Johannes Kandel

„Islamfeindschaft“ und „Islamkritik“

Anmerkungen zur Studie „Mitte im Umbruch“ der Friedrich-Ebert-Stiftung (2012)

Alle zwei Jahre untersucht die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung seit 2006 in einer repräsentativen Erhebung die Verbreitung von rechtsextremen und antidemokratischen Haltungen. Der neuen Studie „Die Mitte im Umbruch – Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012“ zufolge sind in Deutschland in hohem Maße auch antisemitische und islamfeindliche Einstellungen vorhanden. Johannes Kandel, Politikwissenschaftler, Autor und ehemaliger Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung, nimmt Stellung zu Islamfeindschaft und Islamkritik.


Die Studie „Mitte im Umbruch“ der Friedrich-Ebert-Stiftung (2012) differenziert zwischen „Islamfeindschaft“ und „Islamkritik“, was gemessen an der Vorgängerstudie „Die Abwertung der Anderen“ (2011) einen Fortschritt darstellt. In dieser wurde nur „Islamfeindlichkeit“ erhoben, auf Basis des problematischen Konstruktes der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ (GMF) der Heitmeyer-Forschungsgruppe. Der Versuch der Forschungsgruppe, mithilfe der Kategorien des GMF-Konzepts „Islamophobie“ zu messen, muss als gescheitert angesehen werden und trug zur Konstruktion eines „Mythos Islamophobie“ bei.1 Die von den Autoren der „Abwertungs-Studie“ im Anschluss an Heitmeyers Konzept zur Messung herangezogenen Frage-Items waren so formuliert, dass im Ergebnis sich fast jeder, der Kritik am Islam übte, dem Vorwurf allgemeiner „Muslimenfeindlichkeit“ausgesetzt sehen konnte.2 Offensichtlich haben die Autoren der „Mitte im Umbruch“-Studie (im Folgenden MU) diesen Mangel erkannt und mühen sich um Differenzierung.

Der „Rassismus-Vorwurf“ und die „Islamkritik“

Es war viele Jahre in Wissenschaft und Gesellschaft Konsens, den Begriff des Rassismus auf die Abwertung von Menschen aufgrund ihrer biologischen Eigenschaften („Rasse“) zu beziehen. Seit einigen Jahren (gefördert von der UN) hält ein „erweiterter“ Rassismusbegriff in den Sozialwissenschaften und politischen Diskursen Einzug, der über die biologistische Begriffsvariante hinausgreift. Die Autoren von MU verwenden diesen „erweiterten“ Begriff: „... diese biologistische Kategorie wurde abgelöst durch eine kulturalistische Begründung der Ressentiments, die von der Höher- oder Minderwertigkeit einer Kultur ausgeht und – analog zum biologistischen Rassenbegriff – unterstellt, dass eine Vermischung der Kulturen zu Lasten beider ginge. Wie tragfähig die Brückenfunktion dieser kulturalistischen Argumentation ist, wird daran deutlich, dass bis in demokratische Parteien hinein die Ansicht geteilt wird, es gebe ein kulturelles Gefälle zum Islam, der zudem eine Bedrohung darstelle. Mittlerweile ist ein von Frauen getragenes Kopftuch für viele in Deutschland ein stark mit Ressentiments aufgeladenes Symbol für die scheinbare Rückständigkeit der Menschen aus islamisch geprägten Kulturkreisen“ (MU, 8).

Im Klartext bedeutet diese These, dass alle, die – wie auch immer begründet – ein „kulturelles Gefälle“ zwischen Kulturen konstatieren und z. B. unterschiedliche kulturelle Entwicklungen beschreiben, pauschal als „kulturalistische Rassisten“ gelten müssen. Hier greift ein antidiskriminierungspathetischer Kulturrelativismus Platz, der Kulturen offenbar als nichtdynamische Entitäten versteht, denn sonst müsste man ja anerkennen, dass Kulturen in unterschiedlichen historischen Kontexten auch immer je verschiedene Entwicklungsphasen durchlaufen.

