Esoterik

Kawwana - Kirche des Neuen Aeon: Neue Entwicklungen

(Letzter Bericht: 3/2002, 93f) Am 6. Januar 2003 hat die esoterische Kirchengründung Thorwald Dethlefsens eine neue Ausrichtung erfahren. Nach den drei großen Festritualen (Frühlingsaequinoktium, Sommersolstitium und Herbstaequinoktium) des Jahres 2002 werde - so der "Kirchengründer" Dethlefsen im Anschreiben - nunmehr eine "neue Schöpfungsphase", ein "Fort-Schritt", eingeleitet. In der Einladung hieß es: "Ein solcher Schritt ist für Kawwana bereits jetzt - früher als von uns erwartet - möglich geworden... Dieser Schritt heißt: 'Der Weg in die Welt'. Man vergesse bitte nie: Kawwana ist nicht der Name einer Kirche in der Welt, Kawwana ist die gewandelte Welt an sich."

Rund 800 bis 900 Personen folgten der Einladung Dethlefsens zur "Epiphanias-Veranstaltung mit Symmachia" in die eigens angemietete Halle "Zenith-Kulturhalle" nach München (Lilienthalallee 35). Nochmals bekräftigte der "Vicarius" während der rund sechsstündigen Veranstaltung den dreifachen Anspruch seines Projektes: 1. "Kawwana ist vom höchsten Gott eingesetzt", 2. "Kawwana ist die einzige Kirche", 3. Ziel der Arbeit ist die Erlösung der Welt, aller Menschen. Die Welt soll aus ihrer bisherigen Seinsform befreit werden.

Später verkündete Dethlefsen: Die Kirchenorganisation sei zwar zu Ende, die Arbeit ginge jedoch weiter. Die neue Phase von Kawwana sei im Rahmen des - wohl intern abgehaltenen - Wintersolstitiums im Dezember 2002 eingetreten: Um 2.36 Uhr sei Kawwana in die Welt Briah und damit in die Unsterblichkeit überführt worden. Wie Dethlefsen erläuterte, stünde Kawwana nicht "wie andere Institutionen" in der Gefahr, alte Fehler zu wiederholen. Vor dem Hintergrund dieser neuen Entwicklung geschieht die Heilung des Menschen nunmehr über die Durchführung von Festen und Bällen, die einen magischen Hintergrund hätten. Dethlefsen plant bereits für dieses Jahr solche "echten Feste", für die allerdings eine Eintrittsgebühr erhoben werden müsse. Daneben spielt die Arbeit mit Zielgruppen eine Rolle: Geplant sind spezielle Veranstaltungen für Ältere und für Kinder mit dem Ziel: Den Menschen soll es möglich werden, in der magischen "Anbindung zu leben als Bürger des Neuen Zeitalters".

