Gegen die feige Neutralität. Beiträge zur Islamkritik
Armin Geus, Stefan Etzel (Hg.), Gegen die feige Neutralität. Beiträge zur Islamkritik, Basilisken-Presse, Marburg 2008, 276 Seiten, 24 Euro.
Es hat lange gedauert. Aber seit der Aufklärung ist dann doch die Erkenntnis in das Bewusstsein vieler Christen eingesickert, dass sowohl die allgemeine Religionskritik als auch die spezielle Kritik an Christentum und Kirche nicht zum Nachteil des Glaubens sein müssen. Im Gegenteil, der Verzicht auf eine angemessene Behandlung von Religionskritik macht Gläubige dumpf und selbstzufrieden. In diesem Zusammenhang ist auch die spezielle Kritik einer nichtchristlichen Religion, die Islamkritik, von grundsätzlichem Interesse.
Der Titel des Sammelbandes „Gegen die feige Neutralität“ macht freilich deutlich, dass es noch um ganz anderes geht. Es geht hauptsächlich um eine Anklage der liberalen deutschen Gesellschaft. Eine inhaltliche Mitte der im Einzelnen sehr unterschiedlichen Beiträge kann man in der „Eurabien-These“ sehen: Die Immigration von Muslimen nach Europa drohe unseren Kontinent in einer Weise zu verändern, dass Kultur und Religion mittelfristig durch den Islam bestimmt sein werden. Dabei seien, wie am Rande deutlich wird, neben der ihre Selbstauflösung betreibenden deutschen „Normalkultur“ auch die Kirchen „mit Blindheit und Realitätsverlust geschlagen“ (246). Als „trojanische Esel“ (138) würden sie den Islam auch noch nach Deutschland hineintragen – was aber insofern kein Wunder sei, da an ihren „schwindsüchtigen Gott“ (32, 34) ohnehin niemand mehr glaube. Angesichts geradezu apokalyptisch zu nennender Textpassagen fühlt sich der Rezensent an die Selbstverbrennung des pensionierten evangelischen Pfarrers Roland Weißelberg 2006 in Erfurt erinnert, der als Grund die „Sorge vor der Ausbreitung des Islam“ angab.
Zu dem Band haben 25 Autoren beigetragen, teilweise mit illustren Namen, wie der Publizist Ralph Giordano, der Atheist Hubertus Mynarek, der Orientalist Tilman Nagel und der Schriftsteller Herbert Rosendorfer. Es sind aber auch weniger bekannte Personen dabei, z. B. der emeritierte katholische Fundamentaltheologe Aloysius Winter (zum Glück als einziger Theologe), ein Heavy-Metal-Musiker oder ein Fachschullehrer für Massage und Elektrotherapie.
Was die religionsdemographische Situation angeht, nähren Forschungen wie z. B. die von Michael Blume (http://religionswissenschaft.twoday.net/stories/4520939) oder Philip Jenkins keineswegs die Befürchtung, Europa würde von Muslimen überschwemmt. Allerdings darf man die Probleme des zunehmenden Einflusses des Islam auch nicht in Abrede stellen. Dass man aktiv einen Raum für die spezielle Religionskritik erhalten und im Interesse einer ernsthaften Auseinandersetzung um den Glauben sichern muss, hat etwa die Affäre Rushdie gezeigt. Aber gerade hier müsste eine seriöse Islamkritik die Möglichkeit einer vermittelnden Beurteilung eröffnen, in der Kritik und Apologetik gegeneinander abgewogen werden. Dergleichen liegt aber jenseits des Horizontes des vorliegenden Bandes.
Gereon Vogel-Sedlmayr, Passau