Koordinierungsrat der Atheisten gegründet
(Letzter Bericht: 10/2008, 391f) Sie möchten von staatlicher Seite genauso wahrgenommen werden wie die christlichen Kirchen und wie die Muslime. Deshalb gründeten freidenkerische und atheistische Organisationen am 16.12.2008 in Berlin den „Koordinierungsrat säkularer Organisationen“ (KORSO).
Gründungsmitglieder sind elf Verbände, Stiftungen und Akademien, die sich unter dem Dach des Koordinierungsrats versammelt und sich eine politische Interessenvertretung gegeben haben. Derzeit gehören dazu: Deutscher Freidenkerverband (DFV), Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften (DFW), Humanistischer Verband Deutschlands (HVD), Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), Jugendweihe Deutschland (JwD), Giordano Bruno Stiftung (gbs), Humanistische Akademie Deutschland (HAD), Stiftung Geistesfreiheit Hamburg, Stiftung UNITATES, Humanismus Stiftung Berlin, Roter Baum Dresden.
Vorsitzender des Rates ist Frieder Wolf, Präsident der Humanistischen Akademie, stellvertretender Vorsitzender Carsten Frerk, der zum Kuratorium der Giordano Bruno Stiftung gehört und durch Publikationen als polemischer Kirchenkritiker in Erscheinung trat.
Freidenkerische Organisationen sehen sich gegenüber den christlichen Kirchen als benachteiligt an. In der zur Gründung des Rates verabschiedeten Resolution heißt es: „Mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung ist derzeit konfessionsfrei. Mehr als drei Viertel der Konfessionsfreien orientieren sich an humanistischen Lebensvorstellungen. Diese Menschen haben in Deutschland keine angemessene Interessenvertretung. Der Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO) will hier eine Wende herbeiführen.“ Die politischen Forderungen des Koordinierungsrats sind durch die Arbeit seiner Mitgliedsverbände vielfach bekannt geworden: Unter anderem geht es ihnen um „die konsequente religiöse, bzw. weltanschauliche Neutralität des Staates“, um „ein integratives Pflichtfach zur Wertevermittlung (wie in Berlin „Ethik“ und in Brandenburg „LER“), darüber hinaus um die „Autonomie am Lebensende und die volle rechtliche Gültigkeit von Patientenverfügungen“, um eine „Reform der öffentlichen Erinnerungs-, Gedenk- und Trauerkultur“, um „Respekt gegenüber den Formen der Fest- und Feierkultur säkularer Organisationen“.
Bemerkenswert ist, mit welcher Zurückhaltung der Atheismusbegriff verwandt wird. Das Selbstverständnis wird u. a. mit den vieldeutigen Begriffen humanistisch, säkular, weltanschaulich ungebunden, aufgeklärt, autonom, konfessionsfrei zum Ausdruck gebracht. Die Meinung und Überzeugung, dass der Koordinierungsrat mehr als ein Drittel der Bevölkerung vertritt, ist eine realitätsferne Wunschvorstellung und Vereinnahmung. Darüber sollte die gute Öffentlichkeitsarbeit einzelner Initiativen nicht hinwegtäuschen. Zwar gibt es zahlreiche Menschen, die keiner Religion oder Weltanschauung angehören. Nur sehr wenige von ihnen vertreten jedoch die weltanschaulichen und ethischen Orientierungen der so genannten säkularen Organisationen. Konfessionsfreie dürfen nicht pauschal als „anonyme Humanisten oder Atheisten“ im Sinne säkularer und freidenkerischer Verbände angesehen werden. Jeder und jede Konfessionsfreie – wenn man diesen Begriff aufnehmen will – hat das zu achtende Recht und die zu respektierende Freiheit, sich selbst zu definieren und seinen bzw. ihren weltanschaulichen und ethischen Orientierungen zu folgen.
Reinhard Hempelmann