Fachkritik an Hellinger
(Letzter Bericht: 3/2003, 99ff) Der Vorstand des psychologischen Fachverbands für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF), der gegenwärtig rund 1500 Mitglieder vertritt, hat sich im Februar 2003 in einer ausführlichen Stellungnahme von dem "Familienaufstellen" nach Bert Hellinger distanziert. Gleichzeitig rief er dazu auf, positive Aspekte dieser neuen Vorgehensweise anzuerkennen. Er plädierte für kritisch-reflektierten Umgang mit dieser Methode. Zuerst wies der Vorstand jedoch auf die Gefährdungen von Klient/innen hin, die von Hellingers "Aura des Nicht-Kritisierbaren" ausgehe. Ein derartig autoritäres Vorgehen sei "mit dem Selbstverständnis der Systemischen Therapie unvereinbar".
Angesichts der weiten Verbreitung des Familienstellens erwartet der Vorstand der Fachgesellschaft von seinen Mitgliedern "einen kritischen, respektlosen Umgang mit Vorgehens- und Verhaltensweisen von Bert Hellinger". Offensichtlich reicht Hellingers Einfluss weit in die Fachkreise der Familientherapie hinein. Deshalb appellieren die Verantwortlichen an das kritische Urteilsvermögen und die fachliche Unabhängigkeit ihrer Mitglieder. Vorsichtig formuliert der Vorstand seinen Wunsch, dass er "von den renommierten Praktikern der Familienaufstellungen die Fähigkeit erhofft, sich von Bert Hellinger zu emanzipieren". Ob dazu Wünschen allein ausreicht?
Immerhin wird die Praxis der Familienaufstellungen "zu einem nicht geringen Teil als kritisch, ethisch nicht vertretbar und gefährlich für die Betroffenen" beurteilt. Besonders die Großgruppen-Veranstaltungen werden angeprangert, in denen "ohne ausreichende therapeutische Rahmung, vor allem ohne die persönliche Beziehung zu dem Therapeuten, den Klienten suggeriert werde, dass selbst gravierende psychische Problemsituationen durch eine einzige Familienaufstellung grundlegend verändert werden" könnten.
Die Verwendung dieser Methode erscheint dem Fachverband nur dann akzeptabel, wenn Familienaufstellungen in einen längeren Prozess von Systemischer Therapie und Beratung eingebettet sind und nur einen Bestandteil eines therapeutischen bzw. beraterischen Prozesses bilden. Eine fundierte Ausbildung und Praxis in Systemischer Beratung bzw. Therapie wird ebenfalls als unabdingbar angesehen (www.dgsf.org/dgsf/berufspolitik/hellinger.htm).
Michael Utsch