Islamismus in Deutschland
Gruppen und Tendenzen
Der Materialdienst der EZW widmet sich in lockerer Folge dem Thema des Islamismus als einer der wichtigsten religiösen und politischen Herausforderungen unserer Zeit. Nachdem wir in Ausgabe 8/2005 Thesen von Johannes Kandel veröffentlicht haben („Herausforderung Islamismus“), möchten wir diese nun konkretisieren mit einem aktuellen Überblick über die wichtigsten islamistischen Gruppierungen in Deutschland.
In einer weiteren Ausgabe folgt eine Detailstudie über die Muslimbruderschaft.
„Noch stellen Sie eine Minderheit dar und halten sich an die Regeln unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Doch wie wird es einmal sein, wenn Sie in der Mehrheit sind?“ Mit dieser Frage drückte die Teilnehmerin einer christlich-islamischen Dialogveranstaltung, die vor einiger Zeit in Berlin stattfand, ein Gefühl aus, das nicht nur durch die Berichterstattung einiger Journalisten über die in Deutschland lebenden Muslime genährt wird, sondern auch durch die in den vergangenen Jahren gehäuften Nachrichten über hierzulande agierende Islamisten: die Furcht vor der politischen Einflussnahme muslimischer Mitbürger auf den deutschen Staat, seine Gesellschaftsordnung und seine Rechtssprechung. Ein Gefühl, das sich sogar in die Angst vor einer „feindlichen Übernahme“ steigern kann.
Obgleich zahlreiche Institutionen nicht erst seit vier Jahren um die Aufklärung über die in Deutschland lebenden Muslime bemüht sind, haben die Anschläge vom 11. September 2001 und die unzähligen Terrorakte, die in vielen Teilen der Welt von Menschen muslimischen Glaubens begangen wurden, dazu geführt, dass Muslime weltweit unter den Generalverdacht des gewaltbereiten Fundamentalismus gestellt wurden. Die Globalisierung des islamistischen Terrorismus und sein nicht unbeträchtlicher Einfluss auf die Weltpolitik haben auch in der Bundesrepublik zu der Befürchtung geführt, islamische Gruppierungen könnten den deutschen Rechtsstaat untergraben und nach politischer Herrschaft streben.
Die langwierige Debatte um den „Kalifen von Köln“ hat deutlich gemacht, dass derartige Befürchtungen nicht als grundlos zurückgewiesen werden können. Dennoch darf nicht der Eindruck entstehen, sämtliche islamische Vereinigungen in Deutschland stellten ein Bedrohungspotenzial für unsere Gesellschaftsordnung dar. Denn bundesweit werden weniger als ein Prozent der Muslime dem Islamismus zugerechnet, von denen wiederum eine Minderheit gewaltbefürwortenden oder gewaltbereiten Organisationen angehört. Die überwiegende Mehrheit stellen hingegen die Anhänger sogenannter legalistischer Gruppierungen dar, die mittels politischer Aktivitäten islamistische Positionen im gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik durchsetzen bzw. entsprechende Freiräume erlangen wollen, sich jedoch von jeglicher Gewaltanwendung distanzieren. Während sich die islamistischen Gruppierungen sowohl in ihren Methoden als auch in ihrer Zielsetzung stark unterscheiden, teilen sie eine weitgehend fundamentalistische, d.h. streng textgebundene Koranauslegung und bedienen sich religiöser Argumente zur Begründung politischer Ziele.1
Die folgende Darstellung der bedeutendsten in Deutschland vertretenen islamistischen Gruppierungen, die vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft werden, ist darum bemüht, ein differenziertes Bild des politischen Islam in der Bundesrepublik zu zeichnen. Neben der Einschätzung des Verfassungsschutzes sowie anderer Beobachter der Szene wird deshalb auch die Eigendarstellung der Organisationen mit einbezogen. Im Vordergrund stehen dabei Organisationen türkischen und arabischen Hintergrunds sowie eine iranische Gruppierung.2
Türkische islamistische Organisationen
Mit 2,5 Millionen stellen türkische Arbeitsmigranten und deren Nachkommen in zweiter und dritter Generation, von denen fast jeder Vierte die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, den größten Anteil der in Deutschland lebenden Muslime dar. Nach Angaben des Verfassungsschutzes ist auch die Mehrheit (85 Prozent) der Mitglieder islamistischer Vereinigungen in der Bundesrepublik türkischer Herkunft. Neben dem mittlerweile verbotenen Kalifatsstaat gilt die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (sprich: Görüsch) als bedeutendste und mitgliederstärkste islamistische Organisation in Deutschland.3
Islamische Gemeinschaft Milli Görüs
Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG, „Nationale Sicht“) ist gegenwärtig der größte nicht-staatliche, türkisch-islamische Verband in Europa. Während der Verfassungsschutz die Mitgliederzahl in Deutschland auf ca. 26.500 schätzt, nennt die Organisation selbst wesentlich höhere Zahlen, was vermutlich in dem Unterschied zwischen eingetragenen Mitgliedern und Gemeindeangehörigen begründet ist. Neben 274 Moscheevereinen gehören der Gemeinschaft im Bundesgebiet zahlreiche Frauen-, Jugend- und Bildungseinrichtungen an. Nach Ansicht von Beobachtern tritt die IGMG ideologisch für eine „Gerechte Ordnung“ („Adil Düzen“) ein, die auf göttlichen Offenbarungen und einem islamischen Rechtssystem beruht und gegenüber der „westlichen, bürokratischen Ordnung“ durchgesetzt werden soll. Die Gemeinschaft selbst bestreitet jedoch gegenwärtig, das Konzept der „Gerechten Ordnung“ weiterhin in ihren Schulungsunterlagen zu verwenden.4
Entstanden ist die IGMG in den 70er Jahren aus regionalen Verbänden. 1976 wurde als erster Deutschlandverband die Avrupa Türk Birligi (Türkische Union Europa) in Berlin gegründet, die 1982 in Islamische Union Europa umbenannt wurde. Im Zuge heftiger Auseinandersetzungen in der Führungsspitze kam es 1983 zur Spaltung dieser Vereinigung in den VerbandIslamischer Vereine und Gemeinden (ICCB) unter der Führung Cemaleddin Kaplans (s.u.) und in die Neuorganisation der Milli Görüs-Bewegung, die am 20. Mai 1985 in Vereinigung der nationalen Weltsicht in Europa e.V. (Avrupa Milli Görüs Teskilatlari, AMGT) umbenannt wurde. Aus dieser gingen schließlich Mitte der 90er Jahre die IGMG sowie die Europäische Moscheebau- und -unterstützungsgemeinschaft (EMUG) hervor. Während die EMUG seither die Immobilien der Vereinigung verwaltet, übernimmt die IGMG sämtliche religiösen, sozialen und kulturellen Aufgaben.5 Nach Aussage der IGMG gehören dem Verband zudem selbständige Islamische Föderationen in sieben Bundesländern an, die diese organisatorische Verbindung jedoch bestreiten und ihren eigenständigen Charakter betonen.6 Seit 1990 ist die Milli Görüs-Bewegung bereits Mitglied im Islamrat, dem neben dem Zentralrat der Muslime größten muslimischen Dachverband in der Bundesrepublik. Aufgrund enger personeller und organisatorischer Verflechtungen zwischen der IGMG und der Mehrheit der Mitgliedsorganisationen des Islamrats gilt letzterer als von Milli Görüs dominiert.7
Entgegen allen Vorwürfen des Verfassungsschutzes versteht sich die Vereinigung selbst nicht als „politische Organisation“, sondern als „Religionsgemeinschaft“, die sich der religiösen, sozialen und kulturellen Betreuung ihrer Mitglieder widmet. Sie sieht sich als „Motor für die Integration der Muslime“, die auf die „Entwicklung einer muslimischen Identität in Europa“ abziele. Die IGMG bietet eine Vielzahl von Dienstleistungen an, die sich nicht allein auf den religiösen Bereich beschränken: Neben dem Moscheebetrieb unter der Leitung von in der Türkei ausgebildeten Imamen und der Unterhaltung von Frauen-, Studenten- und Jugendvereinen stellen Bildungszentren für Kinder und Jugendliche sowie für theologisches Personal einen wichtigen Arbeitszweig dar. Die Organisation der Pilgerfahrt nach Mekka, die Überführung und Bestattung Verstorbener in der Türkei und der Vertrieb religiöser Literatur gehören ebenso zu den wirtschaftlichen Aktivitäten von Milli Görüs wie der Handel mit Lebensmitteln, Immobilien und Lebensversicherungen. Zudem gibt die IGMG die verbandseigene Monatszeitschrift Milli Görüs&Perspektive heraus, die in türkischer und zum Teil in deutscher Sprache erscheint.8
Vom Verfassungsschutz wird die IGMG als legalistische islamistische Gruppierung eingestuft, die sich zwar von jeglicher Form der Gewaltanwendung distanziert, sich jedoch im Rahmen des geltenden Rechts um „Raum für die Entwicklung islamistischer Positionen in Deutschland“ bemüht, die im Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen.9 Zudem werden der Organisation politische Kontakte zu der islamistischen Partei des früheren türkischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan sowie antisemitische Äußerungen zur Last gelegt.
Seit die Bewegung in der Bundesrepublik in Erscheinung getreten ist, haftet ihr der Vorwurf an, sie sei dem Umfeld der islamistischen „Partei der Glückseligkeit“ (Saadet Partisi, SP) und deren Vorgängerorganisationen zuzurechnen, die auf die Errichtung einer auf dem Islam basierenden Gesellschaftsordnung abzielt. Obgleich die beiden Organisationen weder organisatorisch noch strukturell miteinander zusammenhängen, bestehen zahlreiche Verbindungen auf inhaltlicher und personeller Ebene. So gehören sowohl der Führungsriege der islamistischen Partei in der Türkei als auch der IGMG Mitglieder der Familie Erbakan an. Erbakan selbst trat bereits bei Versammlungen der IGMG in Deutschland als Redner auf. Inhaltlich teilen die IGMG und die SP die Ansicht, die Herrschaftsverhältnisse in der Türkei seien „änderungsbedürftig“ zu Gunsten eines islamischen Staatswesens.