Kulturen haben einen symbolischen Charakter und zeichnen sich durch ihre Orientierungsfunktion aus. Sie deuten gesellschaftliches Leben und verleihen ihm Sinn. In der bekannten Definition des „Cultural Studies“-Ansatzes werden sie als „Landkarten der Bedeutung“ bezeichnet, und der amerikanische Ethnologe Clifford Geertz definiert Kultur als „das Geflecht von Bedeutungen, in denen Menschen ihre Erfahrung interpretieren und nach denen sie ihr Handeln ausrichten“3. Individuen sind nicht gewissermaßen schicksalhaft bestimmten Kulturen zugeordnet, sondern sie nehmen eine aktive Rolle in der Konstruktion von Kulturen ein. Eine Bewertung unterschiedlicher Entwicklungsphasen von Kulturen und eine kritische Bewertung von Kulturen im Lichte von universalen Menschenrechten und fundamentalen Prinzipien von Demokratie bedeutet keineswegs – wie im Vorwurf des „kulturalistischen Rassismus“ insinuiert – eine Abwertung von Menschen oder gar eine Bestreitung ihrer gleichen Würde. Gleichwohl wäre es naiv und unverantwortlich, kulturelle (und religiöse) Praktiken einer kritischen Bewertung unter Verweis auf die gleiche Würde aller Menschen zu entziehen. Kulturelle (und auch religiös legitimierte) Praktiken wie „Ehrenmorde“, Zwangsverheiratungen, weibliche Genitalverstümmelung, Geschlechterapartheid, Homophobie, Verfolgung von „Apostaten“ und Diskriminierung Andersdenkender und Andersgläubiger, bleiben – gemessen an den Standards von universalen Menschenrechten, Demokratie und partizipativer politischer Kultur, in der kulturellen Entwicklung unserer Zivilisationen zurück, sie sind defizitär. „Islamkritik“ richtet sich, neben anderen Kritikfeldern, gerade darauf und stellt insofern völlig legitim „kulturelle Gefälle“ fest. Um diese Feststellung mogeln sich die MU-Autoren herum, obwohl sie ja die grundsätzliche Legitimität von Islamkritik nicht bestreiten. Es ist „politically incorrect“, dergleichen zuzugeben.

„Kulturalistischer Rassismus“ und Islamkritik

Was im Einleitungsteil der Studie noch sehr apodiktisch klingt, wird später relativiert, wenn nun zwischen „legitimer, aufgeklärter Religions- und damit auch Islamkritik“ und „ressentimentgeladener Islamfeindschaft“unterschieden wird. Das ist anzuerkennen und könnte in der Tat zu einer Versachlichung der Debatte zu „Islamkritik“ und „Islamfeindschaft“ führen. Bedauerlicherweise zeigen dann sowohl die Erläuterungen zu den Begriffen als auch die empirische Umsetzung (im Blick auf die Frage-Items) deutliche Schwächen. Die Darstellung der „Legitimität der Islamkritik“ bleibt zurückhaltend, um es vorsichtig auszudrücken. Es geht aber nicht an, dem Said’schen Orientalismuskonstrukt und den Konstrukten „postkolonialer Theorie und Diskurstheorie“ schlicht „Berechtigung“zuzuerkennen und gewissermaßen nur Übertreibungen zurückzuweisen, etwa die, dass „jede westliche Aussage über den Orient bzw. den Islam als Bestandteil eines orientalistischen bzw. islamophoben Diskurses“ anzusehen sei (MU, 88f). Hier hat keine kritische Auseinandersetzung mit den genannten Konzepten stattgefunden, wie das Literaturverzeichnis ausweist und die unkritische Übernahme der „Erkenntnisse“ der Polemiken von z. B. Schiffer und Wagner unterstreicht.4

Kernelemente eines kulturalistischen Rassismus sind nach Auffassung der MU-Autoren „Wesensbeschreibungen“ des Islam, die „Reduktion muslimischer Identität auf die Religion“, das Betrachten von gesellschaftlichen Missständen und sozialen Problemen nur als „Resultate einer rückständigen Religion und Kultur“ und schließlich die „Behauptung der Unwandelbarkeit“ des Islam (MU, 90).

