Kritik an den neuen Leitlinien für die Heilpraktikerprüfung
(Letzter Bericht: 10/2017, 382f) Die Nachfrage nach alternativen Heilmethoden ist seit Jahren hoch. Laut einer Umfrage des Bundes Deutscher Heilpraktiker haben 47 000 in Deutschland tätige Heilpraktiker 46 Millionen Patientenkontakte pro Jahr. Nach drei Todesfällen in Nordrhein-Westfalen im Sommer 2016, wo ein Heilpraktiker mit fragwürdigen Mitteln Krebs bekämpfen wollte, wurde der Gesetzgeber aktiv und hat das Heilpraktikergesetz aus dem Jahr 1939 überarbeitet.
Ab 22.3.2018 treten neue Leitlinien1 für die Prüfung zum Heilpraktiker in Kraft. Ein besserer Schutz des Patienten soll durch eine bundesweit einheitliche Prüfung sowie die Überprüfung praktischer Fähigkeiten gewährleistet werden. Obwohl den Heilpraktikern viel zugetraut wird – sie dürfen sogar Infusionen legen und Spritzen geben –, sind die Voraussetzungen, um den Beruf ausüben zu dürfen, gering: Man muss 25 Jahre oder älter sein und mindestens den Hauptschulabschluss haben; ein polizeiliches Führungszeugnis und ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis müssen vorgelegt werden. Durch einen Multiple-Choice-Test mit 60 Fragen sowie eine mündliche Prüfung mussten angehende Heilpraktiker bisher belegen, dass ihr Wissen ausreicht, nicht der Volksgesundheit zu schaden. Immerhin sehen die neuen Leitlinien jetzt auch eine Überprüfung von praktischen Fähigkeiten vor.
Ob das ausreicht? Kritiker bemängeln, dass weiterhin eine geregelte, standardisierte Ausbildung fehle. Viele unterschiedliche Schulen und Verbände unterrichten mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Lehrplänen. Auch die weltanschaulichen Voraussetzungen der Heilmethoden werden selten reflektiert und kommuniziert. In einer Stellungnahme2 hat die Bundesärztekammer bemängelt, dass Heilpraktiker nach wie vor Infusionen legen und Spritzen geben dürfen. Auch die neuen Leitlinien würden der Komplexität des medizinischen Kontextes nicht gerecht, und das Ziel der Gefahrenabwehr für die Patienten sei nicht erreicht.
Der alte Grabenkampf zwischen Schul- und Alternativmedizin hat mit den weichen Leitlinien neue Nahrung erhalten. Fragen nach der subjektiven Wirksamkeit der Heilpraktiker durch ihre empathische Zuwendung und die Einbeziehung der existenziell-spirituellen Dimension und Überlegungen, wie diese in eine ganzheitliche Behandlung mit einfließen können, fanden leider keine Berücksichtigung. Auch angesichts der neuen Leitlinien sollten Patienten gut informiert sein, damit sie keinem Quacksalber auf den Leim gehen.
Michael Utsch
Anmerkungen