Neben z.T. undurchsichtigen finanziellen Aktivitäten und Kontakten zu Scientology werden der IGMG auch antidemokratische und antisemitische Äußerungen in der Deutschlandausgabe der türkischen Tageszeitung Milli Gazete zum Vorwurf gemacht. Obgleich keinerlei organisatorische Beziehungen zwischen der IGMG und der Milli Gazete existieren, bestehen nach Informationen des Verfassungsschutzes personelle Querverbindungen, die darauf schließen lassen, dass die Zeitung von der IGMG als „Sprachrohr“ genutzt wird, durch das deren ideologische Grundpositionen verbreitet werden.10
Die IGMG weist sämtliche Vorwürfe vehement zurück, da sich diese fast ausschließlich auf Inhalte der Milli Gazete bezögen, die nach Angaben der IGMG nicht als Organ der Organisation fungiert. Die Autoren seien weder Mitglieder noch Funktionäre der Milli Görüs-Bewegung und widersprächen in ihren Artikeln dem Selbstverständnis der IGMG. Der Generalsekretär der Organisation Oguz Ücüncü betonte wiederholt, dass Islam und Demokratie vereinbar seien und dass sich die IGMG mit Nachdruck zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik bekenne. Auch die Behauptung, die IGMG sei die Auslandsorganisation der islamistischen Partei Erbakans, wird entschieden zurückgewiesen.11
Vom Verfassungsschutz werden diese Dementis zum einen als rein formale Distanzierung einiger Funktionäre verstanden, die darum bemüht seien, die IGMG als integrationswillige, die Demokratie bejahende Organisation zu präsentieren, während sie im Grunde danach strebten, islamistischen Kräften in Deutschland Raum zu verschaffen und ihre Anhänger vor einer „vermeintlichen Assimilation an die deutsche Gesellschaft“ zu bewahren. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz räumte demgegenüber 2004 erstmals ein, dass „erste Ansätze zu mehr Transparenz und einem demokratischeren Umgang“ erkennbar seien. Auch die Berliner Behörden stellten eine Spaltung innerhalb der Bewegung zwischen Traditionalisten der ersten Zuwanderergeneration und reformorientierten Mitgliedern der zweiten und dritten Generation fest, die sich von der Forderung nach einer auf dem islamischen Recht basierenden Gesellschaftsordnung distanzieren.12 Auch der Kulturanthropologe Werner Schiffauer betont, dass die IGMG heute eine „sehr heterogene Gemeinde“ verkörpert. Während es durchaus einige Anhänger gebe, die nach wie vor für einen Gottesstaat eintreten, bekenne sich die Organisationsspitze, die von hier sozialisierten Deutschen türkischer Herkunft dominiert ist, ausdrücklich zu einem „wertekonservativen Islam im Kontext des europäischen Rechtsstaats“. Da von der IGMG keine absehbare Gefahr für die Bundesrepublik ausgehe, tritt Schiffauer dafür ein, den Islamismus „von innen“ zu überwinden und auf eine „Politik des Vertrauens“ zu setzen. Die staatliche Observierung durch den Verfassungsschutz müsse daher beendet und durch eine zivilgesellschaftliche Kontrolle mittels kritischer journalistischer Berichterstattung ersetzt werden.13
Kalifatsstaat
Anders als die IGMG stellt der sogenannte Kalifatsstaat eine gewaltbefürwortende Gruppierung dar, die den demokratischen Rechtsstaat grundsätzlich ablehnt, da sie diesen als unvereinbar mit der „wahren“ islamischen Lehre erachtet. Sie propagiert den gewaltsamen Umsturz der laizistischen Republik Türkei und die Errichtung eines islamischen Gottesstaates unter der Führung eines Kalifen. Als Vorbild gilt ihr dabei die islamische Revolution im Iran. Seit dem Verbot des Vereins im Dezember 2001 weist der Kalifatsstaat einen starken Rückgang von Vereinsaktivitäten und eine sinkende Anhängerzahl auf. Nachdem diese Anfang der 90er Jahre noch auf 4.000 geschätzt wurde, geht man mittlerweile von nur noch 750 Anhängern bundesweit aus. Aufgrund seiner extremistischen Haltung war der Kalifatsstaat innerhalb der islamischen Dachverbände Zeit seines Bestehens völlig isoliert.14
Hervorgegangen ist der Kalifatsstaat 1984 ebenso wie die IGMG aus der Islamischen Union Europa. Die anfängliche Vereinsbezeichnung Verband der Islamischen Vereine und Gemeinden wurde in den 90er Jahren durch die Eigenbezeichnung Kalifatsstaat (HilafetDevleti) ersetzt. Der Gründer der Organisation, Cemaleddin Kaplan, war 1980 infolge des Militärputsches in der Türkei als politischer Flüchtling nach Deutschland gekommen und hatte früh eine führende Position in der Islamischen Union inne. Durch seine offenkundige Nähe zur Islamischen Republik Iran und sein dementsprechendes Auftreten in der Öffentlichkeit wurde er auch als „Khomeini von Köln“ bezeichnet.15
Der Kalifatsstaat war in seiner Gründungsphase eine vergleichsweise offene Bewegung, die sich im Laufe der folgenden Jahre jedoch weitgehend von ihrer Umgebung abkapselte. Anfang der 90er Jahre erfolgte eine zunehmende Radikalisierung, die zur Erklärung des Glaubenskriegs und zur Ausrufung der „Islamischen Republik Türkei“ führte und 1994 in der Selbsternennung Kaplans zum Kalifen mündete.16 Nach seinem Tod trat sein Sohn Metin Kaplan die Nachfolge an und übernahm den von seinem Vater angenommenen Titel „Emir der Gläubigen und Kalif der Muslime“. Der Führungsanspruch des Sohnes war jedoch innerhalb der Organisation umstritten, so dass es zur Spaltung kam und Ibrahim Sofu zum „Gegenkalifen“ ausgerufen wurde. Nach heftigen Auseinandersetzungen kam es zum Mord an Sofu, der durch eine Fatwa (ein islamisches Rechtsgutachten) Kaplans veranlasst worden sein soll, in der er zur Tötung seines Rivalen aufgerufen hatte. Der Mord konnte zwar nie vollständig aufgeklärt werden, Kaplan wurde jedoch zu vier Jahren Haft verurteilt. Nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafe wurde Kaplan auf Grund seiner Rolle als „Identifikationsfigur für den islamischen Extremismus“ schließlich im Oktober 2004 in die Türkei abgeschoben. Obwohl die internen Rivalitäten und sinkende Mitgliederzahlen zu einer Schwächung des Kalifatsstaats beigetragen hatten, versuchen die verbliebenen Anhänger weiterhin, die organisatorischen Strukturen aufrecht zu erhalten und die Lehren Kaplans durch den Versand von Publikationen weiter zu verbreiten.17
