Inside Islam. Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird
Constantin Schreiber, Inside Islam. Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird, Berlin 2017, 256 Seiten, 18,00 Euro.
Über acht Monate hinweg besuchte Constantin Schreiber 13 willkürlich ausgewählte Freitagsgebete verschiedener Moscheen in Deutschland. Der Journalist war einige Jahre im Libanon und den Vereinigten Arabischen Emiraten tätig und spricht daher arabisch. Islamfeindlichkeit kann ihm kaum vorgeworfen werden, denn er produzierte 2015 die erste arabischsprachige Sendung für Flüchtlinge in Deutschland. Seine Moscheebesuche begann er, um unberechtigter Verallgemeinerung im Blick auf Hetzpredigten entgegenzutreten und um selbst herauszufinden, ob Moscheen in Deutschland nur Gebetsräume oder doch „Refugien antidemokratischen Gedankenguts“ (9) sind. Besonders interessierte den Journalisten dabei auch, ob und wie die Moscheen zur Integration der Muslime in Deutschland beitragen. Die Ergebnisse seiner Recherche hat Constantin Schreiber nun in seinem Buch „Inside Islam“ veröffentlicht.
Zu Beginn stellt Schreiber vor, wie es überhaupt zu seinen Besuchen von Freitagsgebeten kam, dass es Schwierigkeiten bei der Suche nach Übersetzern der aufgezeichneten Predigten und auch bei der Suche nach Islamwissenschaftlern gab, die bereit waren, die Predigten zu kommentieren und zu decodieren, um westlichen Lesern verständlich zu machen, was bei den Hörern der Predigt ankommt. Der Hauptteil des Buches besteht aus der Übersetzung der Predigten. Jeder Predigt ist eine Kurzzusammenfassung über Ort und Zugehörigkeit der Moschee (sunnitisch/schiitisch/Ahmadiyya; türkisch/arabisch) und das Thema der Predigt vorangestellt. Es folgt eine Zusammenfassung wichtiger tagespolitischer Ereignisse der Woche, in der Schreiber das Freitagsgebet besuchte, und eine Beschreibung der Moschee, ihrer Lage und der Besucher. Die Predigten werden vollständig übersetzt und mit Anmerkungen zu islamischen Begriffen und Konzepten wiedergegeben. Schließlich wird jede Predigt von Schreiber mit einem Islamwissenschaftler besprochen und kommentiert; Versuche, bzw. (wenn vorhanden) Ergebnisse eines Gesprächs mit dem jeweiligen Imam über die Predigt werden wiedergegeben. Den Schluss des Buches bildet ein Resümee Schreibers.
Zwei der Predigten sind weder stark politisch geprägt noch bewerten sie das Leben in Deutschland negativ. Es sind tatsächlich Predigten zu religiösen Themen, auch wenn Schreiber bei einer dieser beiden Predigten über die Entrichtung der Armensteuer auf Datteln und Kamele nach der Relevanz für das Leben der Hörer in Deutschland fragt. Die zweite dieser nicht-politischen Predigten ruft hauptsächlich dazu auf, sich religiös mehr zu bilden und enthält sogar eine kritische Anspielung gegenüber Salafiten. Im Gegensatz dazu sticht die Predigt in der Şehitlik-Moschee Berlin vom 22.7.2016, der Woche nach dem Putschversuch in der Türkei, als politische Ansprache heraus. Die Predigt verurteilt den Putsch deutlich und bezeichnet die im Putsch Getöteten als Märtyrer. Obwohl die Predigt den Charakter eines Gebets hat und von den Zuhörern immer wieder durch Amen-Rufe unterbrochen wird, spielen vor allem Begriffe wie „Heimat“ und „unsere Nation“ eine Rolle. Darunter wird selbstredend die Türkei verstanden, die „dem Paradies ähnelnde Heimat … auf die alle Unterdrückten und Benachteiligten, egal welcher Sprache, Hautfarbe und Rasse, ihre Hoffnung setzen“ (97). Auch in der Mehmed Zahid Kotku Tekkesi Berlin wird „unser Land“ mit der Türkei identifiziert und eine Predigt in der darauffolgenden Woche am 30.12.2016 über Weihnachten, „der größten aller Gefahren“ (206), angekündigt.
Häufig wird in den Predigten über die religiöse Unkenntnis, das Desinteresse an der Koranlektüre und die Vernachlässigung des Gebets geklagt. Religiöse Themen spielen also durchaus eine Rolle. Allerdings sind diese Klagen teilweise gepaart mit Kritik an der westlichen Gesellschaft und der Forderung, sich von dieser fernzuhalten. In der einzigen schiitischen Predigt, die Schreiber besuchte, gipfelt diese Kritik im Ausruf des Predigers: „Ihr könnt nicht sagen: ‚Ich bin zugleich Demokrat und Schiit‘“ (219). Demokratie und Liberalismus werden in dieser Predigt zwar als das Gegenteil von Salafismus und Radikalismus bezeichnet, aber dennoch für genauso falsch gehalten.
Der Stil des Buches ist weniger reißerisch, als es der Titel vermuten lässt. Es ermöglicht Lesern, die weder arabisch noch türkisch sprechen, Predigten zur Kenntnis zu nehmen, die Muslime in deutschen Moscheen zu hören bekommen. Wie Muslime ihren Glauben innerhalb der deutschen Gesellschaft und innerhalb der dadurch vorgegebenen Grenzen leben können, dazu wird den Gläubigen in den Predigten kaum Hilfe und Anleitung geboten. Schreiber zieht sogar das düstere Fazit: „Während vor der Moschee-Tür permanent über Integration gesprochen wird, predigt man im Inneren das Gegenteil“ (241).
Es ist aber deutlich, dass es sich bei den von Schreiber gehörten Predigten nicht um eine repräsentative Auswahl handelt. Das gibt Grund zu der Hoffnung, dass nicht überall so gepredigt wird, aber die Beobachtungen des Autors sind beunruhigend und zeigen, dass an der Integration von Muslimen weiter gearbeitet werden muss.
Hanna-Maria Riesner, Tübingen