Gabriel Looser: Sterbebegleitung vor und nach dem Tod
Dank mehrerer Publikationen, besonders des bereits in fünfter Auflage erschienenen Longsellers „Die Seele ins Licht begleiten – Sterbebegleitung über den Tod des Körpers hinaus“, avancierte Gabriel Looser zu einem Vordenker der Esoterik-Szene. Vor Beginn seines Vortrags „Spirituelle Sterbehilfe – auch nach dem Tod“ am 5. Februar 2011 in einem Münchner Hotel präsentierte ihn die Organisatorin Gudula Blau als „den Fachmann überhaupt“. Die frühere Schauspielerin Blau, die als Bundesvorsitzende der Partei „Die Violetten“ amtierte (vgl. MD 9/2009, 338ff), leitet heute die Seminarorganisation mit Buchversand „Annapurna“ (www.annapurnasshop.de).Sein Werdegang macht Loosers Beschäftigung mit dem Thema Sterben nachvollziehbar. Der 1948 geborene Schweizer studierte katholische Theologie, promovierte in evangelischer Theologie und machte eine Ausbildung als Psychologe. Von 1980 bis 1991 wurde er als Krankenhaus- und Telefonseelsorger mit der Hilflosigkeit konfrontiert, „die in unserer Kultur dem Sterben gegenüber herrscht“. Er befasste sich mit Sterbetraditionen aus aller Welt. 1992 gründete er das „Institut Dr. Gabriel Looser – Spirituelle Sterbebegleitung“ mit Sitz in Bern, das einen neunmonatigen Lehrgang anbietet (www.institutlooser.ch).Den ersten Teil des Münchner Vortrags widmete Looser der Sterbebegleitung in den letzten Lebenstagen. Wo der Tod als das Schlimmste gelte, mit dem zu rechnen ist, sei es nötig, dem Sterbenden wie auch Angehörigen, Ärzten und Pflegepersonal die Situation bewusst zu machen und jene Ängste zu nehmen, die „missgeleitete Kirchenlehren“ über Hölle, Tod und Teufel schürten. Looser will „unmissionarisch“ vermitteln, dass der Sterbende keinem zürnenden Richter gegenübertritt, sondern die Chance auf ungeschönte Lebensbilanzierung erhält. Nach dem Tod erwarte ihn nichts als das „unbeschreibliche göttliche Licht“, das „Urlicht der Buddhisten“, die „umfassende Liebe“. Der Sterbebegleiter müsse die eigene Beziehung zum Tod klären, angstfrei eine Atmosphäre der Ruhe schaffen, Zwänge, Gerede und Hektik vermeiden und auf jeden Fall ehrlich bleiben und Trauer und Mitgefühl zeigen. Er solle dem Sterbenden „sein Ohr leihen“, ohne zu verurteilen. Doch geschehe unschätzbar Wertvolles auch in nonverbaler Kommunikation.Solche Ratschläge, die ja in der Hospiztradition stehen, erscheinen sinnvoll. Menschenwürdiges Sterben verlangt sicher, dass keine Indoktrination erfolgt, sondern dass der Sterbende liebevoll gepflegt wird und in Ruhe die Schwelle überschreiten kann. Es ist zu hoffen, dass Looser und seine Schüler auch dann neutral bleiben, wenn der Begleitete nicht ein undefinierbares Licht, sondern einen persönlichen Gott ersehnt.Wo Looser über Sterbebegleitung nach dem Tod spricht, geht er über die Hospizarbeit hinaus. Zwar erklärt er, er sei „kein Medium“, das heißt, er führt keinen aktiven Dialog mit den Geistern Verstorbener. Allerdings sucht er gelegentlich Medien auf und gibt außerdem an, seine Mutter, zu der Zeit seit Jahren tot, habe ihm beim Verfassen eines Buches zu „Geistesblitzen“ verholfen.Zur Sterbebegleitung nach dem Tod gehört für Loosers dualistisches Konzept zunächst, der Seele das Ableben des Körpers klarzumachen. Diese nehme den Tod oft nicht wahr, sondern fühle sich lebendiger denn je oder sei verwirrt. Die Angehörigen sollten sich nicht am Verstorbenen festklammern und dessen Weg blockieren. Loslassen ist die Devise. Mit den Mitteln des guten Zuredens, des Gebets oder mit einfachen Ritualen wie Kerzenanzünden soll der Seele der Weg gewiesen werden, sich dem eigenen Leben samt allen Fehlern zu stellen und „ins Licht zu gehen“. Looser erklärt, wenn er auch keine Gespräche