Die eigentliche magische Anbindung an den Gnadenstrom von Kawwana wird durch eine Art "Taufritual", die "Symmachia", vollzogen. Bei der Veranstaltung am 6. Januar 2003 in München ließen sich schätzungsweise 600 Personen in diesem Ritual "magisch" der Kawwana-Kirche angliedern. Mehrere Stationen waren für den Einzelnen zu durchlaufen. Zuvor erhielten die Veranstaltungsbesucher bei der Anmeldung eine kleine lilafarbene Karte, auf der zu lesen war: "Wenn Ihnen im Ritual die Frage gestellt wird: ‚Hast Du ein Ziel?' So antworten Sie, vorausgesetzt, daß Sie sich damit identifizieren können: 'Mein Ziel ist die Freiheit!'" Jeder, der sich für das Ritual angemeldet hatte, erhielt zu Beginn ein weißes Kleid, an dessen Ausschnitt ein Schwan zu erkennen war. Zum Abschluss wurden ein Sohar (eine Art Kompendium kabbalistischer Philosophie), eine Teilnahmebestätigung und eine kurze Erläuterung zu Kawwana übergeben. In diesen internen Unterlagen heißt es zu Kawwana: "Das hebräische Wort Kawwana bezeichnet in der Tradition der Kabbala eine magische Gebetstechnik. So ist es kein Zufall, dass in der Kirche Kawwana die magische Arbeit mit Psalmen eine recht zentrale Rolle einnimmt. Soweit dies in deutscher Sprache geschieht, verwenden wir hierfür die großartige Übersetzung bzw. Verdeutschung der Psalmen durch Martin Buber ('Das Buch der Preisungen'...). Jeder Psalm hat eine sehr unterschiedliche Wirkung und kann daher weder willkürlich ausgetauscht noch nach weltlichen Gesichtspunkten ausgewählt werden. Vor diesem kurz skizzierten Hintergrund sprechen wir für alle durch Symmachia angebundenen Mitglieder der Kirche Kawwana folgende Empfehlung aus: Eröffnen Sie und schließen Sie jeden Tag mit Psalm 25. Dazu müssen Sie anfänglich nicht mehr beachten, als dass Sie nach dem Aufstehen, bevor Sie mit den Aktivitäten des neuen Tages beginnen, stehend oder sitzend Psalm 25 laut - das meint hörbar - sprechen. Das gleiche gilt entsprechend für den Abend: bevor Sie sich zur nächtlichen Ruhe begeben, sprechen Sie noch einmal Psalm 25 und schließen damit den Tag ab. Fügen Sie dem Gesagten nichts weiteres hinzu, sondern benützen Sie diesen Psalm wie einen Schlüssel, mit dem man einen Tag auf- und abschließt; das ist alles! So einfach ist das!" In der jeweils überreichten Urkunde stand zu lesen: "[Vorname, Name] wurde am 6. Januar im Jahre 2003 durch den Ritus Symmachia an den Gnadenstrom der Kirche Kawwana angebunden und ist durch diesen sakramentalen Akt der Taufe ein Mitglied der Kirche Kawwana geworden."

Wie Dethlefsen in einer Fragestunde während des im Hintergrund ablaufenden Rituals erläuterte, werde "Symmachia" in Zukunft nicht mehr in der Öffentlichkeit vollzogen, sondern nur noch im inneren Kreis. Er riet dazu, die Mitgliedschaft zu anderen religiösen Gruppen aufzugeben. Als Begründung gab er an: Dieser Schritt entspräche der "magischen Reinlichkeit". Gleichwohl sei ein Kirchenaustritt aber keineswegs Bedingung: Kawwana sei höher (als die herkömmlichen Kirchen) angesiedelt und trete damit in keinen echten Streit, weil es keine echte Konkurrenz gebe.

Neue Angebote sollen neue Zielgruppen erschließen. Dies hat sich die Gruppe um Dethlefsen zur Aufgabe gemacht. Kostenlos sind die Angebote jedoch nicht mehr. Kurz vor Ostern erhielten Interessierte per Post eine Einladung zu der Veranstaltung vom 7. bis 11. Juli 2003 zum Eintrittspreis von 500 Euro. Der Titel der Veranstaltung: "Himmlische Sinnlosigkeiten im Gewächshaus: Gedachtes - Geschriebenes - Gesprochenes - eine Einladung zum Mitwachsen... Fünf Tage mit Thorwald Dethlefsen im Gewächshaus des Botanischen Gartens in München für Menschen, die das fünfzigste Lebensjahr überschritten haben." Im Anschreiben wird zumindest ein kleiner Vorgeschmack gegeben: "Menschen ab 50 sind eingeladen, fünf Tage lang einzutauchen in diese Stimmung von Genuß - ohne die Frage nach Zweckmäßigkeit; daher sind diese fünf Tage auch kein Seminar, kein Kurs, kein Workshop, keine Gruppe... Diese fünf Tage sind eine Art 'Buffet', auf dem Kostproben der verschiedensten geistigen Speisen serviert werden - geistige Häppchen (Bücher - Zitate - Gedanken) zum Probieren, Genießen - in Ruhe ..."

