Markolf H. Niemz

Lucy mit c. Mit Lichtgeschwindigkeit ins Jenseits. Leben nach dem Tod. Neue wissenschaftliche Indizien

Markolf H. Niemz, Lucy mit c. Mit Lichtgeschwindigkeit ins Jenseits. Leben nach dem Tod. Neue wissenschaftliche Indizien, Books on Demand GmbH, Norderstedt 32006, 170 Seiten, 14,80 Euro.


Dass der Heidelberger Physikprofessor in seinem „Wissenschaftsroman“ keine Beweise für ein Leben nach dem Tod vorlegen kann, ist ihm erkenntnistheoretisch klar. Aber selbst wenn der Untertitel von „neuen wissenschaftlichen Indizien“ für eine nachtodliche Existenz spricht, ist das übertrieben. Und wenn der Autor meint, den Dialog zwischen Physik, Philosophie und Theologie „wiederherstellen“ zu können, so überschätzt er sich gewaltig. Denn seine Ausführungen zeigen ebenso wie der kleine, als „Literaturverzeichnis“ bezeichnete Anmerkungsapparat, dass er sich mit Theologie noch nie ernsthaft und mit Philosophie wohl nur randständig beschäftigt hat. Kein Wunder, dass er selber staunt, in welch kurzer Zeit ihm das Büchlein gelungen ist: Es fließen – der Prolog verrät es – „alle Gedanken so aus mir heraus, als wären sie externe Eingebungen. Ich brauche sie nur ins Notebook zu tippen.“

Die zentrale, aber in ihrem Sinn nicht wirklich aufgeklärte These des Buches besteht in der Annahme, am Ende des Sterbens werde die Seele – auch dieser Begriff bleibt theologisch unreflektiert – auf die physikalisch mögliche Höchstgeschwindigkeit, also auf Lichtgeschwindigkeit getrimmt. Damit müsse alles Physisch-Materielle zurückbleiben, und sie selbst werde allgegenwärtig und zeitlos-ewig. Dass auch ein mit Lichtgeschwindigkeit sich bewegendes Etwas zum Durchqueren des Universums 30 Milliarden Lichtjahre bräuchte und mitnichten „allgegenwärtig“ wäre, übersieht der Physiker. Die philosophische Erkenntnis von Ernst Topitsch, dass ja Zeitlosigkeit schlichtweg dem Tod, nämlich platter Leblosigkeit gleichkommt statt „ewigem Leben“ oder der „Auferstehung“, ist dem Autor offenbar fremd. Mit seiner Rede von „der Ewigkeit im theologischen Sinne“ steht er einigen Esoterikern wie z.B. Thorwald Dethlefsen nahe, die solch monistischer Ewigkeitsdefinition unmittelbare Evidenz zutrauen.

Ein Gedicht des Autors versinnbildlicht, was er auf welchem Reflexionsniveau zu sagen hat: „Die Zeit, sie kommt und geht, oh weh, / ein jeder sagen muss ade. / Materie bleibet hier zurück, / nur so dein Geist gelangt ins Glück.“ In religionswissenschaftlicher Ahnungslosigkeit werden beispielsweise „Jenseits oder Nirwana“ einfach gleichgesetzt – dabei soll „keiner Religion“ der Vorzug gegeben werden... Die immer wieder herangezogenen visionären Erfahrungen von Menschen in unmittelbarer Todesnähe sind passend zu den Thesen des Buches herausgesucht. Das international erforschte Material auf diesem Gebiet liefert freilich auch anderes – so etwa Visionsberichte, die sehr wohl von zeitlicher und räumlicher Strukturiertheit der Jenseitswelt erzählen, folglich keineswegs einfach „ohne Raum und Zeit“ auskommen. Schlicht falsch ist die Behauptung, „dass Christen, Juden und Muslime gleiche Elemente in ihren Nahtoderfahrungen beschreiben wie Buddhisten und Hindus“. Literatur, die das Gegenteil aufzeigt (z.B. Karlis Osis / Erlendur Haraldsson; Carol Zaleski), bleibt unerwähnt.

Der flotte Stil, in dem die Leser(innen) angesprochen und auch vertraulich geduzt werden, mag nebst einigen eingängigen Erläuterungen physikalischer Gesetze und dem hehren Anspruch, Naturwissenschaft und Religion im Hinblick auf eine zentrale Sinnfrage leichthin miteinander vermitteln zu können, dazu beigetragen haben, dass dieser Titel bereits in dritter Auflage vorliegt.


Werner Thiede, Regensburg