Islam

Körperschaftsstatus für Ahmadiyya Muslim Jamaat in Hamburg

Als zweites Bundesland hat Hamburg der muslimischen Sondergemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) mit Wirkung vom 23. April 2014 den Körperschaftsstatus verliehen. Ein Jahr nach der hessischen Entscheidung (vgl. MD 8/2013, 303f) ist somit auch der AMJ in Hamburg zuerkannt worden, dass sie die besonderen Voraussetzungen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erfüllt. Hierzu gehören als geschriebene Voraussetzung die Gewähr der Dauer, d. h. die hinreichende Gewissheit einer längerfristigen Existenz der Gemeinschaft, sowie als ungeschriebene Voraussetzung die Rechtstreue der Gemeinschaft.

Die Übertragung der Körperschaftsrechte ermöglicht der AMJ in Hamburg zum Beispiel das Erheben von Steuern, steuerrechtliche Vergünstigungen, die Schaffung eines Arbeitsrechts (Beamtenstatus) und das Beteiligungsrecht bei Bebauungsplänen. Die Erwartung einer besonderen Staatstreue, etwa einer Zustimmung zur liberalen Demokratie, wird Religionsgemeinschaften, denen der Körperschaftsstatus zugesprochen wird, nicht abverlangt.

Die Hamburger Entscheidung ist im Gefolge der hessischen konsequent; auch in weiteren Bundesländern ist die Durchführung entsprechender Anerkennungsverfahren zu erwarten.

Mit der Anerkennung der AMJ als Körperschaft des öffentlichen Rechts gibt es nun in Hamburg zwei unterschiedliche rechtliche Konstruktionen, mit denen die Stadt und muslimische Organisationen ihr Verhältnis zueinander regeln. Denn schon 2012 war zwischen der Stadt Hamburg und der SCHURA (Rat der islamischen Gemeinschaften), dem Verband der Islamischen Kulturzentren sowie dem DITIB-Landesverband ein weitreichender Vertrag zur gegenseitigen Kooperation geschlossen worden. Welche Folgen sich für die Stadt aus diesen unterschiedlichen Konstruktionen im Verhältnis zu muslimischen Gemeinschaften ergeben könnten, ist noch nicht abzusehen. Am Hamburger „Religionsunterricht für alle“, der in evangelischer Verantwortung durchgeführt wird und in den u. a. Juden und Muslime eingebunden sind, ist die AMJ bisher nicht beteiligt.

Veränderungen im Binnenverhältnis der unterschiedlichen muslimischen Gemeinschaften dürften sich derzeit nicht ergeben. Nach wie vor schließen sunnitische und schiitische Gemeinschaften offizielle interreligiöse Begegnungen, an denen die AMJ beteiligt wäre, aufgrund des Häresievorwurfs aus. Zwar öffnen beide Hamburger AMJ-Gemeinden am Tag der offenen Moschee (3. Oktober) ihre Türen; darauf wird im offiziellen Veranstaltungskalender der sunnitischen und schiitischen Moscheegemeinden jedoch nicht hingewiesen.

Insbesondere aufgrund des Häresievorwurfs sowie der schwierigen Situation in Pakistan, wo der Ahmadiyya-Bewegung durch gesetzliche Regelungen das Praktizieren ihres Glaubens erheblich erschwert wurde und wo Ahmadis bis in die jüngste Zeit auch massiver Gewalt ausgesetzt sind, ist die AMJ-Gemeinschaft in Hamburg auf rund 2400 Mitglieder angewachsen. Hier wie in ganz Deutschland tritt die AMJ regelmäßig mit Podiumsdiskussionen, Büchertischen in Fußgängerzonen und Veranstaltungen in ihren Moscheen an die Öffentlichkeit. Grundlage hierfür ist die Überzeugung, als reformislamische Gemeinschaft bis zum Jahr 2189 (300 Jahre nach Gründung der AMJ durch den als „Erneuerer“ und „verheißenen Messias“ verehrten Gründer Mirza Ghulam Ahmad) alle Religionen und auch andere islamische Richtungen überwunden zu haben.

In Hamburg gründete die AMJ schon 1949 eine Missionsstation und eröffnete 1957 die erste Nachkriegsmoschee einer dem Islam zuzurechnenden Gemeinschaft in Deutschland. Zunächst wurde die Fazle-Omar-Moschee als Gebetsstätte von vielen Muslimen in Hamburg genutzt. Nachdem 1965 die schiitische Imam-Ali-Moschee gebaut war und weitere Moscheen – zunächst oftmals in Hinterhöfen – durch die wachsende Zahl sunnitischer „Gastarbeiter“ eingerichtet wurden, blieben die Ahmadis ab Ende der 1960er Jahre mehr und mehr unter sich. Auch in den letzten Jahren gab es keine offiziellen Kontakte zwischen der AMJ und anderen Moscheegemeinden bzw. der Hamburger SCHURA.

Nach Zuerkennung der Körperschaftsrechte hat die AMJ ihre kurz- und mittelfristigen Vorhaben für Hamburg öffentlich gemacht. Zwar schließt der AMJ-Bundesvorsitzende Abdullah Uwe Wagishauser nach Presseinformationen die Erhebung von Steuern aus. Die Hamburger AMJ-Gemeinde kündigte aber an, sich zeitnah um die Einrichtung eines eigenen Friedhofs und mittelfristig auch um die Eröffnung eines Kindergartens und einer Schule bemühen zu wollen. Im Rahmen des 1989 ausgerufenen 100-Moscheen-Programms für Deutschland beabsichtigt die AMJ außerdem, die Zahl der in Hamburg bestehenden Moscheen auf vier zu verdoppeln.


Jörg Pegelow, Hamburg