Bei der Durchsetzung ihrer Ziele konzentrierte sich die Organisation in Deutschland auf die mediale Verbreitung der Lehre ihres „Kalifen“. Neben einer Internetseite betrieb sie eine eigene Fernsehsendung, die einmal wöchentlich von Köln aus ausgestrahlt wurde. Zudem gab sie regelmäßig die Zeitung „Ümmet-i Muhammed“ heraus, in der fundamentalistische Polemik gegenüber der laizistischen Türkei verbreitet wurde. Cemaleddin Kaplan hatte sich zwar Zeit seines Lebens gegen die Anwendung von Gewalt bei der Durchsetzung seiner Ziele ausgesprochen, gleichzeitig jedoch von Glaubenskrieg und Opfertum gepredigt. Die Ermordung Sofus wird von Beobachtern als Moment gewertet, in dem die Gewaltrhetorik in faktische Gewalt umschlug, wobei der Verdacht besteht, dass bereits zuvor einzelne Mitglieder der Gemeinde als freiwillige Kämpfer nach Bosnien und Afghanistan gezogen waren. 1998 wurde der Kalifatsstaat zudem von türkischen Sicherheitsbehörden bezichtigt, anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Republik Bombenattentate sowie einen Kamikazeflug auf das Mausoleum Atatürks geplant zu haben. Aufgrund zahlreicher Ungereimtheiten und fehlender Beweise wird allerdings gemutmaßt, dass es sich hierbei um eine Inszenierung des türkischen Staatsschutzes handelt. Auch die Anschuldigung, die Organisation pflege Kontakte zum Terrornetzwerk al-Qaida und bilde selbst Kämpfer aus, ist spekulativ und konnte nie bewiesen werden.18
Arabische islamistische Organisationen
Neben den türkischen sind in der Bundesrepublik auch mehrere arabische Organisationen tätig, die vom Verfassungsschutz als islamistisch eingestuft werden. Mit einer Mitgliederzahl von etwa 3.250 Personen machen die Islamisten arabischer Herkunft etwa 10 Prozent aller islamistischen Gruppierungen in Deutschland aus. Zu den bedeutendsten unter ihnen zählen mehrere der Muslimbruderschaft nahe stehende Organisationen sowie die Hizb ut-Tahrir, Interessensvertretungen der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hizb Allah, die sich alle vorrangig auf die politischen Verhältnisse in den Heimatländern konzentrieren.19
Muslimbruderschaft
Die 1928 in Ägypten gegründete Muslimbruderschaft ist die älteste und bedeutendste arabische islamistische Gruppierung, die heute über die arabische Welt hinaus in etwa 70 Ländern weltweit vertreten ist.20 Obgleich umstritten ist, inwieweit die Muslimbrüder in Deutschland in Vereinsstrukturen organisiert sind, ist davon auszugehen, dass die Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD)und die daran angeschlossenen Islamischen Zentren in München, Marburg, Stuttgart, Nürnberg, Frankfurt am Main und anderen Städten von der Muslimbruderschaft beeinflusst oder sogar kontrolliert werden.21
Die IGD ist ursprünglich aus dem ägyptischen Zweig der Muslimbruderschaft hervorgegangen und versteht sich als Dachverband der ca. 1.300 ihr angeschlossenen Muslime im gesamten Bundesgebiet. Die insbesondere von arabischen Kaufleuten und Intellektuellen gegründete Organisation gehört zu den Gründungsmitgliedern des Zentralrats der Muslime in Deutschland. Als Sitz dient ihr das Islamische Zentrum München (IZM), das in Kontakt zur ägyptischen Muslimbruderschaft stehen soll.22 Das Islamische Zentrum Aachen gilt daneben als Vertreter des syrischen Zweigs der Organisation und als deren organisatorischer Schwerpunkt in Deutschland, obgleich es sich bereits 1981 von der IGD abgespalten hat. Der aktuelle Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz beinhaltet keine direkten Anschuldigen gegen mutmaßliche Einrichtungen der Muslimbrüder. Ihnen wird jedoch vorgeworfen, sie zielten darauf ab, ihren Anhängern in Deutschland Freiräume für ein Leben gemäß islamischer Rechtsnormen zu verschaffen. Auch wurde bereits Kritik an personellen und organisatorischen Verbindungen zur IGMG geübt.23
Die IGD streitet jegliche Beziehungen zur Muslimbruderschaft ab und betont in ihrer Satzung, die Gemeinschaft werde in ihrer „islamischen Natur“ nicht von politischen Richtungen beeinflusst. Sie fühle sich gleichzeitig dem Islam und dem geltenden Recht der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet und bemühe sich zudem um den interreligiösen Dialog. Als Zielsetzung gibt sie die Integration der muslimischen Minderheit in die europäischen Mehrheitsgesellschaften unter „Beibehaltung einer entwickelten europäischen Identität“ an. Daneben strebe sie nach der „Etablierung islamischen Gemeindelebens als originärer Bestandteil der europäischen Gesellschaften“ und nach einer „Heimstätte für den deutschsprachigen Islam“.
Entsprechend der Ideologie und Praxis der Muslimbrüder in der arabischen Welt sind auch die IGD und die Islamischen Zentren im sozialen und karitativen Bereich tätig. Zu ihren Aktivitäten zählen neben der Errichtung von Gebetsstätten, Kulturzentren und islamischen Erziehungseinrichtungen auch die Darstellung des Islam in der Öffentlichkeit im Rahmen von Pressearbeit, Publikationen und der Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen.24 Entgegen den kritischen Stimmen einiger Beobachter ist der Islamwissenschaftler Peter Heine der Ansicht, die der Muslimbruderschaft nahe stehenden Vereine in Deutschland verträten – anders als in der arabischen Welt – keine antiwestlichen Positionen, sondern bemühten sich um den Dialog mit allen Teilen der Gesellschaft und öffneten ihre Einrichtungen zeitweise auch für Nichtmuslime.25
Islamischer Bund Palästina und Al-Aqsa
Die aus dem palästinensischen Zweig der Muslimbruderschaft hervorgegangene Hamas (Harakat al-Muqawama al-Islamiyya, „Islamische Widerstandsbewegung“) wird in Deutschland durch den Islamischen Bund Palästina (IBP) vertreten. Nachdem der IBP bereits 1981 innerhalb des Islamischen Zentrums München als Interessensvertretung palästinensischer Muslime gegründet worden war, formierte er sich sechs Jahre später, bei Ausbruch der ersten Intifada, als Vertreter der Hamas in Deutschland. Bundesweit zählt der Verfassungsschutz etwa 300 Aktivisten, die über zentrale Versammlungsorte in München, Berlin und Aachen verfügen.