Hier stellt sich die Frage, bei welchen Personen und Gruppen derartige Aussagen über den Islam in erster Linie anzutreffen sind. Es steht zu vermuten, dass die Autoren „kulturalistische Rassisten“ v. a. im Lager derer zu finden glauben, die in ihrem Antwortverhalten auf die Fragebatterie dem Typus 4 „Zustimmung nur zu islamfeindlichen Aussagen“zuzurechnen sind (5,2 Prozent der Befragten, MU, 95). Doch das muss im Blick auf die fünf Fragen zur Messung von „Islamfeindschaft“ problematisiert werden. Ist eine „Wesensbeschreibung“ des Islam z. B. als ein religiös-kulturelles und politisches „System“ grundsätzlich „ahistorisch“ und somit als solche schon „islamfeindlich“, oder ist sie gar geeignet, alleMuslime abzuwerten? Das ist nicht zwingend, obwohl die Gefahren eines ahistorischen Essentialismus gesehen werden müssen, der vor allem dann gegeben ist, wenn „Wesensbeschreibungen“ mit Thesen von der „Unwandelbarkeit“ des Islam kombiniert werden. Eine „Wesensbeschreibung“ kann damit verbunden sein, musses aber nicht. Es gibt auch „Wesensbeschreibungen“, die einen Punkt in der historischen Entwicklung markieren, ohne grundsätzlich die Historizität des betrachteten Objektes infrage zu stellen.

Ferner stellt sich die Frage, was die Autoren unter „Reduktion muslimischer Identität auf die Religion“ verstehen, die ausschließlich islamfeindlich konnotiert sein soll. Der Islam, so heißt es z. B. in der „Islamischen Charta“ des Zentralrats der Muslime in Deutschland (20. Februar 2002), ist „Glaube, Ethik, soziale Ordnung und Lebensweise“ zugleich. Hier wird ganz offensichtlich von der Zentralität der Religionfür alle persönlichen Lebensbezüge und gesellschaftlich-politischen Ordnungen ausgegangen. Religiöse Identität steht im Zentrum, sie überwölbt und definiert alle anderen, sicherlich vorfindlichen, Identitäten. Die Charta befindet sich ganz im Einklang mit den dominanten Interpretationen der religiösen Kerndoktrinen des Islam, in denen stets die „Ganzheitlichkeit“ und „Einheit“ des Islam betont werden. Natürlich gibt es auch andere Interpretationen, die das „Muslim-Sein“ als Teil „multipler Identitäten“ darstellen. Diese „Zentralität“, die sich in der Praxis von Muslimen empirisch zeigen lässt, kann nicht als solche „reduktionistisch“ und daher „islamfeindlich“ sein. Dann wären alle diejenigen Muslime, die diese Zentralität für ihr Leben unterstreichen, auch „Islamfeinde“. Es gibt keine „muslimische Identität“ ohne die Religion, ein „Muslim“ ist per definitionem jemand, der „sich Gott hingibt“. Nun mag eingewendet werden, dass es ja Muslime gebe, die zwar von einer muslimischen Mutter geboren und in muslimischen Familien, Gemeinschaften und Kulturen aufgewachsen sind, sich aber als „areligiös“ („säkularisiert“, agnostisch oder atheistisch) verstehen. Das mag sein, sie treten in diesem Falle aber faktisch aus ihrer Religion aus. Was die MU-Autoren mit ihrer „Reduktionsthese“ wahrscheinlich meinen, ist die religiös-literalistische Bezugnahme auf die Religion: Religion wird da verstanden als buchstäblich zu befolgendes Corpus von Geboten und Verboten, das sich wortwörtlich in den „heiligen Schriften“ (Koran und Sunna) finden lässt. Gemeint ist eigentlich eine fundamentalistisch-islamistischeReduktion: Die klassische Formel des Islam der Einheit von Religion und Welt (al-islam din wa-dunya) wird exklusiv zugespitzt und keine andere Interpretation zugelassen. In der Tat wäre es „islamfeindlich“, alle Muslime auf eine derartige Religionskonzeption festzulegen. Doch das hätten die MU-Autoren präziser fassen müssen.

Wenn es um das Betrachten von gesellschaftlichen Missständen und sozialen Problemen nurals „Resultate einer rückständigen Religion und Kultur“geht, so ist festzuhalten: Eine solche Betrachtung ist, gleichviel ob sie sich auf islamische Staaten oder Muslime in Europa bezieht, analytisch unklug und wird gewiss der Komplexität der Verhältnisse nicht gerecht. Ist sie deshalb zwingend „islamfeindlich“? Ich denke, nein. Zunächst ist es legitime Islamkritik, Defizite und, ja, auch „Rückständigkeit“ festzuhalten. Warum soll die Bezeichnung „rückständig“ islamfeindlich sein, wenn als Maßstäbe zur Beurteilung etwa normative Konzepte wie universelle Menschenrechte und Grundprinzipien freiheitlicher Demokratie verwendet werden? Ferner ist es keineswegs ausgemacht, ob eine in der Momentaufnahme als „rückständig“ oder gar „archaisch“ bezeichnete „Religion und Kultur“ auch stets so bleiben muss.

