Kirchenfinanzen und Kirchenkritik

Der Kirchen- und Religionskritiker Carsten Frerk konnte sich in den letzten Wochen über die mediale Verbreitung seiner Anschauungen zum Thema Kirchenfinanzen nicht beklagen. In Rundfunk, Fernsehen, Zeitungen: Seine Stimme war zu hören und zu lesen. Auf seine Zahlen zum Kirchenvermögen wurde Bezug genommen. Seine Deutung der Zahlen wurde rezipiert. Die Kirchen, so hieß es, „schwimmen im Geld“, die katholische wie die evangelische Kirche. Immer noch hielten sie an einem staatskirchlichen System fest, zu dem Kirchensteuer, Staatsleistungen (seit 200 Jahren), Militärseelsorge, die theologischen Fakultäten etc. gehörten. Strikt verweigerten sie sich gegenüber allen Veränderungen. Wüssten die Gläubigen, wie reich die Kirchen wären, das Spendenaufkommen würde umgehend zurückgehen. Das Fehlverhalten des Limburger Bischofs hat für die polemischen Muster dieser Kritik den Stoff geliefert. Von einem Bischof wurde auf alle geschlossen, von einer Kirche auf alle Kirchen bzw. auf das „System“ Kirche überhaupt.

Frerks kirchen- und religionskritische Plädoyers gehen freilich weiter. Bis 2012 war er Mitglied des Kuratoriums der Giordano Bruno Stiftung (seitdem Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Stiftung), die religiöse Bindungen ganz grundsätzlich als Freiheitsverzicht problematisiert und im Namen der Wissenschaft eine naturalistische und atheistische Weltanschauung zur Norm erheben möchte. Das Thema Kirchenfinanzen ist nur ein Thema unter anderen, um den Kampf gegen Religion und Kirche erfolgreich voranzubringen. Man möchte eine humanistisch-atheistische Leitkultur etablieren, in der eine vermeintlich wissenschaftliche Weltdeutung die Religionen und Kirchen überflüssig macht.

Was zeigt sich in den öffentlichen Diskursen zum Thema Kirchenfinanzen? Es zeigt sich, dass das Klima, das die Kirche umgibt, im publizistischen Bereich kühler, aggressiver und kritischer geworden ist. Die im Grundgesetz vorausgesetzte Religionsfreundlichkeit des Staates muss heute begründet und erläutert werden. Staatsleistungen werden kein Tabuthema mehr sein können. Kirchensteuern sind allerdings keine Staatsleistungen, auch wenn sie von Finanzämtern eingezogen werden. Die Dienstleistung des Einzugs der Kirchensteuer wird vonseiten der Kirchen beglichen. Das Prinzip der Refinanzierung von Sozialleistungen gilt nicht exklusiv für die christlichen Kirchen. Ansonsten ist zu sagen: Geheimnistuerei in Sachen Kirchenfinanzen zerstört Vertrauen. Der kirchliche Umgang mit Geld erfordert unbedingte Transparenz.

Die christlichen Kirchen sollten und müssen sich gegenüber einer medialen Übertribunalisierung allerdings nicht dafür rechtfertigen, dass sie im öffentlichen Raum der Gesellschaft vielfältig präsent sind und sichtbar dazu beitragen, dass Obdachlose ein Zuhause finden, dass Gefangene besucht und Kranke versorgt werden. Sie sind nicht die Einzigen, die das tun. Ein großer Teil dieses Einsatzes wird refinanziert, wie bei anderen nichtkirchlichen Akteuren auch. Die Problematik einer pauschalen Kirchenkritik liegt meines Erachtens darin, dass über Alternativen geschwiegen wird. Ist das französische Modell der Laizität eine wünschenswerte Alternative? Wünschen sich die Kritiker des ausbalancierten Systems von Trennung und Kooperation zwischen Staat und Kirche eine entweltlichte Kirche? Eine Kirche, die sich auf sich selbst zurückzieht und die Mauern um die eigene kleine Schar groß werden lässt? Hinter Mauern kann christlicher Glaube nicht gelebt werden. Die Botschaft des Evangeliums zielt auf öffentliche Kommunikation.


Reinhard Hempelmann