Universelles Leben

Hausverbot im Friedensreich

(Letzter Bericht: 5/2010, 183ff) Der Besuch von religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaften zählt immer wieder zu interessanten Tätigkeiten eines kirchlichen Weltanschauungsbeauftragten. Dabei ergibt sich die Möglichkeit zu persönlichen Kontakten sowie zu Information und Austausch. Doch nicht immer sind kirchliche Beauftragte willkommen. Von einer ungewöhnlichen Erfahrung soll an dieser Stelle kurz berichtet werden. Ende Juni 2010 besuchte ich mit den beiden katholischen Kollegen des Bistums Würzburg, Alfred Singer und Dr. Jürgen Lohmayer, in Unterfranken verschiedene Einrichtungen, die zum Umfeld der Glaubensgemeinschaft Universelles Leben (UL) zählen.

Erste Station auf unserer kleinen Rundreise im Umfeld von Würzburg und Marktheidenfeld war der „Biotop-Verbund“ der „Internationalen Gabriele-Stiftung für alle Kulturen weltweit“. Zu Anliegen und Ziel heißt es in einer neuen Selbstvorstellungsbroschüre: „Unter der Anleitung von Gabriele, der Prophetin und Botschafterin Gottes für unsere Zeit, wurde in Deutschland in der Nähe von Würzburg ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, das Land des Friedens, das weltweit Beispiel gibt für ein friedvolles Miteinander aller Lebensformen.“ Das etliche Hektar umfassende Gelände ist über öffentliche Wege erreichbar. Direkt an der Straße befindet sich ein Schild, das den Besucher mit den Worten begrüßt: „Herzlich willkommen auf Deutschlands größtem privaten Biotop-Verbundsystem“. Nach mehreren hundert Metern stößt der Besucher auf eine weiße Hirtenfigur mit kleinen Schafen. Davor ist ein kleines Messingschild angebracht mit der Aufschrift „Schafe können sicher weiden“. Unweit davon findet sich ein weiteres Schild: „Natur-Rundweg über das Friedensland“.

Wir hatten uns nur wenige Minuten dort aufgehalten, als sich über einen Feldweg ein Fahrzeug näherte. Unschwer war zu erkennen, dass man auf uns aufmerksam geworden war. Kurz darauf hielt der Geländewagen in unserer Nähe an. Sein Fahrer stellte sich als Andreas Hautzinger und als Verantwortlicher für das Biotop vor. Zu unserer Verblüffung begrüßte er die beiden katholischen Kollegen mit Namen und forderte uns nachdrücklich auf, dass wir uns von den Einrichtungen wie Hofladen und dem nahegelegenen Gut (nach Meinung von Experten der Aufenthaltsort der „Lehrprophetin“ Gabriele Wittek und ranghoher „Urchristen“) fernhalten sollten. Wie Hautzinger einräumte, könne er uns die Benutzung der öffentlichen Wege jedoch nicht untersagen.

Als wir uns dem Gut näherten, tauchte plötzlich ein weiterer UL-Anhänger auf. Er sollte uns in der folgenden Zeit ununterbrochen filmen. Unsere „Bewacher“ ließen nun nicht mehr von uns ab. Immer wieder wurden wir verbal von den beiden provoziert: Die katholische Kirche solle sich lieber um ihre Probleme und die Pädophilen in ihren Reihen kümmern. Als ich meinerseits ein Foto von dieser „Bewachungsmaßnahme“ machen wollte, wurde mir wegen einer möglichen Veröffentlichung des Fotos gedroht.

