Sebastian Berndt

Gott hasst die Jünger der Lüge. Ein Versuch über Metal und Christentum

Sebastian Berndt, Gott hasst die Jünger der Lüge. Ein Versuch über Metal und Christentum. Metal als gesellschaftliches Zeitphänomen mit ethischen und religiösen Implikationen, Verlag Tredition, Hamburg, 2012, 400 Seiten, 16,80 Euro.

„Rock’n’Roll ist in Musik verpacktes Teufelszeug“ – ein Satz aus dem Mund von „ALF“, der schon vor mehr als 20 Jahren ausdrückte, welche Ressentiments es vor allem in evangelikal-konservativen Kreisen gegen Rockmusik an sich und Heavy Metal im Speziellen gab und gibt. Auch wenn es inzwischen eine Reihe von christlichen Metalbands gibt – und das in allen Subgenres, sogar im Bereich Gothic oder Doom –, auch wenn inzwischen deutlich geworden ist, dass vermeintlich satanistische Bands wie „AC/DC“ oder „Iron Maiden“ eher nicht aus sinistren Finsterlingen, sondern aus recht sympathischen Menschen bestehen (Alice Cooper, der Vater des „shock rock“, ist sogar gläubiger Christ und regelmäßiger Gottesdienstbesucher), und auch wenn ein Festival wie „Wacken“ beweist, dass die Metalfans vor allem ein paar Tage eine gute Zeit haben wollen – das Gerücht, dass harter Rock und Satanismus etwas miteinander zu tun haben, hält sich hartnäckig.

Das vorliegende Buch – eine Dissertation der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt – nun hat das Zeug, ein für alle Mal und hoffentlich dauerhaft die Spreu vom Weizen zu trennen. Denn es gab und gibt ja durchaus Bands im Metalbereich, die eindeutig Satanismus und/oder Rechtsradikalismus und/oder Neuheidentum propagieren und die dabei auch vor Kirchenschändungen und sogar Mord nicht zurückschrecken. Der Höhepunkt dieser von Norwegen ausgehenden Welle ist freilich rund 20 Jahre her. Trotzdem verdient dies deutliche Erwähnung – Berndt stellt die Ereignisse zutreffend dar, ohne ihnen unpassende Breite einzuräumen.

Daneben gibt es einige Richtigstellungen (etwa Led Zeppelin und Iron Maiden betreffend), die Berndt anhand von ausführlichen Textanalysen leistet. Nach der Lektüre seiner Ausführungen sollte eigentlich deutlich sein, dass die erwähnten Bands zwar mit satanistischen Versatzstücken spielen, dass sie aber in ihren Texten viel zu differenziert sind, als dass man sie als „Satanisten“ bezeichnen könnte.

Auch das „im Vinyl-Zeitalter“ relevante Problem des „backward masking“ wird noch einmal und – wie ich hoffe – abschließend behandelt: Berndt kommt zu dem lapidaren Schluss: „wissenschaftlich nicht anschlußfähiger Unsinn“ (123). Und dann gibt es – dies ist aus meiner Sicht eine der Hauptleistungen des Buches – eine differenzierte Übersicht über die Geschichte des Metal, über die verschiedenen Subgenres (das ist enorm wichtig, will man mit echten Fans ins Gespräch kommen), über die verwendeten musikalischen Mittel, und auch die Ästhetik von Covern und die Verwendung von Symbolen werden behandelt.

Insgesamt ist es also ein Buch, das auch gut als Fachbuch über Metalmusik herhalten könnte. Dass der Verfasser Fan dieser Musik ist und sich außergewöhnlich gut auskennt, unterstreicht der Anspruch, das Thema umfassend darstellen zu wollen. Der Autor greift nicht nur auf die inzwischen vorliegende wissenschaftliche Literatur zurück, sondern bezieht auch Fanzines und Internetforen ein. Das mag wissenschaftlich geschulten Lesern etwas fremd vorkommen – es ist aber ein angemessener Zugang zur Welt der Metalfans.

Neben diesem musikalischen Teil gibt es dann noch einen „apologetischen“ Teil. Darin werden die Begriffe „Satanismus“, „Neuheidentum“, „Rechtsextremismus“, „Gewalt“ und „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“ geklärt und in Bezug zur Metalmusik und zu entsprechenden Bands gestellt. Dieser Teil ist recht kurz gehalten – er ist aber ausreichend fundiert, um als kurzes Nachschlagewerk benutzt werden zu können.

Bis hierhin handelt es sich also um ein Buch, das sehr gut gearbeitet ist, das man mit Gewinn liest und das – so hoffe ich – die christliche Diskussion um Metalmusik auf solide Grundlagen stellen wird.

Der letzte Teil, der mit „Prophetie“ überschrieben ist und der einen „theologischen Anschluß“ herstellen will, überzeugt mich allerdings weniger. Zwar bekommt man einen gediegenen Abriss gegenwärtiger Positionen in der Theodizeefrage und eine Antwort, die sich an Raymund Schwagers Interpretation des Lebens Jesu orientiert, aber: Die Verbindung hin zum Metal erscheint mir doch etwas konstruiert. Natürlich ist die Frage nach dem Bösen in der Ästhetik und den Texten vieler Metalbands absolut dominierend. Aber ob man die ganze Szene quasi als offene Theodizeefrage, auf die dann der Glaube eine Antwort geben kann, verstehen sollte (pointiert heißt es: „Als Thema der Arbeit stellte sich schließlich das Böse heraus“, 340) – dies möchte ich denn doch in Frage stellen.

Gerade wenn man, wie Berndt es ja mustergültig zeigt, die verschiedenen Subgenres benennt, wird doch deutlich, dass es da durchaus auch Bands gibt, die einfach nur Spaß haben wollen, die sich ihres Lebens freuen (wenn auch auf laute Weise) oder aber ein bestimmtes, durchaus als positiv empfundenes Weltbild propagieren wollen (so eine Reihe von Pagan-Metalbands, die ein heidnisches Weltbild verkünden, das aus ihrer Sicht dem christlichen Weltbild überlegen ist). Hier hätte ich mir gewünscht, dass nicht alles über den christlichen Leisten geschlagen wird, aber das ist eine eher marginale Kritik an einem ansonsten sehr lesenswerten Buch.


Heiko Ehrhardt, Hochelheim/Hörnsheim