Kampagne gegen den besonderen Tendenzschutz in kirchlichen Einrichtungen
Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) und die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) haben eine Kampagne „gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz“ (GerDiA) gestartet. Sie wendet sich in erster Linie gegen den „besonderen Tendenzschutz“, der für kirchliche Einrichtungen gilt, zum Beispiel für Einrichtungen in Trägerschaft der Diakonie und Caritas. Sprecherin der Kampagne ist die bekannte SPD-Politikerin Ingrid Matthäus-Maier. Auf einer eigenen Seite im Internet unter www.gerdia.de wird über die Kampagne und ihre Ziele informiert. Darüber hinaus werden Informationen zum kirchlichen Arbeitsrecht angeboten, Fallbeispiele geschildert und mit Presseartikeln zum Thema verlinkt.
Die Kampagne zielt in eine doppelte Richtung: Zum einen wendet sie sich gegen die konfessionelle Bindung von Arbeitsstellen in kirchlichen Einrichtungen und die damit einhergehende Erwartung, dass die Angestellten auch ihr Privatleben an kirchlichen Wert- und Moralvorstellungen ausrichten. Die Kampagne möchte auch Konfessionslosen den Zugang zu über eine Million kirchlichen Arbeitsplätzen ermöglichen. Der Sprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, sagt: „Ärztinnen, Altenpfleger, Kindergärtnerinnen oder Schuldnercoaches haben keinen Verkündigungsauftrag. Deshalb darf die Religionszugehörigkeit keine Rolle dabei spielen, ob ein qualifizierter, engagierter Mensch eine Arbeitsstelle erhält oder nicht.“ Die Kampagne kritisiert die Möglichkeit der Kündigung bei Kirchenaustritt oder im Fall der Scheidung vom Ehepartner in katholischen Einrichtungen. Es komme zu einer „Zwangskonfessionalisierung“, wenn Angestellte nur deshalb Kirchenmitglied blieben, weil sie sonst eine Kündigung fürchten müssten, heißt es auf der Startseite von gerdia.de. Zum anderen fordert die Kampagne die Aufhebung des gesonderten kirchlichen Arbeitsrechts, das statt Betriebsräten, Gewerkschaften und Arbeitskampf den sogenannten „Dritten Weg“ vorsieht mit einer Mitarbeitervertretung und gemeinsamen Verhandlungen über das Arbeitsrecht in der Dienstgemeinschaft, bestehend aus Dienstgeber und Dienstnehmer. Hier weiß sich die Kampagne mit der Gewerkschaft ver.di einig, die schon seit etlichen Jahren die arbeitsrechtliche Situation in kirchlichen Einrichtungen beklagt. Das Hauptargument der Kampagne gegen ein kirchliches Arbeitsrecht und den gesonderten Tendenzschutz ist die Finanzierung sozialer Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft aus öffentlichen Mitteln.
Atheistische Organisationen, allen voran die Giordano-Bruno-Stiftung, versuchen zunehmend, mit immer neuen Themen und Kampagnen, an den angeblichen und tatsächlichen Privilegien der Kirchen zu rütteln. War der Vorschlag der gbs, den Himmelfahrtstag in einen Evolutionstag umzuwidmen, noch reichlich kurios, haben IBKA und gbs mit ihrer neuesten Kampagne gegen das kirchliche Arbeitsrecht ein Thema gefunden, das auf ein breiteres Interesse außerhalb, aber auch innerhalb der Kirche stoßen dürfte. Die arbeitsrechtlichen Verhältnisse in sozialen Einrichtungen von Diakonie und Caritas sind in den letzten Jahren immer wieder in die Kritik geraten. Auch die besondere Loyalitätspflicht von kirchlichen Angestellten bis in ihr Privatleben hinein dürfte zunehmend an Unterstützung verlieren. Allerdings sollte selbstverständlich sein, dass da, wo Kirche draufsteht, auch Kirche drin ist. Ein kirchliches Krankenhaus muss von seinen Angestellten erwarten dürfen, dass sie dem christlichen Glauben offen und nicht ablehnend gegenüberstehen. Das gilt auch für die zahlreichen konfessionslosen Angestellten in kirchlichen Krankenhäusern und Pflegeheimen, die es in den neuen Bundesländern bereits gibt. Eine Erzieherin in einem kirchlichen Kindergarten muss auf die Fragen der Kinder nach Gott antworten können. Ein Angestellter in einer kirchlichen Einrichtung hat tatsächlich am Verkündigungsauftrag der Kirche Anteil. Das meint vor allem, dass jeder Christ und jede kirchliche Einrichtung als Ganze vom christlichen Glauben im ganz alltäglichen Handeln Zeugnis ablegen. Ob Hausmeister, Reinigungskraft, Pfleger, Erzieherin, Sozialarbeiter und Ärztin, sie alle sollten deshalb Werte und Ziele ihres kirchlichen Arbeitgebers teilen können.
Claudia Knepper