Hessischer Rundfunk entschuldigt sich für verzerrenden Fernsehbeitrag über die NAK
(Letzter Bericht: 5/2016, 191) Ein Fernsehbericht des Hessischen Rundfunks (HR) am 15. Mai 2016 über die Neuapostolische Kirche (NAK) anlässlich deren Pfingstgottesdienstes hat zu zahlreichen Protesten aus den Reihen der NAK und ihrer ökumenischen Partner geführt.
Der alljährliche zentrale Pfingstgottesdienst der NAK wird mit ihrem Kirchenoberhaupt, dem Stammapostel, gefeiert und gilt als ein Höhepunkt des Kirchenjahres. Er fand dieses Jahr im Kongresszentrum Frankfurt statt und wurde wie immer weltweit in die NAK-Gemeinden übertragen. Dies nahm der HR zum Anlass, mit einem Fernsehteam vor Ort zu sein. Der am selben Abend ausgestrahlte knapp vierminütige Bericht benutzte den Gottesdienst allerdings mehr als Hintergrunddekoration für eine im Grundduktus unsachlich-einseitig kritische Sendung.
Schon die Anmoderation ließ staunen, als es hieß, die Ausgießung des Heiligen Geistes über „Jesus Jünger“ gelte als das „Gründungsdatum der katholischen Kirche“. Der anschließende Beitrag von HR-Redakteur Torsten Harms bestand dann aus einer Darstellung problematischer Aspekte des sozialen Innendrucks in der NAK – ohne an irgendeiner Stelle deutlich zu machen, dass er sich vor allem auf die Vergangenheit bezog. Als Kronzeuge wurde der Wiesbadener Heilpraktiker und Coach Wolfgang Knauf interviewt, den der HR durch eine Anfrage an die Internetplattform „NAK-Aussteiger“ gefunden hatte, ein Forum für aus der Kirche Ausgetretene. Er beschrieb die NAK: „Es ist eine permanente Ausgrenzung. Die Buchstaben WELT, W, E, L, T, stehen für Wehe, Elend, Leid und Tod. Ja? Wir, die Neuapostolischen und die Welt da draußen.“ Die präsentische Form wurde explizit bestätigt: „In den Kernaussagen, in der Kernbeeinflussung, ist die NAK nach wie vor die gleiche wie früher auch.“ Unklar blieb, wie er eine so generelle Aussage über eine Kirche mit 350 000 Gläubigen in 2000 Gemeinden treffen kann, die er vor langer Zeit verlassen hatte. Dies wurde nirgends erwähnt.
Kurt-Helmuth Eimuth, ehemaliger Weltanschauungsbeauftragter des Evangelischen Regionalverbands Frankfurt, beschrieb den familiären Druck, dem Menschen ausgesetzt sein können, die eine enge Glaubensgemeinschaft verlassen. Das Problem: Eimuth hatte in dem Originalinterview ausdrücklich auf die Veränderungen in der NAK hingewiesen und sprach an dieser Stelle explizit über die NAK der Vergangenheit. Seine Worte wurden durch den Filmschnitt geradezu ins Gegenteil verkehrt. Ähnlich manipulierend verfuhr der Beitrag mit Ausschnitten aus der Predigt des Stammapostels Jean-Luc Schneider und Worten des NAK-Pressesprechers Peter Johanning.
Die ökumenische Öffnung, das zentrale Thema der NAK im neuen Jahrtausend, u. a. ausgelöst durch die Aussteigerproblematik der 1980er und 1990er Jahre, wurde mit keinem Wort erwähnt – es hätte wohl nicht ins Bild der „umstrittenen Religionsgemeinschaft“ gepasst. Auch wenn dieser Reformprozess noch nicht in der gesamten Kirche angekommen ist, so entstand doch durch diese Lücke eine insgesamt verzerrte Darstellung. Obendrein erweckte der Trailer den Eindruck, diese Sicht der Dinge werde von den „Weltanschauungs- und Sektenexperten“ geteilt, was im Hinblick auf alle heutigen kirchlichen Weltanschauungsbeauftragten schlicht falsch ist. Keiner von diesen war bei der Recherche befragt worden.
Schnell protestierten zahlreiche neuapostolische Christen beim Sender, die ihre Kirche unfair portraitiert fanden. Die NAK-Leitung publizierte eine kurze, sachliche Stellungnahme im gleichen Duktus auf ihrer Webseite. Schärfer gingen am nächsten Tag unabhängig voneinander die ökumenischen Partner der NAK mit dem HR ins Gericht. Die Geschäftsführung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) kritisierte die Sendung ebenso wie das „Zentrum Ökumene“ in Frankfurt (die Ökumeneabteilung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau). Beide Einrichtungen sind seit Jahren in theologischen Gesprächen mit der NAK engagiert und haben deren sozialen und theologischen Öffnungsprozess intensiv begleitet. Sie analysierten die schlechte Recherche, die unsachliche Darstellung und stellten diesem Bild die Veränderung und die neue theologische Basis der NAK gegenüber.
Das Zentrum Ökumene nahm in seinem Schreiben die Inhalte der Sendung Punkt für Punkt auseinander und resümierte: „Der Bericht hat zentrale und relevante Fakten und Informationen zur NAK … schlicht unterschlagen … Die Einschätzung der NAK in diesem Hessenschau-Beitrag ist geprägt von Unkenntnis, gepaart mit fehlender journalistischer Sorgfalt.“
Das eigentlich überraschende an dem Vorfall aber ist nicht die schlechte journalistische Qualität einer Fernsehsendung über eine Minderheitsreligion, sondern die Reaktion des Senders auf die Kritik: Es erfolgte eine umfassende Entschuldigung. Auf drei Seiten betrachtet die Redaktion die Versäumnisse und Verzerrungen der Sendung. Zwar seien aus der Aussteigerszene auch zustimmende Reaktionen gekommen, doch der Sender bekennt, dass Kurt-Helmuth Eimuth „Unrecht getan“ wurde und seine Worte „aus dem Zusammenhang gerissen und in einen falschen Kontext gestellt“ wurden. Durch „gravierende Fehler“ sei „eine Sendung mit enormer Schieflage entstanden“. Man kündigte an, bei passender Gelegenheit im Rahmen der Hessenschau das Bild der NAK geradezurücken.
Kai Funkschmidt