Beobachtern zufolge steht der IBP ebenso wie seine Mutterorganisation einem Frieden mit Israel prinzipiell ablehnend gegenüber und befürwortet Anschläge auf israelische Ziele in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten. Terroristische Aktivitäten außerhalb dieser Region lehnt der IBP genauso wie die palästinensische Hamas grundsätzlich ab. Während die Hamas in der Konfliktregion sowohl durch terroristische Gewaltakte als auch durch ihre karitative Arbeit Bekanntheit erlangte, ist sie in der Bundesrepublik bislang weder gewalttätig aufgetreten, noch verfügt sie über feste soziale Organisationsstrukturen. Die Aktivitäten des IBP im Bundesgebiet beschränken sich auf religiöse Veranstaltungen, die Teilnahme an Kundgebungen zum Nahost-Konflikt und Sammlungen von Spendengeldern. Die von Hamas-Anhängern in Deutschland ausgehende Gefahr ist nach Angaben des Verfassungsschutzes als gering einzustufen. Auch eine parallel zu der Entwicklung im Nahen Osten verlaufende Radikalisierung sei unter palästinensischen Zuwanderern nicht erkennbar.26
Finanzielle Unterstützung erhielt die Hamas nach offiziellen Angaben von dem mittlerweile verbotenen Spendenverein Al-Aqsa. Der 1991 in Aachen gegründete Verein warb offiziell um Spenden für die Gesundheitsversorgung und die Unterstützung sozial Schwacher in den palästinensischen Gebieten. Am 5. August 2002 wurde er jedoch von Bundesinnenminister Schily auf Grundlage des neuen Vereinsrechts verboten, das Verbote von Ausländervereinen ermöglicht, die gewalttätige oder terroristische Vereinigungen im In- oder Ausland unterstützen. Während sich Al-Aqsa selbst als „Gemeinnützige Hilfsorganisation“ bezeichnete und nach eigenen Angaben ausschließlich soziale Projekte in den palästinensischen Gebieten förderte, sah das Bundesverwaltungsgericht es als erwiesen an, dass der Verein regelmäßig Spendengelder in erheblichem Umfang an Hamas-nahe Sozialeinrichtungen im Gazastreifen und im Westjordanland weitergeleitet hat. Da die Hamas nach Ansicht der Richter als „einheitliches Gebilde“ zu betrachten ist, habe Al-Aqsa zugleich deren Gewalttaten gegen israelische Staatsbürger unterstützt und somit gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen. Der in den Medien verlautbarte Vorwurf, der Verein habe direkt Gelder an die Hinterbliebenen von Selbstmordattentätern gezahlt, wurde von offizieller Seite jedoch nicht bestätigt.27
Hizb ut-Tahrir al-Islami
Die 1953 in Jerusalem gegründete Hizbut-Tahrir al-Islami („Islamische Befreiungspartei“) wird von Beobachtern als derzeit effektivste islamistische Bewegung in einigen zentralasiatischen Ländern wie Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan beschrieben, die keinen terroristischen Kampf gegen die herrschenden Regime führt, sondern vielmehr einen „Krieg der Flugblätter“. Die Mitgliederzahl der Organisation, der 2003 ein Betätigungsverbot erteilt wurde, wird bundesweit auf etwa 200 geschätzt und setzt sich vorwiegend aus Studierenden und Akademikern zusammen, die in Universitäten und Moscheen rekrutiert werden.28
Aufgrund des auch in zentralasiatischen Staaten verhängten Betätigungsverbots gegen die Hizb ut-Tahrir sind alle Internetseiten der Bewegung, mit Ausnahme der pakistanischen, gesperrt, z.T. jedoch über ein Onlinearchiv weiterhin einsehbar. Auf ihrer deutschsprachigen Seite bezeichnet sich die Organisation selbst als „politische Partei, deren Ideologie der Islam ist“ sowie als „Partei zur Wiedereinführung des Kalifats“. Auf der pakistanischen Seite wird zudem die Absicht hervorgehoben, die derzeitigen „korrupten“ Gesellschaften durch islamische zu ersetzen und einen Kalifatsstaat zu errichten, in dem sämtliche Lebensbereiche gemäß islamischen Rechtsnormen organisiert sind.29 Uwe Halbach vom Institut für Internationale Politik und Sicherheit beschreibt die Hizb ut-Tahrir als eine auch in der Bundesrepublik „propagandistisch äußerst wirksame Bewegung“, die bis zu ihrem Betätigungsverbot ihre islamistische Lehre in der Zeitschrift „Explizit“ sowie auf Flugblättern publizierte. Bekannt wurde die Organisation in Deutschland insbesondere durch die Berichterstattung über eine von ihr organisierte Veranstaltung an der Technischen Universität Berlin im Oktober 2002, auf der unter Anwesenheit von NPD-Funktionären antijüdische, antiisraelische sowie antiamerikanische Parolen verbreitet wurden.30
Infolge dieser Veranstaltung wurde der Hizb ut-Tahrir im Januar 2003 ein Betätigungsverbot erteilt. Als Begründung führte das Bundesinnenministerium an, dass sich die Organisation gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte, „Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange“ befürworte und eine „derartige Gewaltanwendung“ hervorrufe. Der Verfassungsschutz bezeichnet die Bewegung in aktuellen Publikationen als antidemokratisch sowie als „anschauliches Beispiel für den ... antisemitisch unterfütterten Antizionismus islamistischer Organisationen“. Zwar steht die Hizb ut-Tahrir nicht in unmittelbarer Verbindung zu terroristischen Strukturen, Beobachter werfen ihr jedoch vor, als Wegbereiter für gewaltorientierte islamistische Bewegungen zu dienen. Obgleich die Organisation 2004 nach Angaben des Verfassungsschutzes nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten ist, wird befürchtet, dass auch das Verbot die Handlungsfähigkeit der Gruppierung nicht einschränken wird, sondern vielmehr zu einem erhöhten Maß an Konspiration bei der Mitgliederanwerbung und der Durchführung von Aktivitäten führen könnte.31
