Neuheidentum

Heidenprotest gegen das Berliner „House of One“ (Bet- und Lehrhaus Petriplatz)

In Berlin protestieren Neuheiden mittels einer Petition beim Berliner Senat gegen das geplante „House of One“ im Zentrum Berlins.1 Dabei handelt es sich um einen Sakralbau, den künftig Christen, Juden und Muslime gemeinsam als „Bet- und Lehrhaus“ nutzen sollen. Beteiligt sind von christlicher Seite die Kirchengemeinde St. Petri-St. Marien und der Kirchenkreis Berlin-Mitte, außerdem das Abraham Geiger Kolleg, das Forum für Interkulturellen Dialog e. V., das der Gülen-Bewegung zuzurechnen ist, und die Jüdische Gemeinde zu Berlin.

Heidnische Vertreter behaupten, auf dem geplanten Bauplatz habe ein heidnischer Tempel gestanden, „der den spirituell-kultischen Mittelpunkt der alten Stadt Cölln und des heutigen Berlin bildete“. Nun aber wollten „Vertreter der drei biblischen [sic!] Religionen … ein überdimensioniertes Gebetshaus errichten“, um damit den heidnischen Mittelpunkt Berlins für sich zu beanspruchen. Angesichts dessen, dass im Namen des Gottes der Bibel „bekanntlich Millionen von Heiden, Ketzern und Hexen ermordet“ wurden, sei das so, als wolle man auf einer „zerstörten Synagoge ein Neonazizentrum“ errichten. Als Beleg für die Existenz eines Tempels verweist Géza von Neményi, Führer der Germanischen Glaubens-Gemeinschaft und selbsternannter „Allsherjargode“ (Oberpriester aller germanischen Neuheiden in Deutschland [vgl. MD 11/2003, 424-428]), auf zwei Berliner Sagensammler aus dem 19. Jahrhundert, die allerdings eher vage auf die Möglichkeit eines hier einst befindlichen wendischen Heiligtums verweisen. Belegt ist nur, dass es bis 1964 mehrere Petrikirchen an diesem Ort gab und dass die Erwähnung eines ihrer Pfarrer in einer mittelalterlichen Urkunde als frühester Beleg für die Existenz Berlins gilt. Von Neményi postuliert in seiner Argumentation zugunsten der Sagen, dass wegen seiner zentralen Lage im Fluss an dieser Stelle ein heidnischer Tempel gestanden haben müsse. Die Online-Petition hat allerdings auch nach Monaten noch nicht die angepeilte Zahl von 300 Unterstützern erreicht.

Der heidnische Protest gegen eine von Juden und Muslimen (mit)getragene Initiative ist neu. Regelmäßig hingegen protestieren in Deutschland Heiden gegen Manifestationen der christlichen Präsenz im Land. Da sie sich als direkte Nachfolger der vorchristlichen Naturreligionen Europas verstehen, sehen Heiden in der Kirche ein Instrument ihrer Verfolgung und Unterdrückung. So trafen sich im Juni 2014 etwa hundert Naturreligiöse in Fritzlar, um gegen das dort 1999 errichtete Bonifatiusdenkmal zu protestieren. Bonifatius‘ Fällung der Donareiche 724 n. Chr. sei Auftakt der Zwangschristianisierung und damit eines kulturellen Völkermords und der Ausrottung der vorchristlichen Religionen gewesen. Nicht immer verläuft dieser Protest friedlich. Anfang Oktober 2014 wurde die Fritzlarer Bonifatiusstatue nachts von Unbekannten mit roter Farbe übergossen. Selbst neuheidnische Gruppen vermuten, dass die Täter aus den eigenen Reihen stammen.

Noch schwerer waren die Schäden, die wenige Tage zuvor durch Schmierereien an den westfälischen Externsteinen entstanden waren. Dort hatten Unbekannte ein Valknut-Symbol und die Aufschrift „The Viking rage tour – beware of the return“ hinterlassen, womit sie eindeutige Hinweise auf ihre neuheidnische Motivation gaben. Die Externsteine sind unter Esoterikern als Kraftort und angebliche alte heidnische Kultstätte beliebt (vgl. MD 6/2013, 218-223). Dafür gibt es freilich keine archäologischen Hinweise. Allerdings befinden sich an den Felsen zahlreiche christliche Reliefs aus verschiedenen mittelalterlichen Epochen. Nach dem Vorfall an den Externsteinen veröffentlichten mehrere heidnische Organisationen eine Presseerklärung, in der sie solchen Vandalismus verurteilen.2 Géza von Neményis Germanische Glaubens-Gemeinschaft war nicht unter den Unterzeichnern. Vielmehr distanzieren sich Celtoi e. V., Eldaring, Wodans Erben und andere von dessen „beifälligen Aussagen“ zur Schändung in Fritzlar.


Kai Funkschmidt


Anmerkungen

  1. Vgl. https://secure.avaaz.org/de/petition/Berliner_Senat_Protest_gegen_House_Of_One/?tZJVMhb .

  2. Vgl. http://wodanserben.com/category/allgemein .