Klaus Farin

Freaks für Jesus. Die etwas anderen Christen

Klaus Farin, Freaks für Jesus. Die etwas anderen Christen, Hg. Archiv der Jugendkulturen e.V. Berlin, Verlag Tilser, Bad Tölz 2005, 117 Seiten, 12,00 Euro.


Seit etwa 15 Jahren gibt es die Jesus Freaks. War es anfangs nur ein kleiner Haufen, so markiert die Jahreswende 1994/95 mit der Gründung der Jesus Freaks International e.V. den Übergang von einer eher unorganisierten Bewegung hin zu festeren Strukturen. Auch wenn bis heute örtliche Freakgemeinden je nach Mitgliedern und Leitung sehr unterschiedlich sein können, so zeigt doch das alljährlich am ersten Wochenende im August stattfindende „Freakstock“, zu dem ca. 5000 vorwiegend junge Menschen kommen, dass da eine Bewegung entstanden ist, die eine gewisse Konstanz hat und in der Lage ist, ein großes mehrtägiges Festival organisatorisch zu meistern. Grund genug für das Berliner „Archiv der Jugendkulturen“ den „Freaks für Jesus“ einen eigenen Band zu widmen. Einen Band, der in mir zwiespältige Gefühle hervorruft.

Dies liegt vor allem am Konzept der Bücher, die vom „Archiv der Jugendkulturen“ herausgegeben werden. Ein Konzept, das m. E. prinzipiell nicht genug gewürdigt werden kann, bekommt man doch einen authentischen Einblick in eine Jugendkultur, die sich sonst gegenüber Erwachsenen eher reserviert und zurückhaltend, bisweilen sogar ablehnend verhält.

Auch „Freaks für Jesus“ will nicht über die Jesus Freaks reden, sondern sie selbst zu Wort kommen lassen. Insgesamt 28 kurze Beiträge – zum Teil sympathisch direkt in Sprache und Inhalt, zum Teil aber auch recht wirr und eher uninteressant – sollen ein authentisches Bild der Bewegung vermitteln. Auch bei mehrmaligem Durchblättern interessant wird das Buch aber erst durch die Fotos, Flyer, Plakate und Auszüge von Homepages und aus Foren, die die Selbstdarstellung abrunden. Dieses Material ist auch als „Steinbruch“ z. B. für Unterrichtsstunden sehr gut zu verwenden. Der abschließende Artikel über „Christliche Jugendmusik in Deutschland“ (94-108) verdient sogar allerhöchstes Lob. Auch wenn er das eigentliche Thema nur am Rande streift, so ist diese Zusammenstellung doch ausgesprochen erhellend und so aufbereitet, dass sie vielen Erwachsenen, die ratlos vor christlicher Jugendkultur der Gegenwart stehen, einen Orientierungsrahmen geben kann. Dies sind die positiven Seiten und diese Seiten rechtfertigen den Kauf allemal.

Leider gibt es auch negative Seiten: Der einleitende Artikel beginnt – wenig nahe liegend – mit dem amerikanischen Präsidenten George Bush und dem Irak-Krieg, der mit erlogenen Argumenten vom Zaum gebrochen worden sei und mehr als 180.000 Menschen das Leben gekostet habe. Dass Bush trotz dieses Krieges immer noch Präsident sei, wird auf die wahlentscheidende Basis der „Evangelikalen“ zurückgeführt. Auch auf die frühere Alkoholabhängigkeit von George W. Bush wird verwiesen, um dann einen jähen Bogen zu der Hamburger Punkszene zu schlagen, in deren Kontext die Jesus Freaks-Bewegung ihren Anfang nahm. Auch wenn es am Ende der Einleitung heißt: „Die Jesus Freaks heute pauschal diesem Netzwerk rechtskonservativer christlicher Fundamentalisten zuzurechnen, wäre jedoch falsch und polemisch“ (13), so geht doch der gesamte Duktus der Einleitung genau in diese Richtung.

Selbst wenn dies nach meiner Beobachtung zum Teil zutrifft, so wäre die Frage zu stellen, ob sich die Jesus Freaks damit wirklich von anderen Jugendkulturen unterscheiden. Dass Jugend nicht mehr in der Weise politisch links und engagiert ist, wie es vielleicht vor einem Vierteljahrhundert im Kontext der Friedensbewegung der Fall war, kann man den Jesus Freaks wirklich nicht vorwerfen. Und die allermeisten Jesus Freaks, mit denen ich zu tun habe, sind vor allem eines: unpolitisch. Auch darin stimmen sie mit anderen Jugendkulturen überein. Insofern ist das Urteil in der Einleitung in seiner Engführung auf die Jesus Freaks undifferenziert und von unfairer Einseitigkeit.

Und noch ein zweiter Umstand stört, je länger man das Buch in der Hand hat. Die Interviews sind leider so angelegt, dass immer wieder nach Drogen und nach Sexualität (speziell Homosexualität und Sex vor der Ehe) gefragt wird. Als Leser nervt mich dies auf Dauer – ich hätte gerne mehr über Theologie, Musik und Lebensgefühl und weniger über Drogen und Sex erfahren. So entsteht der Eindruck, als hätten die Jesus Freaks keine anderen Themen.

Insgesamt, wie gesagt, ein zwiespältiger Eindruck: Zum einen ein Buch, das viel zum Verständnis der Jesus Freaks beiträgt und deswegen zu empfehlen ist. Und zum anderen der Eindruck, dass hier Erwachsene – entgegen der erklärten Absicht – zuviel an eigener (und einseitiger) Deutung hinzugefügt haben.


Heiko Ehrhardt, Hochelheim/Hörnsheim