Hizb Allah
Während alle bereits angeführten islamistischen Gruppierungen dem sunnitischen Islam zuzurechnen sind, sind in Deutschland auch Islamisten aus dem schiitischen Spektrum vertreten. Als bedeutendste schiitische islamistische Gruppierung gilt die Hizb Allah („Partei Gottes“) deren Mitgliederzahl bundesweit auf 850 geschätzt wird. Die 1982 im Libanon gegründete Organisation steht unter dem politischen Einfluss der Islamischen Republik Iran, von der sie auch finanziell unterstützt wird. Ähnlich wie die Hamas erkennt die libanesische Hizb Allah das Existenzrecht eines israelischen Staates nicht an. Neben dem militärischen Kampf gegen Israel hat sie sich insbesondere die Re-Islamisierung der eigenen Bevölkerung auf die Fahnen geschrieben, welche sie durch ihre umfangreiche karitative Arbeit vorantreibt.32
Die Aktivitäten der Hizb Allah-Anhänger in Deutschland beschränken sich im Wesentlichen auf die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen und Spendensammlungen. Anders als in ihrem Ursprungsland lehnt die Organisation die Anwendung von Gewalt in der Bundesrepublik strikt ab. Die hier lebenden Mitglieder sind sowohl von der libanesischen Hizb Allah-Führung als auch vom früheren iranischen Staatspräsidenten Rafsandschani aufgefordert worden, keine Gewalt anzuwenden. Die Organisation tritt zurückhaltend auf und agiert nicht offiziell unter dem Namen Hizb Allah, wenngleich auf Demonstrationen auch Fahnen mit dem Vereinslogo sowie Portraits des Generalsekretärs Hassan Nasrallah mitgeführt werden. Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes zeigten die Mitglieder in Deutschland in den vergangenen Jahren jedoch geringes Interesse an der aktiven Mitarbeit in der Organisation.33
Iranische Islamisten
Islamisches Zentrum Hamburg
Als bedeutendste schiitische Einrichtung iranischer Prägung in Deutschland gilt das Islamische Zentrum Hamburg (IZH), dessen direkte Beziehungen zur revolutionären islamistischen Bewegung im Iran unumstritten sind. Seit seiner Gründung durch iranische Kaufleute und Akademiker im Jahr 1966 pflegt das von Beobachtern als äußerst konservativ eingestufte Zentrum enge Kontakte zu prominenten iranischen Geistlichen. Der jeweilige Vorsitzende des IZH, der gleichzeitig das Amt des Imams in der dem Zentrum angeschlossenen Imam-Ali-Moschee innehat, wird direkt aus dem Iran eingesetzt. Zu den bislang prominentesten Vorsitzenden zählen der ehemalige Staatspräsident Mohammad Khatami (1978-80) sowie der frühere Vorsitzende der Islamisch-Republikanischen Partei Mohammad Beheshti (1965-70). Der Einzugsbereich des Zentrums umfasst nicht nur die im Raum Hamburg lebenden Iraner und Zwölferschiiten, sondern erstreckt sich über das gesamte Bundesgebiet. Weitere Einrichtungen in Berlin, Frankfurt am Main und München sind dem IZH angeschlossen.34
Zu seinen Hauptaufgaben zählt das Zentrum den Ausbau eines konstruktiven Dialogs mit anderen religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Gruppen in Deutschland und Europa. Zu diesem Zweck werden Vorträge und Seminare sowie Tage der Offenen Tür und Besuchsprogramme für Schüler, Studenten und Kirchengemeinden organisiert. Auf seiner Internetseite weist das IZH zudem auf seine langjährige Teilnahme an interreligiösen Begegnungen und Kirchentagen hin. Die hauseigene Faltblattserie „Muslime im Dialog“ soll neben den vorrangig an Muslime gerichteten Zeitschriften „Al-Fadschr – Die Morgendämmerung“ und „Salam Kinder“ ebenfalls zur Information von Nichtmuslimen beitragen. Auch der „innermuslimische Dialog“ liegt der Gemeinde der Imam-Ali-Moschee, die sich nach eigenen Angaben aus Schiiten und Sunniten aus aller Welt zusammensetzt, am Herzen und wird als „Ausdruck der Glaubenseinheit“ hervorgehoben. Neben den Freitagspredigten, die auf Persisch, Arabisch und Deutsch gehalten werden und im Internet nachlesbar sind, finden in der Gemeinde islamische Feste, Eheschließungen und Trauerfeiern sowie Islamunterricht für Kinder statt. Für neu Konvertierte werden außerdem Arabischkurse und seelsorgerliche Betreuung angeboten.35
Die Anwendung von Gewalt lehnt das IZH entschieden ab. In Reaktion auf die jüngsten Terroranschläge in London erließ der derzeitige Leiter Ayatollah Ghaemmaghami eigens eine Fatwa, in der er die Attentate scharf verurteilte. Wenngleich die Organisation auch vom Verfassungsschutz nicht als gewaltbereit eingestuft wird, macht ihm dieser die Verbreitung islamistischen Gedankenguts iranischer Prägung zum Vorwurf und bezeichnet das IZH als „eines der aktivsten Propagandazentren und eine hochrangige Verbindungsstelle zum obersten geistlichen Revolutionsführer des Iran, Ayatollah Khamenei“ in Europa.36