Wird aber die Grenze zur „Islamfeindschaft“ dann überschritten, wenn die „Behauptung der Unwandelbarkeit“ des Islam erhoben wird? Ja und nein. Ja, wenn pauschal gläubigen Menschen die Fähigkeit zur Änderung abgesprochen und ein unwandelbares Feindbild fixiert wird. Vor dem Hintergrund einer derartigen Feststellung wäre z. B. „Dialog“ sinnlos. Nein, wenn sie in der Weise der MU-Autoren gefasst wird. Ich halte es für legitim, von „Unwandelbarkeiten“ zu reden, wenn sie auf „zeitlose Vorschriften des Islam“bezogen werden. Solche „zeitlosen Vorschriften“ und daher „Unwandelbarkeiten“ werden von islamischen Theologen und Rechtsgelehrten seit dem 7. Jahrhundert unter Berufung auf die unerschaffene, zeitlose Offenbarung Allahs im Koran selbst begründet. Und unter Verweis auf diese „Zeitlosigkeit“ werden z. B. auch die Geschlechterapartheid, die Ungleichbehandlung Anders- und „Ungläubiger“ und schariatische strafrechtliche Anweisungen bis heute gerechtfertigt. Dieses Faktum festzuhalten, ist islamkritisch, aber nicht „islamfeindlich“.

Als islamfeindlich wird auch die Bejahung des folgenden Statements eingeschätzt (57,1 Prozent stimmen „überwiegend“ und „voll und ganz“ zu): „Muslime und ihre Religion sind so verschieden, dass es blauäugig wäre, einen gleichen Zugang zu allen gesellschaftlichenPositionen zu fordern“(MU, 92). Die Forderung nach einem „gleichen Zugang zu allen gesellschaftlichen Positionen“ meint offenbar den Zugang aller Staatsbürger zu den gesellschaftlichen Kernbereichen wie Politik, Arbeit, Bildung, Kultur etc. im Sinne partizipativer Demokratie. Warum sagt man das nicht? Wer diesen Zugang unter Verweis auf die Religion Muslimen versagen will, ist zweifelsohne „islamfeindlich“. Schwieriger ist es im Blick auf die pauschale Ergänzung „und ihre Religion“. Im demokratischen Staat gilt Art. 4 GG (Religionsfreiheit) i. V. m. Art. 140, der das Recht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, insbesondere im Blick auf ihr Selbstbestimmungsrecht und die Kooperationsmöglichkeit mit dem Staat via „Körperschaft des Öffentlichen Rechts“, regelt. Und hier ist es durchaus kontrovers, ob der Islam in seiner gegenwärtigen Organisationsstruktur tatsächlich den „gleichen Zugang“ zum Staat-Kirche-Kooperationsmodell erhalten soll, d. h. ob islamische Religionsgemeinschaften, strukturiert nach dem Vereinsrecht, die Voraussetzungen für die „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ tatsächlich erfüllen oder auch in der Zukunft erfüllen können. Wer dies mit guten Gründen bestreitet, ist nicht „islam­feindlich“, sondern, wenn überhaupt, „islamkritisch“.

Islam und Terrorismus

Als Ausweis einer islamfeindlichen Einstellung gilt die Bejahung einer „schon im Islam“ und „seinen aggressiven Seiten“ angelegten „Nähe zum Terrorismus“, wie es im Statement 03 zur Messung von Islamfeindschaft heißt (MU, 92). Sicherlich ist eine platte Identifikation von „Islam und Gewalt“, „Islam und Terrorismus“ ein islamfeindliches Ressentiment. Gleichwohl ist nicht zu bestreiten, dass die religiösen Kerndoktrinen im Koran, die Tradition und das Verhalten von Muslimen, die ihre Religion als Referenzrahmen ihres Handelns verstehen, in Geschichte und Gegenwart „aggressive Seiten“ aufweisen. Es ist keineswegs islamfeindlich, auf jene koranischen Aussagen, Interpretationen in der Tradition (hadith) und Verhaltensmuster zu verweisen, die Gewalt als legitime Mittel der Bekämpfung von „Anders- und Ungläubigen“ bejahen. Es gibt dafür, z. B. für die in diesem Zusammenhang zentrale Kategorie des Dschihad, eine kaum überschaubare Literatur mit zahlreichen Belegen.5

