Atheismus

Giordano Bruno Stiftung: Austritt mit Öffentlichkeitswirkung

(Letzter Bericht: 4/2011, 139ff) Auch wenn die „Giordano Bruno Stiftung“ (gbs) mit atheistischen und religionsfeindlichen Parolen kraftmeierisch in der Öffentlichkeit auftritt, fällt sie bisher doch meist durch das Wahrnehmungsraster der seriösen Presse. Dafür räumte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) dem pensionierten Philosophieprofessor Norbert Hoerster Platz in ihrem Feuilleton ein, um seinen Austritt aus der Giordano Bruno Stiftung und ihrem Beirat zu erklären. Hoerster rechnet in seinem Beitrag (FAZ vom 26.11.2011) mit den von der Stiftung und vor allem ihrem Sprecher Michael Schmidt-Salomon vertretenen Inhalten, den Kampagnen und dem niveaulosen Argumentationsstil der Stiftung ab. Auslöser für die endgültige Trennung Hoersters von der gbs war nach Auskunft Schmidt-Salomons in einer Pressemeldung offenbar eine Beiratssitzung im September 2011. Dort soll sich Hoerster scharf gegen das „Great Ape Project“ und die Anti-Papst-Demonstration „Keine Macht den Dogmen“ gewandt haben. In der FAZ distanziert sich Hoerster entsprechend von der Form der Papstkritik der Stiftung. Kampagnen und Sprachgebrauch in diesem Zusammenhang entsprächen nicht seinem „ästhetischen Empfinden“, so der Sozialphilosoph. Wenig überzeugend findet er den „Neuen Atheismus“ des Biologen Richard Dawkins, den auch die Stiftung vertritt. „Ich sehe nicht, wieso ausgerechnet die Evolutionstheorie den Gottesglauben widerlegen, ja ersetzen kann“, schreibt Hoerster. Viel eher sieht er nach wie vor im Theodizeeproblem die Herausforderung für den Gottesglauben. Hoerster verweist den „sich als Philosoph ausgebenden Denker“ Schmidt-Salomon an David Humes Auseinandersetzung mit der Religion und empfiehlt ihm, „die Religionsphilosophie etwas gründlicher in Angriff zu nehmen“. Zweifelhaft ist es für Hoerster auch, wenn der von der Stiftung vertretenen Ethik die Annahme zugrunde gelegt wird, dass der Mensch nichts anderes sei als eine Affenart. In summa distanziert sich Hoerster von den Konzepten der „Aufklärung“ und „Philosophie“, wie sie die Giordano Bruno Stiftung vertritt. Michael Schmidt-Salomon bestätigte in der Pressemeldung der Stiftung den Dissens mit Hoerster. Durch den Beitrag in der FAZ sieht er das Image der Stiftung beschädigt.

Zeitgleich mit Hoersters Austritt gab die Giordano Bruno Stiftung bekannt, dass Hamed Abdel-Samad neu in den Beirat aufgenommen wurde. Der prominente Politikwissenschaftler hat sich bislang in zwei Büchern mit seiner islamischen Herkunft persönlich und kritisch auseinandergesetzt (Mein Abschied vom Himmel. Aus dem Leben eines Muslims in Deutschland, 2009; Der Untergang der islamischen Welt. Eine Prognose, 2010). Seit 2010 ist er Mitglied der Deutschen Islamkonferenz. Er ist oft zu Gast in Talkshows und auf Podien. Ein häufig von Abdel-Samad wiederholter Satz ist, dass er „vom Glauben zum Wissen konvertiert“ sei. Diese vereinfachende Sicht auf das Verhältnis von religiösem Glauben und Vernunft, sein oft plakativer Argumentationsstil und seine Tendenz zur Ideologisierung lassen in der Tat eine stilistische Nähe zum Auftreten der Giordano Bruno Stiftung erkennen. Insofern erscheint seine Aufnahme in den Beirat der Stiftung kaum überraschend.

Die Giordano Bruno Stiftung wurde 2004 in Mastershausen (Hunsrück) von dem Unternehmer und Mäzen Herbert Steffen gegründet. Sie versteht sich als „Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung“. Im Jahr 2010 gab die Stiftung 2400 Fördermitglieder an. Dem Beirat gehören derzeit 57 Wissenschaftler und Künstler sowie einzelne Politiker und Journalisten an, darunter der Wissenschaftstheoretiker Hans Albert, die SPD-Politikerin Ingrid Matthäus-Meier, der Zeichner Janosch und die Schriftstellerin Karen Duve.


Claudia Knepper