Auch wenn so mancher Autor zu dem Schluss kommt, Islamisten in Deutschland hätten unter dem Deckmantel der Dialogbereitschaft ein „islamistisches Spinnennetz“ gesponnen und sich „wie eine Krake“ ausgebreitet, darf nicht aus dem Blick geraten, dass über 99 Prozent der hier lebenden Muslime nicht der islamistischen Szene angehören.37 Da auch die übrigen ein Prozent keinen monolithischen Block bilden, sondern heterogenen islamistischen Bewegungen angehören, stellt sich die Frage, wie Staat und Gesellschaft zukünftig mit diesen Organisationen umgehen sollten. Neben fundiertem Wissen über die Gruppierungen ist allem voran die Einsicht unabdingbar, dass es sich bei den meisten dieser Bewegungen nicht – wie der Verfassungsschutz vorgibt – um „Ausländerorganisationen“ handelt. Viele Anhänger islamistischer Gruppierungen wurden bereits in Deutschland geboren, sozialisiert und ausgebildet. Die Lösung des Problems kann deshalb nicht die medienwirksame Abschiebung sogenannter „Hassprediger“ und die Durchsuchung mutmaßlich islamistischer Moscheevereine sein. Vielmehr muss überdacht werden, inwieweit – neben der staatlichen Absicherung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung – ein verstärkter zivilgesellschaftlicher Dialog dazu beitragen kann, die Integrationsbemühungen vieler als islamistisch eingestuften Organisationen zu fördern und somit dem Abdriften junger in Deutschland lebender Muslime in extremistische Bewegungen entgegenzuwirken.
Sarah Albrecht, Berlin
Anmerkungen
1 Zum Begriff „Islamismus“ vgl. den umfassenden Artikel von Johannes Kandel „Herausforderung Islamismus“ im MD 8/2005. Die unterschiedlichen Facetten islamistischer Bewegungen werden in der vom nordrhein-westfälischen Landesamt für Verfassungsschutz herausgegebenen Broschüre „Islamismus – Instrumentalisierung der Religion für politische Zwecke“ differenziert dargestellt.
2 Bei den im Folgenden dargestellten Gruppierungen handelt es sich um in Vereinen oder Verbänden organisierte Bewegungen. Transnational agierende islamistische Terroristen, sogenannte „Jihadisten“, die in Deutschland nach Angaben des Verfassungsschutzes lediglich durch Einzelpersonen vertreten werden, sind daher nicht Teil dieser Ausführung.
3 Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2004, 213.
4 Ebd., Innenministerium des Landes NRW, Islamismus, Düsseldorf o.J., 50. Ursula Spuler-Stegemann, Muslime in Deutschland, Freiburg 2002, 112, Faruk Sen/Hayrettin Aydin, Islam in Deutschland, München 2002, 53, Thomas Lemmen, Muslimische Spitzenorganisationen in Deutschland, Altenberge 1999, 28, und ders., Muslime in Deutschland, Baden-Baden 2001, 76.
5 Ders., Türkisch-Islamische Organisationen in Deutschland, Altenberge 1998, 33, und Sen/Aydin, Islam in Deutschland, 54.
6 Die Islamischen Föderationen räumen zwar personelle Querverbindungen zur IGMG ein, setzen sich aber nachweislich nicht ausschließlich aus IGMG-Vereinen zusammen. Äußerst unübersichtliche Verbandsstrukturen und die Tatsache, dass der Sitz der Föderationen mit dem der IGMG-Moschee in der jeweiligen Landeshauptstadt identisch ist, lassen jedoch an der Eigenständigkeit zweifeln. Lemmen, Muslime in Deutschland, 74ff.
7 Ebd., 113f, und ders., Muslimische Spitzenorganisationen in Deutschland, 28f und 33.
8 Vgl. http://www.igmg.de, Senatsverwaltung für Inneres Berlin, Verfassungsschutzbericht 2004, 146, Sen/Aydin, Islam in Deutschland, 54f, Lemmen, Muslime in Deutschland, 76 und 82.
9 Entgegen der grundsätzlichen Ablehnung jeglicher Gewaltanwendung hat in einem Fall ein Prediger der IGMG in der Berliner Mevlana-Moschee die Gewalt im Irak und in Nahost religiös legitimiert und wurde daraufhin im Dezember 2004 ausgewiesen. Senatsverwaltung für Inneres Berlin, Verfassungsschutzbericht 2004, 146f.
10 Bundesamt für Verfassungsschutz, Extremismus in Deutschland, Köln 2004, 15, Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2004, 213ff, Senatsverwaltung für Inneres Berlin, Verfassungsschutzbericht 2004, 143, Sen/Aydin, Islam in Deutschland, 55f, Thomas Lemmen, Türkisch-Islamische Organisationen in Deutschland. Eine Handreichung, Altenberge 1998, 33f, und ders., Muslime in Deutschland, 76ff.
11 Pressemitteilungen der IGMG vom 27.3.2004 und 18.8.2005 (einsehbar unter http://www.igmg.de), Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2004, 213, Senatsverwaltung für Inneres Berlin, Verfassungsschutzbericht 2004, 142f.
12 Ebd., 140ff und 186, und Innenministerium des Landes NRW, Islamismus, 60.
13 Schiffauer in: Senatsverwaltung für Inneres Berlin, Islamismus, 2005, 91f, 96f, und ders., Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs – ein Lehrstück zum verwickelten Zusammenhang von Migration, Religion und sozialer Interaktion, in: Migrationsreport 2004. Fakten – Analysen – Perspektiven. Für den Rat für Migration hg. von Klaus J. Bade/Michael Bommes/Rainer Münz, Frankfurt a. M./New York 2004, 67 ff.
