Friedensnobelpreis für Sri Sri Ravi Shankar?
(Letzter Bericht: 8/2002, 243-246) Eine Meldung der „Welt“ vom 18.4.2005 weist darauf hin, dass Sri Sri Ravi Shankar (48, nicht zu verwechseln mit dem 85-jährigen Sitar-Spieler Ravi Shankar) in einer Liste der für den Friedensnobelpreis Vorgeschlagenen steht, die in jedem Jahr durchschnittlich 100 Kandidaten enthält. Der Kreis der Vorschlagsberechtigten ist groß, ihm gehören alle an, die Mitglieder des Nobel-Komitees sind oder waren, die Referenten des Nobel-Instituts, Parlaments- und Regierungsmitglieder aller Staaten sowie Mitglieder der Interparlamentarischen Union, Mitglieder des Internationalen Gerichtshofs und des Internationalen Schiedsgerichtshofs in Den Haag, Mitglieder des Rats des Ständigen Internationalen Friedensbüros, Mitglieder des Instituts für internationales Recht, amtierende Professoren, die Vorlesungen in Rechtswissenschaft, Staatswissenschaft, Geschichte oder Philosophie halten, und schließlich die bisherigen Träger des Friedensnobelpreises. Eine erste noch ungefilterte Liste der Vorgeschlagenen wird im Februar zusammengestellt (diese Liste lag der „Welt“-Meldung zugrunde), es folgt ein intensiver Recherche-Prozess des Nobel-Instituts, der die Zahl der echten Kandidaten drastisch sinken lässt, bis es in der ersten Oktober-Hälfte zur Kür des Preisträgers kommt – oder auch nicht, wenn kein Kandidat geeignet erschien.
Sri Sri Ravi Shankar hat also zur Zeit noch ca. 100 Konkurrenten. Das spirituelle Oberhaupt der „(International) Art of Living Foundation“ mit deutschem Zentrum in Bad Antogast tourt durch die Welt mit der Botschaft einer Rückkehr zu menschlichen Werten. Spirituelle Methode auf diesem Weg ist eine atem-meditative Spielart des Yoga (Sudarshan Kriya), die man an einem Wochenende erlernen kann, um sie dann regelmäßig möglichst täglich 5-10 Minuten zu praktizieren. Öffentlich bekannt wurde der Inder durch zahlreiche Auftritte auf UN-Versammlungen, Menschenrechts- und Friedenskonferenzen sowie durch ein Entwicklungsprogramm für abgelegene ländliche Regionen (Schwerpunkt Indien, inzwischen aber in 140 Ländern) namens „International Association for Human Values“ (IAHV). Anlass für seine Nobel-Lancierung könnte sein Besuch im verfeindeten Pakistan im Juli 2004 bei dortigen muslimischen Gelehrten gewesen sein, der als wichtige Friedensgeste in den südasiatischen Medien gefeiert wurde. Im April 2005 durfte er in Hamburg, auch im dortigen Rathaus, für ein Hamburger Projektvorhaben von IAHV werben.
Sri Sri Ravi Shankar ist bisher eher als tänzelnder spiritueller Entertainer aufgefallen, und die entwicklungspolitische Qualität und Nachhaltigkeit von IAHV wird von Experten kritisch gesehen, auch scheint in den um die „Kunst des Lebens“ gebildeten Gruppen die Guru-Hörigkeit nicht unerheblich zu sein – ob er selbst sie fordert, sei dahingestellt. Man darf auf die Preisträgerbekanntgabe des Nobel-Komitees gespannt sein – meist gilt das öffentliche Vorab-Gehandeltwerden eines Kandidaten als Todesstoß für seine Chancen.
Ulrich Dehn