Ist Scientology harmlos?
(Letzter Bericht: 5/2002, 155) Ein großes Nachrichtenmagazin kennzeichnete Scientology kürzlich als eine Organisation ohne Fehl und Tadel. Auf eine "Weiße Weste" - so war die Kurzmitteilung übertitelt (Focus 50/2002, 16) - weise die Antwort des Bremer Senats hin, die er auf eine Große Anfrage der hanseatischen CDU-Fraktion bezüglich der Aktivitäten von Scientology veröffentlicht hat. Der Senat schätze darin den Erkenntnisgewinn aus der fünfjährigen Beobachtung der Organisation durch den Verfassungsschutz als "mager" ein. Auch lägen keine Anhaltspunkte für strafrechtlich relevantes Verhalten vor.
Offensichtlich haben die Journalisten die Mitteilung des Bremer Senats vom 3. Dezember 2002 (Drucksache 15/1316) nicht zu Ende gelesen: Zwar wird die zweite der neun gestellten Fragen in der oben genannten Weise beantwortet. Alle weiteren Antworten haben aber einen deutlich anderen Tenor und legen andere Schlussfolgerungen nahe als die Focus-Überschrift "Weiße Weste" suggeriert. So wird betont, dass "im öffentlichen Dienst ein besonderes Augenmerk auf eine Unterwanderung durch die Scientology-Organisation zu richten" sei (ebd., 3). Ebenso wurden alle bremischen Behörden angewiesen, vor dem Abschluss von Verträgen mit Wirtschaftsberatungs- und ähnlichen Firmen die sog. "Scientology-Schutzerklärung" unterzeichnen zu lassen. Der entsprechend vorgeschriebene Wortlaut wird in der Senatsmitteilung eigens nochmals zitiert. In Bezug auf Scientology-Publikationen in öffentlichen Bibliotheken "sieht die Stadtbibliothek Bremen ihre Aufgabe in der Aufklärung über die vor allem auf wirtschaftliche Aktivitäten und mit Psychoterror umgesetzten Methoden der Organisation" (ebd., 4). Kurzum: Auch wenn Verlautbarungen von Behörden mitunter langatmige Passagen enthalten, sollte genau und bis zu Ende gelesen werden, ehe man mit reißerisch aufgemachten Meldungen die Öffentlichkeit desinformiert.
Michael Utsch