Gralssucher des Paranormalen. Der Freiburger Festakt zum 100. Geburtstag von Hans Bender (1907-1991)
(Letzter Bericht: MD 4/2007, 153ff) Zum Gedenken an den bekannten deutschen Parapsychologen hatte das Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. (IGPP) zu einer Festveranstaltung am 21. April 2007 in das Historische Kaufhaus am Münsterplatz in Freiburg/Br. geladen. Rund 90 Gäste waren der Einladung gefolgt, unter ihnen Wissenschaftler, Schüler, Weggefährten und Familienangehörige Hans Benders.
Wie Institutsleiter Dieter Vaitl in seinem kurzen Einführungsvortrag hervorhob, sah sich Hans Bender in seinen Forschungen dem „Moment der Aufklärung“ verpflichtet. Die Parapsychologie als Teil der Psychologie sollte ihren Ort innerhalb der Universität haben. In der Begegnung mit dem Ungewöhnlichen sah er es als Aufklärungspflicht an, zwischen Tatsachen und Täuschung zu unterscheiden. Der langjährige Mitarbeiter und spätere Assistent Benders, Eberhard Bauer, würdigte das parapsychologische Vermächtnis des Forschers. Dabei stellte er dessen Beiträge zu sog. „mediumistischen Psychosen“– heute eher als dissoziative Störungen bezeichnet – und zur Spukforschung heraus. Besonderes Augenmerk richtete Bender zudem auf die Interdisziplinarität und die historischen Aspekte parapsychologischer Forschung. Für Schmunzeln im Plenum sorgte die Bemerkung Bauers, die Suche Benders nach dem Paranormalen gliche teilweise auch einer „Gralssuche“. Die langjährige Assistentin Benders, Inge Strauch, zuletzt Professorin für Klinische Psychologie mit Schwerpunkt Traumpsychologie in Zürich, berichtete in einer Retrospektive „Hans Bender und der Traum“ vom Experiment der Ende der 1950er Jahre durchgeführten sog. „bestellten Träume“. In einer kleinen Gruppe wurden Träume induziert und anschließend in der Gruppe besprochen, so dass deutlich wurde, dass im Traum die „kreativen Kräfte des Unbewussten“ besonders stark zutage traten. Gerade hier zeigte sich, wie stark Hans Bender von der Tiefenpsychologie Carl Gustav Jungs beeinflusst war.
Neue Ergebnisse zur Spukforschung stellte der Leiter der Freiburger Parapsychologischen Beratungsstelle, Walter von Lucadou, vor. Wie er zu Beginn seines Vortrags „Hans Bender und der Spuk – oder: die Entdeckung der Elusivität“ klarstellte, war Bender keineswegs leichtgläubig, sondern – bedingt durch seinen wissenschaftlichen Ansatz – ein „Kryptoskeptiker“. Als erster habe dieser die Elusivität des Spuks als „intrinsische Eigenschaft“ entdeckt. Lucadou warf den zeitgenössischen Gegnern Benders vor, sie seien „grobschlächtig, undifferenziert, polemisch, unredlich und unfair“ gewesen und wollten in ihrer Kritik insbesondere die Person Benders treffen. In Anknüpfung an die Forschungsergebnisse von M. Huesmann / F. Schriever (Steckbrief des Spuks, 1999) stellte Lucadou eigene Beobachtungen zu Spukphänomenen vor: Demnach treten sie am häufigsten während der Pubertät auf und würden in der Regel nie länger als ein Jahr dauern. Der Freiburger Wissenschaftler betrachtet den Spuk als „eine psychosomatische Reaktion, die in der Umgebung der Fokusperson stattfindet“. Er sei ein „selbstorganisiertes, organisatorisch geschlossenes, sozio-physikalisches System“.
