Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters verliert Rechtsstreit und legt Widerspruch ein
(Letzter Bericht: 6/2016, 230f) Der „Schilderstreit von Templin“ ging am 2. August und am 1. September 2017 in zwei weitere Etappen.
Am 2. August verkündete der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Brandenburg sein Urteil (Az. 4 U 84/16) und wies die Berufung des Vereins „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters in Deutschland“ (KdFSMD) zurück. Der Verein hatte gegen das Land Brandenburg geklagt. Grund war die Ablehnung von Schildern, die auf eine wöchentlich stattfindende „Nudelmesse“ in Templin an drei Straßen am Ortseingang hinweisen und neben den Hinweisschildern zu christlichen Gottesdiensten aufgestellt werden sollten. Das Oberlandesgericht Brandesburg betrachtet die KdFSMD als „Religionsparodie“ und „Religionssatire“, nicht aber als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft. In der Urteilsbegründung heißt es: „Bei der Beurteilung, ob eine Kirche oder sonstige Religionsgemeinschaft oder eine Weltanschauungsgemeinschaft vorliegt, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Es reicht nicht aus, dass der Kläger sich als Religionsgemeinschaft oder – wie er im Senatstermin dargelegt hat – eine den Religionsgemeinschaften näher stehende Weltanschauungsgemeinschaft ansieht.“ Mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird darauf hingewiesen, dass die Form der Organisiertheit (privatrechtlich oder öffentlich rechtlich) keine Schlüsse auf die Frage zulässt, ob es sich um eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft handelt. Die Organisation als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist keine Voraussetzung dafür, als Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft gelten zu können. „Nach dem Urteil des BVerwG vom 15. Dezember 2005 (7 C 20/04-Rdnr. 13) ist unter Religion oder Weltanschauung eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens zu verstehen, dabei legt die Religion eine den Menschen überschreitende und umgreifende (‚transzendente‘) Wirklichkeit zugrunde, während sich die Weltanschauung auf innerweltliche (‚immanente‘) Bezüge beschränkt. Gemessen an diesem Maßstab handelt es sich bei dem klagenden Verein nicht um eine Religionsgemeinschaft.“ Dabei bezieht sich das Gericht auf die Vereinssatzung, die geäußerten ethischen Orientierungen und den Sachverhalt, dass sich der Kläger als „Weltanschauungsgemeinschaft“ sieht. Die „Religionssatire des Fliegenden Spaghettimonsters“ wird als „künstlerisches Mittel“ bezeichnet, „um in satiretypischer Art intolerante und dogmatische Anschauungen und Handlungen zu überhöhen und zu hinterfragen“. Das Urteil des Gerichts reflektiert ausführlich über die Merkmale von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und ihre notwendigen Eigenschaften. Zu den weltanschaulichen Orientierungen des Vereins wird keine wertende Stellungnahme abgegeben. Auch anhand des propagierten „Monsterunser“ und eines verfremdeten „Glaubensbekenntnisses“ (Ich glaube an das Fliegende Spaghettimonster … und seinen Propheten Bobby Henderson) kommt das Gericht zu dem Schluss, „dass es dem klagenden Verein an einem Bekenntnis zu einer gemeinsamen Weltanschauung fehlt – und es ihm lediglich darauf ankommt, gegen ‚intolerante und dogmatische‘ (Welt)Anschauungen und Handlungen mit dem Mittel der Religionssatire vorzugehen“.
Begleitet wurde die rechtliche Auseinandersetzung durch die Publikation eines Buches („Das Fliegende Spaghettimonster – Religion oder Religionsparodie?“), das von der Theologin Daniela Wakonigg und dem Juristen Winfried Rath geschrieben wurde und 2017 im Alibri-Verlag erschien. Das Fazit der Überlegungen von Wakonigg wird mit den Worten zusammengefasst: „Wie für alle anderen Gottheiten gilt auch für das Fliegende Spaghettimonster, dass es unmöglich ist, seine Nicht-Existenz zu beweisen. Ein letztgültiger Nachweis, dass es sich beim Pastafarianismus möglicherweise eher um eine Religionsparodie als um eine Religion handelt, kann daher nicht erbracht werden.“ Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher und Mitbegründer der Giordano-Bruno-Stiftung, schrieb das Vorwort zum Buch. „Ich bin überaus dankbar, dass Daniela Wakonigg und Winfried Rath mit diesem Grundlagenwerk die klaffende Lücke in der theologischen Debatte geschlossen und die Glaubenslehre des FSM einer soliden religionswissenschaftlichen und kirchenrechtlichen Analyse unterzogen haben.“
Der Rechtsstreit, der 2014 begann, wird voraussichtlich weitergehen. Am 1. September 2017, so sagte der Vereinsvorsitzende Rüdiger Weida, sei vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingelegt worden.
Die Ursprünge der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters liegen in den Vereinigten Staaten. 2005 wurde die Bewegung als Protest gegen kreationistische Lehren in amerikanischen Schulen von dem amerikanischen Physiker Bobby Henderson gegründet. Ausführlich erläutert dieser seine Lehren in dem Buch „The Gospel of the Flying Spaghetti Monster“, deutsch: „Das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters“. Seit 2006 existiert die Bewegung in Deutschland. Die Anhängerinnen und Anhänger nennen sich „Pastafari“.
Den Mitgliedern geht es um polemische Religionskritik und die Vermittlung einer Ethik, die sich am „evolutionären Humanismus“ orientiert. Auf ein gläubiges Bewusstsein wird herabgeblickt. Die Etablierung einer atheistisch-humanistischen Leitkultur und die Verwirklichung einer religionsfreien Gesellschaft sind Anliegen des evolutionären Humanismus.
Reinhard Hempelmann