Näheren Aufschluss über die "Dogmata" von Kawwana gibt neuerdings eine Selbstvorstellungsbroschüre, die auf rund 100 Seiten die "11 Grundpfeiler der Kirche des Neuen Aeon" präsentiert: Der Höchste Gott - Die Schechinah - Der Avatar - Magie - Heilige Lehre - Die vier Welten - Der Rückweg - Das Böse - Licht und Wort - Der Tod - Der neue Aeon. In der zweiten Hälfte der Broschüre finden sich (mit dem dritten, abschließenden Teil "Sieben Schritte zum Menschsein") Ausführungen zu verschiedenen Stichworten wie Kawwana, Kirche, Sakrament, Ökumene oder Synkretismus. Unter dem Begriff "Esoterik" rechnet Dethlefsen mit den Auswüchsen heutiger Esoterik ab: "Esoterische Lehren waren immer geheim, sind geheim und bleiben geheim. All das, was in letzter Zeit Mode geworden ist und den Begriff 'Esoterik' benutzt, um das Nichtbekannte und Nichtverstandene in eigene Phantasien zu kleiden, ist eine Kinderei und hat mit Ausnahme der Terminologie mit der wirklichen Esoterik nicht einmal versehentlich irgendeine Berührung. Die Mischung unverdauter Weisheitslehren aus allen Zeiten und Kulturen mit New Age-Phantasien und sogenannter Lebenshilfe ist ein unbekömmlicher Brei, der trotz der kräftigen Würze mit zuckersüßen Phrasen niemanden zur Erlösung, sondern allein in den Wahn führt. Kawwana distanziert sich deshalb ausnahmslos von allen diesen pseudoesoterischen Bewegungen, Übungen und Lehren - denn sie wissen nicht, was sie tun! Leider!" Unter dem Stichwort "Christentum" wird die Person Jesu zwar gewürdigt und konzediert, dass er ein Gottessohn war. Jesus habe den Versuch unternommen, an der Erlösung der Welt zu arbeiten und die Heilsgeschichte weiter voranzutreiben: "Bei diesem Werk ist einiges gelungen, einiges ist nicht gelungen... Das Problem entstand erst später, als die Anhänger Jesu in sein Werk einen Erfolg hineininterpretierten, den es nicht gab. Jesus zum Erlöser der Welt und zum Entmachter der Hölle zu machen, geht - leider - an der Wahrheit vorbei... Das Christentum hat die zwei Jahrtausende des nun abgelaufenen Aeons - nicht ganz zurecht - mit seiner Dominanz ausgefüllt; nun ist diese Kirche alt und müde und steht vor ihrem Ende." Doch bei "Kawwana" scheint das Leben auch nicht in gewünschter Weise zu pulsieren. Die bisherigen Veranstaltungen haben viel Geld gekostet. Auch die Proklamation eines Endes der Kirchenorganisation von Kawwana hat womöglich selbst Mitglieder überrascht. Trotzdem beschreitet Dethlefsens Kawwana-Projekt neue organisatorische, publizistische und nicht zuletzt auch altbekannte kommerzielle Pfade: Darauf weisen nicht nur die recht hohen Eintrittsgebühren hin.

Neuerdings bietet Kawwana neben der oben genannten Selbstvorstellungsbroschüre auch eine Videoaufzeichnung "Epiphanias 2003 - Vortrag von Thorwald Dethlefsen" zum Preis von 14 Euro (einschließlich Versand) an.

Die Internetseite www.kawwana.de ("... eine Kirche? Um Gottes Willen!! Richtig!") informiert über aktuelle Angebote und bietet Bildaufnahmen von bisherigen "Fest-Ritualen" in München und Wien sowie ein Foto vom "Tempel des Höchsten".

Matthias Pöhlmann