischer AkademikerInnen e. V. (GEA) (Hg.): Eziden und das Ezidentum im Transformationsprozess: gestern, heute, morgen, Beiträge der Zweiten Internationalen GEA-Konferenz vom 04. bis 05.10.2014 in Bielefeld
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- Layard, Austen Henry (1850): Nineveh and its remains: with an account of a visit to the Chaldaean Christians of Kurdistan, and the Yezidis, or devil-worshippers; and an enquiry into the manners and arts of the ancient Assyrians, Vol. 1, fifth edition, London
- Lescot, Roger (1938): Enquête sur les Yezidis de Syrie et du Djebel Sindjār, Beirut
- May, Karl (1951): Durchs wilde Kurdistan, Bamberg / Wien
- May, Karl (1963): Durch die Wüste, neubearbeitet von Peter Korn, Gütersloh
- Mead, George Herbert (1987): Gesammelte Aufsätze, Band 1, Frankfurt a. M.
- Oerter, Rolf / Montada, Leo (1995): Entwicklungspsychologie, 3. Aufl., Weinheim
- Schirra, Bruno (2015): ISIS – Der globale Dschihad: Wie der „Islamische Staat“ den Terror nach Europa trägt, Berlin
- Spät, Eszter (2010): Late Antique Motifs in Yezidi Oral Tradition, Piscataway, N. J.