mit Toten führe, so habe es doch deutliche Reaktionen auf seine Unterstützung gegeben; so verändere sich etwa der Gesichtsausdruck des Verstorbenen von Trauer zu Heiterkeit und größter Würde. Das ist nur ein Beispiel, wie Looser seine subjektive Interpretation eines Vorgangs als Beweis dafür anführt, dass sich etwas so abspielt, wie er es annimmt.Eine große Rolle spielt für Looser die Annahme einer Art „Silberschnur“ zwischen Körper und Seele, die sich innerhalb von drei Tagen nach dem Tod auflöse. Da der Todesprozess so lange dauere, solle man „eine Leiche nicht ins Kühlfach schieben“, sondern drei Tage lang zu Hause aufbahren. Auch Organentnahme oder Feuerbestattung hält Looser für fragwürdig. So sicher er in Bezug auf diese Fragen auftritt, so sehr hält er sich bei anderen zurück, vermeidet zu „banale“ oder „kulturspezifische“ Begriffe wie Gott oder Schutzengel, spricht lieber von „geistigen Helfern“. Diesen traut er aber wohl nicht allzu viel zu, sonst müsste nicht der menschliche Begleiter eingreifen. Wo Looser Quellen angibt wie das Tibetische Totenbuch, entnimmt er diesen nur, was seinem Konzept dient. Die Reinkarnation, die im Tibetischen Totenbuch eine feste Größe darstellt, sieht Looser nicht als Ziel, schließt sie aber auch nicht aus. Fragen dazu beantwortet der Fachmann mit „So genau weiß ich das nicht“.Zu Loosers Vortrag fanden sich etwa 50 Personen ein, zur Hälfte unter 40 Jahren. Einige gaben sich in der Fragerunde als Mediziner oder Krankenschwestern zu erkennen. Es bestand die Möglichkeit zur Diskussion, bei der das Publikum die Autorität des Referenten eher mit persönlichen Erlebnissen bestätigte. Looser bietet weitere Vorträge und Workshops in verschiedenen Städten Deutschlands und der Schweiz an.In den Medien wird das Interesse an Nahtoderlebnissen immer wieder neu befeuert. Auch Loosers Sterbebegleitung und seine Seminare greifen auf die Berichte darüber zurück. Bewusst vernachlässigt er allerdings Zeugnisse von Schreckenserfahrungen und betont die schönen Seiten eines Spaziergangs ins Licht.In seinem Buch „Die Seele ins Licht begleiten“ und in Sterbe-Workshops geht es auch darum, sich selbst dem Licht hinzugeben. Es ist eine Sache, sich intellektuell mit der menschlichen Sterblichkeit zu konfrontieren und zu fragen, was den Verstorbenen nach dem Tod erwartet. Es ist eine andere Sache, in einem Workshop oder gar allein mit einer CD (die zum Buch angeboten wird) Meditationen durchzuführen, die Sterben in Anlehnung an „wunderschöne“ Nahtoderlebnisse simulieren. So verlangt Looser vom Klienten, sich vom Körper zu lösen: „Du schwebst im weiten Raum dahin ... es ist das eingetreten, was wir Tod nennen“ (Die Seele ins Licht begleiten, 52009, 184). Man soll sich dem göttlichen Licht hingeben und nach einer Weile wieder in den Körper zurückkehren, denn: „Nur wer sterben kann, kann wirklich leben“ (161). Zu Recht warnt Looser Schwangere oder labile Personen vor solchen Exkursionen (163). Die Autorin rät generell davon ab. Oft wird die Macht der Suggestion unterschätzt und die Konsequenz der Fantasiereise ins Jenseits stellt sich als Balanceverlust erst später ein. Looser selbst beschreibt den Fall eines 30-jährigen, der mit seiner Freundin einen Sterbe-Workshop besucht hatte. Wochen später erlitt er einen schizophrenen Schub und beging Suizid (203ff). Looser setzt Workshop und Selbstmord nicht zueinander in Beziehung. Es geht auch hier nicht um eine Schuldzuweisung, doch gilt es zu rekapitulieren, dass eine Selbstdiagnose, ob man psychisch stabil genug für ein Seminar ist, schwierig sein kann. Aktive Todes-Meditationen sind ein Spiel mit dem Feuer und können in der geschilderten Form kaum empfohlen werden.
Angelika Koller, München