14 Sen/Aydin, Islam in Deutschland, 54 und 66ff, Innenministerium des Landes NRW, Islamismus, 17 und 61ff, Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2004, 211, und Lemmen, Muslime in Deutschland, 93.
15 Lemmen, Muslime in Deutschland, 92, ders.,Türkisch-Islamische Organisationen in Deutschland, 35, und Sen/Aydin, Islam in Deutschland, 66.
16 Die zunehmende Radikalisierung ging mit einer veränderten Anhängerschaft einher. Während die Organisation in den 80er Jahren noch von Arbeitsmigranten ländlicher Herkunft dominiert wurde, gaben ab Mitte der 90er Jahre jüngere Migranten der zweiten Generation den Ton an, unter ihnen zahlreiche an deutschen Universitäten ausgebildete Akademiker. Werner Schiffauer, Die Gottesmänner, Frankfurt a.M. 2000, 12.
17 Ebd., 11 und 335f, Lemmen, Türkisch-Islamische Organisationen in Deutschland, 35, ders., Muslime in Deutschland, 93f, Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2004, 211ff, und Sen/Aydin, Islam in Deutschland, 67.
18 Sen/Aydin, Islam in Deutschland, 68 und 89, Schiffauer, Die Gottesmänner, 11f und 337.
19 Senatsverwaltung für Inneres Berlin, Verfassungsschutzbericht 2004, 112.
20 Auch die algerische Front Islamique du Salut (FIS) und deren Untergruppen Groupe Islamique Armé (GIA) und Groupe salafiste pour la Prédication et le Combat (GSPC) sind Abspaltungen von der Muslimbruderschaft. In Deutschland verfügen sie insgesamt über etwa 350 Mitglieder, die nach Angaben des Verfassungsschutzes „weitgehend inaktiv“ sind. Ihre Aktivitäten beschränken sich demnach auf gelegentliche Publikationen und Geldsammlungen in Moscheen zur finanziellen Unterstützung der FIS in Algerien. Vgl. Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2004, 203, und Innenministerium des Landes NRW, Islamismus, 31ff.
21 Senatsverwaltung für Inneres Berlin, Verfassungsschutzbericht 2004, 28ff, Bundesamt für Verfassungsschutz, Extremismus in Deutschland, 15, Peter Heine, Halbmond über deutschen Dächern, München, Leipzig 1997, 130, und Lemmen, Muslime in Deutschland, 100ff.
22 Als Gründer des IZM gilt Said Ramadan, langjähriger Privatsekretär des Gründers der Muslimbruderschaft, Hassan al-Banna, und Vater von Tariq Ramadan, einem v.a. unter jungen in Europa lebenden Muslimen populären Gelehrten und Enkelsohn al-Bannas.
23 Lemmen, Muslime in Deutschland, 100ff, ders., Muslimische Spitzenorganisationen in Deutschland, 44, Heine, Halbmond über deutschen Dächern, 130, Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2004, 204, Innenministerium des Landes NRW, Islamismus, 15 und 31.
24 Vgl. http://www.i-g-d.com, Spuler-Stegemann, Muslime in Deutschland, 115, und Heine, Halbmond über deutschen Dächern, 131. Die der IGD angegliederte Muslim Studenten Vereinigung in Deutschland e.V. ist zudem als Dachverband von etwa 35 Studentengruppen tätig und fördert u.a. die Einrichtung von Gebetsräumen in Hochschulen. Lemmen, Muslime in Deutschland, 100f.
25 Heine, Halbmond über deutschen Dächern, 130f.
26 Senatsverwaltung für Inneres Berlin, Verfassungsschutzbericht 2004, 135 und 244f, Spuler-Stegemann, Muslime in Deutschland, 62, Bundesamt für Verfassungsschutz, Extremismus in Deutschland, 14, Innenministerium des Landes NRW, Islamismus, 43, und Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2004, 185 und 207.
27 Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2004, und Innenministerium des Landes NRW, Islamismus, 43.
28 Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2004, 209, Spuler-Stegemann, Muslime in Deutschland, 64, und http://www.tagesthemen.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID1447170_REF2_NAV,00.html.
30 Vgl. http://www.tagesthemen.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID1447170_REF2_NAV,00.html, und Senatsverwaltung für Inneres Berlin, Verfassungsschutzbericht 2004, 112.
31 Vgl. http://www.tagesthemen.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID1447170_REF2_NAV,00. html, vgl. http://www.documentarchiv.de/brd/2003/verbot_hizb-ut-tahrir.html, Bundesamt für Verfassungsschutz, Extremismus in Deutschland, 14, und Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2004, 209f.
32 Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2004, 208.
33 Ebd., 185 und 208, Innenministerium des Landes NRW, Islamismus, 46f, und Senatsverwaltung für Inneres Berlin, Verfassungsschutzbericht 2004, 241.
34 Vgl. http://www.izhamburg.de, Lemmen, Muslimische Spitzenorganisationen in Deutschland, 43, und Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2004, 242.
35 Vgl. http://www.izhamburg.de/freitagsansprachen/Freitag.htm und Spuler-Stegemann, Muslime in Deutschland, 120.
36 Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2004, 242, und http://www.izhamburg.de.
37 Udo Ulfkotte, Der Krieg in unseren Städten. Wie radikale Islamisten Deutschland unterwandern, Frankfurt a.M. 2003, 14 und 62. Vgl. hierzu auch Bassam Tibi, Der Islam in Deutschland. Muslime in Deutschland, Stuttgart/München 22001, 215f und 327, sowie Spuler-Stegemann, Muslime in Deutschland, 52ff.