Schließlich verließen wir das Biotop und fuhren zum Einkaufszentrum „Alles für alle“ in Marktheidenfeld-Altfeld, das ebenfalls zum Umfeld des UL zählt. Dort wurden wir bereits „erwartet“. Als wir die Buchhandlung im Gewerbegebiet betreten wollten, kam schon ein ganz in Schwarz gekleideter Sicherheitsmann auf die beiden katholischen Kollegen zu: „Sie haben hier Hausverbot! Bitte verlassen Sie das Grundstück!“ Wie er ausführte, gelte das Hausverbot auch für weitere Gebäude in der Max-Braun-Straße. Schließlich kam der junge Mann auch auf mich zu und sprach auch mir ein Hausverbot aus. Auf die Nachfrage nach dem Grund wurde mir mitgeteilt: „Weil Sie mit den beiden (gemeint waren die katholischen Kollegen) zusammenhängen.“ Wir verließen das Grundstück und gingen wenige Schritte weiter. Als wir umkehrten, kam der Sicherheitsmann erneut auf uns zu und übergab Herrn Lohmayer das UL-Buch „Des Satans neue Kleider“ mit dem Hinweis, nunmehr könne er sich besser informieren. Als Begründung für das Hausverbot schob er zu unserem Entsetzen noch nach: „Pädophilie ist vermutlich ansteckend.“ Kollege Alfred Singer wies ihn auf die Tragweite dieser justiziablen Unterstellung hin. Das Gespräch war beendet. Wir kehrten zum Fahrzeug zurück – unter dem aufmerksamen Blick eines „gewappneten“ UL-Anhängers, der sich eher etwas ungeschickt im Gebüsch verschanzt hatte.

Wir fuhren weiter nach Kredenbach zur Apostel-Apotheke, die ebenfalls zum Umfeld des UL gehört. Uns war zwischenzeitlich offensichtlich ein Fahrzeug gefolgt. Als wir uns in der Nähe des Gebäudes aufhielten, war schon wieder ein schwarz gekleideter Sicherheitsmann zu sehen, der mit seinem Handy telefonierte, um seine Auftraggeber „auf dem Laufenden zu halten“. Als ich ihn erblickt hatte, war er schnell wieder im Gebäude verschwunden. Unsere nächste und letzte Station war Esselbach, wo sich die „Privatschule ‚Lern mit mir’ im Universellen Leben“ befindet. Auch dort wurden wir bereits erwartet und wiederum fotografiert.

Als wir zurückfahren wollten, kam uns schon der Sicherheitsmann aus dem Einkaufszentrum in einem Fahrzeug entgegen. Kurz danach stand plötzlich der ranghohe UL-Funktionär Gert-Joachim Hetzel an der Straßenseite und bedeutete uns anzuhalten. Es kam zu einem kurzen, aber heftigen Wortwechsel. Hetzel warf dem katholischen Sektenbeauftragten Singer vor, er würde Stimmung gegen die Urchristen machen und falsche Dinge behaupten. Auf die Nachfrage von Herrn Singer, in welchen Fällen das geschehen sei, konnte Hetzel nur ausweichende Angaben machen. Schließlich gab er zu, er sei hierher gekommen, um uns seine Meinung zu sagen. Wir sollten uns lieber um die Pädophilen in der Kirche kümmern und nicht unbescholtene Bürger verfolgen. Die altbekannten und UL-typischen Anschuldigungen des ranghohen „Urchristen“ sollen an dieser Stelle nicht wiederholt werden. Wir beendeten das Gespräch und verließen Esselbach. Wir sahen noch, wie Hetzel in seiner schwäbischen Limousine davonbrauste.

Inzwischen ist ein Flugblatt in Würzburg aufgetaucht, mit dem die zum Umfeld des UL zählende Initiative „Freie Bürger für Anstand und ethische Werte“ auf die eben geschilderte Begegnung Bezug nimmt: „Doch anstatt im eigenen Lager für Ordnung zu sorgen, hatten die selbsternannten ‚Experten’ der Kirchen neulich wieder mal nichts Besseres zu tun, als Menschen nachzustellen, deren einziges ‚Vergehen’ darin besteht, weder katholisch noch lutherisch gesinnt zu sein. Die drei Beauftragten ihrer Großsekten im ‚Arbeitseinsatz’ wurden allerdings zur Rede gestellt und dazu aufgefordert, doch zunächst die Skandale und den Dreck in den eigenen Kirchen aufzuräumen, ehe sie unbescholtenen Bürgern nachschnüffeln.“

Auch nach der kleinen Exkursion in Unterfranken bleibt als Eindruck: Stereotype Feindbilder, Verschwörungs- und Verfolgungsängste sowie massiver Kirchenhass dominieren weiterhin das Denken von UL-Anhängern. Offensichtlich werden diese Faktoren für eine Sektenideologie benötigt, die sich gegenüber kirchlichen Kritikern massiv abgrenzen muss, um interne Konflikte und den Erwartungsdruck im „Friedensreich“ besser überspielen zu können.


Matthias Pöhlmann