Fazit: Kein Grund für Alarmismus

Die MU-Autoren zeigen bedauerlicherweise eine geringe Kompetenz in der Beurteilung des Islam, wie z. B. die Bezeichnung der taqiyya als „Wahnidee“(MU, 89) zeigt. Taqiyya ist keine „Wahnidee“ und auch nicht, wie die MU-Autoren offensichtlich von den zitierten Referenzautoren (Bielefeldt, Schiffer, Wagner) übernehmen, nur auf den schiitischen Islam beschränkt. Ta­qiyya als erlaubte Täuschung der Ungläubigen ist ein auch im sunnitischen Islam vertretenes Konzept, namentlich im Rahmen verschiedener Dschihad-Konzeptionen.6

Die soziodemografischen Daten zu „Islamfeinden“ und „Islamkritikern“ und die aus der Befragung erhobenen Befunde sind weder originell noch aufregend. Alles in allem lässt sich aus diesen Daten und aus den hier kritisch untersuchten Statements kein besorgniserregendes Bild einer fest verankerten und nachhaltigen „Islamfeindschaft“ zeichnen, wie es im polarisierten Islamdiskurs von Muslimverbänden und ihren Unterstützern in Wissenschaft, Medien und Politik seit Jahren in grellen Farben vorgestellt wird. Der Vorwurf des „kulturalistischen Rassismus“ lässt sich letztlich genauso wenig erhärten wie zum Beispiel ein „Generalverdacht“ gegenüber allen Muslimen.

Der Mangel aller bisherigen Einstellungsstudien zum Islam und zu Muslimen ist, dass die Frage unbeantwortet bleibt, warum es Menschen mit islamfeindlichen Ressentiments gibt, was ja nicht zu bestreiten ist, und warum andere religiöse und kulturelle Praktiken aus islamischen Kontexten kritisieren. Welche Korrelationen gibt es zwischen dem Verhalten verschiedener muslimischer Akteure in islamischen Staaten und in Europa und den Urteilen der Menschen? Sind die medialen „Bilder“ vom Islam überwiegend feindselige Konstruktionen zur Manipulation der Menschen? Kommen Menschen nur aufgrund dieser „Bilder“ zu dem Schluss, dass der Islam „rückständig“ sei, und prangern – so „manipuliert“ – religiöse und kulturelle Praktiken an, die Menschenrechten und Demokratie widersprechen? Das wäre eine realitätsferne Manipulationsthese, die durch nichts belegt ist. Die MU-Autoren betonen ausdrücklich die Legitimität aufgeklärter Religions- und daher auch Islamkritik. Dass diese „selbstreflexiv“ sein sollte, versteht sich von selbst. Es ist jedenfalls im polarisierten „Islamdiskurs“ mehr vernünftige Gelassenheit angesagt.


Johannes Kandel, Berlin


Anmerkungen

1 Siehe die kritische Analyse von Felix Strüning, Vom Mythos der Islamophobie. Wie stehen die Deutschen wirklich zum Islam?, in: Hartmut Krauss (Hg.), Feindbild Islamkritik. Wenn die Grenzen zur Verzerrung und Diffamierung überschritten werden, Osnabrück 2010, 177ff.

2 Studie „Die Abwertung der Anderen“, 70ff. Die Autoren halten zudem den Begriff der „Muslimenfeindlichkeit“ für „treffender“ als „Islamfeindlichkeit“ (46).

3 Clifford Geertz, Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt a. M. 1983, 99.

4 Treffend urteilt einer der herausragenden Kenner und Kritiker des Orientalismus-Ansatzes, Robert Irwin: „Orientalism is not a history of Oriental studies, but rather a highly selective polemic on certain aspects of the relation of knowledge and power“, Robert Irwin, Dangerous Knowledge. Orientalism & It’s Discontents, Woodstock/New York 2006, 281f. Siehe auch Ibn Warraq, Defending the West. A Critique of Edward Said‘s Orientalism, Amherst, NY, 2007.

5 Siehe dazu vor allem David Cook, Understanding Jihad, Berkeley 2005. Dort weitere Quellen und Literatur.

6 Siehe dazu Raymond Ibrahims Analyse (2010): www.meforum.org/2538/taqiyya-islam-rules-of-war; ferner www.islaminstitut.de/Anzeigen-von-Fatawa.43+M5039a149c0d.0.html