Hans Bender (1907-1991) und das „Institut für Psychologie und Klinische Psychologie“ an der Reichsuniversität Straßburg 1941-1944
Frank-Rutger Hausmann, Hans Bender (1907-1991) und das „Institut für Psychologie und Klinische Psychologie“ an der Reichsuniversität Straßburg 1941-1944, Ergon Verlag, Würzburg 2006, 172 Seiten, 29,00 Euro.
Hans Bender, einer der Väter der wissenschaftlichen Parapsychologie, wäre 2007 hundert Jahre alt geworden – Anlass für das Freiburger „Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene“ (IGPP), seinen „Pionier“ in einem Festakt zu würdigen. Auch der „Materialdienst“ hat schon auf diesen runden Geburtstag hingewiesen (vgl. MD 4/2007, 153ff).
In seiner Publikationsreihe „Grenzüberschreitungen“ hat das IGPP eine Untersuchung des Freiburger Romanisten Frank-Rutger Hausmann herausgebracht, die sich mit Benders Zeit an der „Reichsuniversität“ Straßburg beschäftigt. Nach der Besetzung und faktischen Annexion des Elsass durch das nationalsozialistische Deutschland 1940 sollte die Straßburger Universität zu einem „Bollwerk des deutschen Geistes“, sprich: des NS-Ungeistes, umfunktioniert werden und nicht weniger als die „Entthronung der Sorbonne“ in Paris bewerkstelligen (26) – kein Wunder, dass Hans Bender die Mitwirkung an diesem Projekt einer „nationalsozialistischen Musteruniversität (...) im nachhinein peinlich“ war (12). Dennoch, oder gerade deshalb, stellt sich die Frage, wie sich Bender in den vier Jahren seiner Elsässer Zeit verhalten hat.
Es ist das große Verdienst dieses Buchs, dass es – gestützt auf eine sehr intensive Auswertung des Quellen- und Archivmaterials – zu einem ebenso fairen wie ausgewogenen Urteil kommt, was Benders Einstellung zum Nationalsozialismus betrifft, und dies auch über die Jahre in Straßburg hinaus: „Um seine eigene Karriere nicht zu gefährden, machte er dem NS-Regime gegenüber gewisse Zugeständnisse wie SA- und Parteieintritt oder die gelegentliche Erteilung personenbezogener Auskünfte und fachlicher Vorschläge. Die politischen Gleichschaltungsmaßnahmen akzeptierte er kommentarlos, da sie ihn nur indirekt betrafen. In einer Mischung aus Naivität, Nichtwissenwollen, und Opportunismus verhielt er sich nicht anders als der überwiegende Teil seiner Kollegen, die sich ihrerseits nicht von der Masse der deutschen Volksgenossen unterschieden“ (62). Insofern sei Bender im Entnazifizierungsverfahren zu Recht als „Mitläufer“ eingestuft worden.
In den letzten Jahren ist es etwas in Mode gekommen, ausgehend von Heinrich Himmlers Begeisterung für allerlei Obskurantismus, dem Nationalsozialismus einen okkultistischen Zug zu unterstellen. Frank-Rutger Hausmann kann nun aber gerade am Beispiel Benders zeigen, dass im polykratischen System des Nationalsozialismus mit seinen oft gegenläufigen Strömungen vor allem stark anti-okkultistische Tendenzen wirksam waren. Hans Bender bekam dies 1935 zu spüren, als ihm von der Parteipresse unterstellt wurde, er würde sich unter dem Deckmantel der Wissenschaft okkultistisch betätigen. Möglicherweise hat diese Erfahrung dazu beigetragen, dass sich Bender dem NS-Regime gegenüber nicht gerade durch großen Widerstandsgeist auszeichnete, um es einmal so zu formulieren.
So lässt denn auch Benders Straßburger Vorlesungstätigkeit wenig auf sein Interesse an parapsychologischen Phänomenen schließen; ihnen widmete er sich, wenn überhaupt, dann nur „im Stillen“ (84). Paranormale Phänomene hatten in einer nationalsozialistischen Psychologie, die ausschließlich am „gesunden“ Menschen interessiert war, keinen Platz. Allerdings gelang es Bender mit Hilfe des elsässischen Verlegers Friedrich Spieser, ein – wenn auch bescheiden ausgestattetes – „Grenzwissenschaftliches Institut“ aufzubauen. Diese private Einrichtung befasste sich u.a. mit der radiästhetischen Suche nach Erdöl, so dass man der grenzwissenschaftlichen Betätigung wenigstens den Anstrich der „Kriegswichtigkeit“ geben konnte. Es gibt im Übrigen keine Hinweise darauf, dass sich Bender an nationalsozialistischen Verbrechen, wie sie etwa die „Versuche“ mit Häftlingen des nahen KZ Natzweiler-Struthof darstellen, beteiligt hätte.
So leistet Frank-Rutger Hausmanns äußerst gründliche und lesenswerte Aufarbeitung der Straßburger Jahre Hans Benders einen sehr wichtigen Beitrag zum Thema „Geschichte der deutschen Parapsychologie“. Es wird nichts beschönigt und nichts dramatisiert, sondern auf einer soliden wissenschaftlichen Basis differenziert argumentiert. Dass dem Buch eine CD-ROM mit interessanten Dokumenten beigefügt ist, erhöht seinen Wert. Man kann daher dem IGPP zu diesem Werk nur gratulieren.
Christian Ruch, Baden/Schweiz