Mit dem Phänomen „Besessenheit“ in der Medizingeschichte befasste sich der Vortrag des Medizinhistorikers Heinz Schott (Bonn). Darin ging er zunächst auf die „heilbringende Besessenheit“ ein, bei der Menschen von „guten Mächten“ ergriffen und in Besitz genommen würden. Das Phänomen lasse sich in der Antike bei der Vorstellung von der Gotteserfülltheit (gr. theoleptos), z.B. beim Orakel von Delphi, beobachten. Analoge Ideen begegneten im Kontext der christlichen Mystik, wie in der Lichtmetaphorik der Hildegard von Bingen, später im Zusammenhang des Mesmerismus. Schott streifte thematisch auch den Vorstellungskomplex von der „Besitzergreifung durch dämonische Mächte“ vor dem Hintergrund der Dämonologie des 18. Jahrhunderts: So sei Paracelsus von der Vorstellung ausgegangen, dass der Teufel in den Menschen auch ohne Verletzung der Haut gelangen könne. Krankheit galt, so Schott, in dieser Perspektive als dämonische Infektion. Im Blick auf Befreiungspraktiken und ihre weltanschaulichen Hintergründe ging der historisch orientierte Vortrag exemplarisch auf Paracelsus und Justinus Kerner ein.
Harald Walach (Northampton/England) stellte seine empirischen Forschungen Zur Frage der „Geistigen Heilung“ vor. Er ist ein Vertreter der Transpersonalen Psychologie und hat zwei Fernheilstudien durchgeführt. Beide ergaben, dass bei Heilungen der Kontakt mit dem Heiler und die Erwartungshaltung des Heilungssuchenden eine große Rolle spielen, so dass Effekte bei positiver Erwartungshaltung erzielt werden. Als mögliche, aber letztlich wissenschaftlich nicht genau zu bestimmende Erklärungen brachte Walach den jeweiligen Glauben, die Erwartungshaltung und nicht zuletzt den bekannten Placebo-Effekt ins Spiel, ohne jedoch vorschnell eine Antwort anzubieten. An dieser Stelle wurde deutlich, dass dabei auch weltanschauliche Aspekte eine Rolle spielen. So stellt sich die Frage, was mit „Glaube“ in diesem Zusammenhang bezeichnet werden soll. Aus theologischer Sicht ist hier besondere Aufmerksamkeit angezeigt. Hier kommen auch mögliche Rückfragen ins Spiel: Geht es bei der Heilungsthematik womöglich am Ende um einen Gottesbeweis? Oder wird der Glaube auf säkularem Wege eingeholt? Aus christlicher Sicht meint Glaube mehr, nämlich das Vertrauen setzen auf ein persönliches, lebendiges und freies Gegenüber – Gott.
Das Festprogramm und die abwechslungsreichen Vorträge zeichneten – nicht zuletzt durch die Vielfalt in der Themenauswahl – ein interessantes Bild von dem wohl bekanntesten deutschen Parapsychologen. Er hatte sich, wie auch betont wurde, besonders der Interdisziplinarität verschrieben. Für weltanschaulich Interessierte wäre die Frage von „Hans Bender und die Religion“ besonders interessant gewesen. Insbesondere die Selbstpositionierung der Forschungsrichtung Hans Benders zwischen Skeptikern und Okkult-Gläubigen dürfte sich im Blick auf mögliche weltanschauliche Implikationen als spannend erweisen.
Anlässlich des hundertsten Geburtstages erschien als Sonderheft der Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie eine Zusammenstellung wichtiger Aufsätze Benders im Zeitraum von 1950 bis 1977 zu den Themen: Okkultismus und Psychohygiene, Zur Geschichte des Kristallsehens, Mediumistische Psychosen – Ein Beitrag zur Pathologie spiritistischer Praktiken, Wunderheilungen, Zur Frage präkognitiver Träume und ihrer Motivation, Parapsychologie und Spiritismus, Neue Entwicklungen zur Spukforschung. Ergänzt wird das rund 160 Seiten umfassende Heft durch ein Interview von Johannes Mischo mit Hans Bender aus dem Jahr 1983 sowie ein Schriftenverzeichnis mit 242 Titeln.
Matthias Pöhlmann