Lorber-Gesellschaft auf neuem Kurs?
(Letzter Bericht: 7/2006, 274) Unter dem neuen Vorsitzenden Klaus W. Kardelke sucht die 1949 gegründete Lorber-Gesellschaft nun auch über das World Wide Web die Öffentlichkeit. Erstmals veröffentlicht der elf Personen umfassende Verein die Namen seiner Mitglieder und nennt deren Aufgabenbereiche. Daraus lassen sich neue Schwerpunktsetzungen ihrer Arbeit und Vernetzungen mit dem Swedenborg Zentrum sowie mit esoterischen Angeboten ablesen.
Auf der neu gestalteten Internetseite www.lorber-gesellschaft.de erfährt man, dass die Lorber-Gesellschaft mit Sitz im oberbayerischen Hausham dafür Sorge trägt, „die Offenbarung Jesu Christi durch Jakob Lorber im Urtext zu bewahren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen“. Über ihre praktische Arbeit heißt es: „Sie bemüht sich darüber hinaus, den Kontakt zu Freunden und Anhängern dieser Texte und ihrer Lehre zu pflegen, damit durch die gemeinsame Arbeit das Verständnis und die Verbreitung gefördert wird. Die Lorber-Gesellschaft veranstaltet zu diesem Zweck Tagungen, Seminare und Freundestreffen.“ Alljährlich richtet sie im Pforzheimer Hohewart Forum, einem Tagungs- und Bildungszentrum der Evangelischen Kirche, ihre Jahrestagung aus. Um das Gedankengut des „Schreibknechts Gottes“ und „Neuoffenbarers“ Jakob Lorber (1800-1864) zu verbreiten, unterhält die Lorber-Gesellschaft einen Kassettendienst, organisiert Vorträge und Tagungen und gibt die Zeitschrift „Geistiges Leben“, den „Lorber-Kalender“ sowie zahlreiche Publikationen heraus. Hinzu kommt die Kontaktpflege zu den verschiedenen Lorber-Kreisen, in denen das Schrifttum studiert und diskutiert wird. Die Lorber-Gesellschaft unterhält auch die Jakob-Lorber-Begegnungsstätte, ein 1905 errichtetes und 2004 modernisiertes Gäste- und Seminarhaus, bei der Andritz-Quelle in Graz-Stattegg (Steiermark/Österreich). Lorber hatte den Quellteich der Andritz am 30. Juli 1840 mit Freunden besucht und soll dort das sog. Quellen-Evangelium durch einen „Quellen-Geist“, eine „Quellenjungfrau“, empfangen haben. Sein Biograph berichtet rückblickend: „Lorber diktierte uns dort, während er mit heiterer Miene auf den ruhigen Spiegel des Gewässers hinblickte, zwei Stunden lang tiefsinnige Eröffnungen über das Entstehen und die Herkunft dieser reinen Quelle und über deren Mitwirkung zu Zwecken der physischen und geistigen Welt“ (Gottfried Ritter von Leitner, Lebensbeschreibung Jakob Lorber, Bietigheim 1969, 9). Näheres lässt sich einer Broschüre entnehmen, die Klaus W. Kardelke unter dem Titel „Der Ursprung der Andritz. Ein Natur-Evangelium“ verfasst hat (www.lorber-gesellschaft.de/pdf/UrsprungAndritz.pdf ; 17.8.2006). Seit den letzten Jahren achtet die Gesellschaft – bedingt durch Auseinandersetzungen mit dem Lorber-Verlag in den 1980er Jahren – weiterhin auf die wortgetreue Drucklegung des umfangreichen Schrifttums. Dafür wurde intern eine „Arbeitsgemeinschaft Wortbewahrung“ gebildet, für die intern der Schweizer Martin Günsche verantwortlich zeichnet. Aus den Angaben der Internetseite geht hervor, dass Günsche offiziell Verbindungen zur International White Cross (IWC) unterhält.
Die IWC ist eine Stiftung mit Sitz im schweizerischen Adligenswil/Luzern und versteht sich als „Dach einer globalen Bewegung“. Ihr Leitspruch lautet: „Der Frieden in der eigenen Seele ist der Baustein zum Weltfrieden“ (www.i-w-c.org). Sie wurde von der Psychoanalytikerin Margarete Friebe gegründet. Nach Angaben auf ihrer Internetseite ist Frau Friebe „seit 1960 forschend auf dem Gebiet der Tiefenpsychologie und der östlichen und westlichen Philosophie tätig“ (www.friebe.ch). Ihre Studien hätten „sie über die Weisheit der Eingeweihten der Antike bis zum Ur-Christentum“ geführt. Seit 1973 befasst sie sich mit „einer angewandten spirituellen Bewusstseins-Bildung“. Neben der Stiftung leitet Margarete Friebe auch das dort ebenfalls ansässige „Alpha-Institut“, das regelmäßig Kurse und Seminare anbietet: „Das FRIEBE ALPHA-TRAINING® hilft Ihnen, eine tiefe Selbsterkenntnis zu erhalten und dadurch den hohen Sinn Ihres Lebens zu entdecken. Darüber hinaus werden Sie durch die geistigen Prinzipien des Hermes Trismegistos ausgebildet, Selbstgestalter Ihres Schicksals zu werden, unter anderem durch die Macht Ihrer konstruktiven Gedanken. Sie gelangen zu einer inneren, seelischen Sicherheit und Stabilität und dadurch zu einer Lebensbejahung. Das FRIEBE ALPHA-TRAINING® fördert eine Bewusstseins-Evolution, die Voraussetzung ist, um einmal das Göttliche Sein in allem bewußt erkennen zu können.“
Günsche ist in der Lorber-Gesellschaft auch für die Esoterik-Messe Zürich zuständig – ein Hinweis, dass die Lorber-Freunde neuerdings auch im Umfeld von Esoterik-Angeboten werbend in Erscheinung treten. Im Vorstand der Lorber-Gesellschaft sind neben Kardelke das Gründungsmitglied Karl Zimmer, Lothar Schuller und Anita Strattner tätig. Die Übersicht nennt weitere Personen mit ihren jeweiligen Aufgabenbereichen: Hans-Gerd Fischer (Korrespondenz), Angelika Penkin, Michael Nolten (theologischer Berater, Publikationen), Bernhard Strattner und Marianne Peis (Versand).
Als kleine Sensation ist sicherlich die Tatsache zu werten, dass auch der Pfarrer der Neuen Kirche (Emanuel Swedenborg), Thomas Noack, offiziell als Mitglied der Lorber-Gesellschaft genannt wird. Sein Aufgabengebiet: „Kirche, Bibel und Neuoffenbarung, theologischer Berater Publikationen, Vortragstätigkeit“. Durch die Mitgliedschaft des Neukirchenpfarrers wird nun auch nach außen hin sichtbar, dass Noack, anders als sein Amtsvorgänger Friedemann Horn (vgl. MD 12/1999, 383f), offenbar aus persönlichem Interesse nicht nur eine Aussöhnung, sondern nunmehr eine engere Zusammenarbeit zwischen dem Swedenborg Zentrum Zürich und der Lorber-Bewegung anstrebt – eine Entwicklung, die innerhalb der Neuen Kirche nicht unumstritten ist.
Matthias Pöhlmann