„Mäßig religiös“. Zur Shell-Jugendstudie 2010
Die 16. Shell-Jugendstudie beschreibt charakteristische Sichtweisen, Stimmungen und Orientierungen heutiger Jugendlicher. Repräsentativ befragt wurden 2604 Jugendliche im Alter von 12 bis 25 Jahren. Die qualitative Vertiefungsstudie bezieht sich auf 20 Fallstudien auf der Basis von explorativen Interviews mit Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren. Am 14. September 2010 wurden die Ergebnisse vorgestellt:
• Die junge Generation bleibt zuversichtlich. Ihr Optimismus ist eher gestiegen als zurückgegangen. Zugleich gehen die Lebenswelten Jugendlicher weiter auseinander. Bei solchen, die aus sozial schwachen Milieus kommen, hat die Zuversicht abgenommen.
• Es zeigt sich, dass Bildung und ein guter Schulabschluss einen Schlüssel für die weitere Biografie darstellen. Wie schon in früheren Studien beobachtet, wird auch deutlich, dass junge Frauen ihre männlichen Altersgenossen beim Thema Bildung überholt haben.
• Die junge Generation ist familienorientiert. Sie hat ein gutes Verhältnis zu den eigenen Eltern, die ihnen angesichts steigender Anforderungen in Schule und Ausbildung Rückhalt und emotionale Unterstützung geben.
• Was tagtäglich beobachtet werden kann, wird in der Studie bestätigt: „Fast alle Jugendlichen (96 Prozent) haben mittlerweile Zugang zum Internet. Nicht nur die Zahl der Internetnutzer ist damit gestiegen, sondern auch die Zahl der Stunden, die Jugendliche im Netz verbringen: im Schnitt fast 13 Stunden pro Woche.“
• Das politische Interesse Jugendlicher ist leicht gestiegen. Zahlreiche Jugendliche sind sozial engagiert (39 Prozent).
• Wie in der Erwachsenenwelt gibt es unter Jugendlichen „Globalisierungsbefürworter, Globalisierungsgegner und den Globalisierungs-Mainstream“. Die Befürworter sind in der Mehrzahl. Man erwartet wirtschaftlichen Wohlstand, Frieden und Demokratie. Die Gegner verbinden Globalisierung mit Umweltzerstörung, Armut und Unterentwicklung.
• Das Thema Klimawandel spielt für viele Jugendliche eine wichtige Rolle. „Zwei von drei Jugendlichen sehen durch das sich verändernde Klima die Existenz der Menschheit bedroht.“ Ein Teil der Jugendlichen zieht daraus Konsequenzen für die eigene Lebensgestaltung und verhält sich umweltbewusst.
• Religiöse Fragen spielen für die Mehrzahl der Jugendlichen nur eine mäßige Rolle. Drei verschiedene religiöse Kulturen lassen sich beobachten: „Während Religion für junge Menschen in den neuen Bundesländern zumeist bedeutungslos geworden ist, spielt sie in den alten Bundesländern noch eine mäßige Rolle ... Ganz anders sieht es hingegen bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus: Sie haben einen starken Bezug zur Religion, der in diesem Jahrzehnt sogar noch zugenommen hat.“
• Die Werte und Lebenseinstellungen Jugendlicher werden als „pragmatisch, aber nicht angepasst“ beschrieben. Jugendlichen geht es nicht nur „um ihr persönliches Vorankommen, sondern auch darum, ihr soziales Umfeld aus Familie, Freunden und Bekannten zu pflegen. Viele interessieren sich dafür, was in der Gesellschaft vor sich geht“.
Die Ergebnisse sind eine Momentaufnahme, die auch zeigt, in welchem Zusammenhang die Welt der Jugendlichen und die Welt der Erwachsenen stehen. Jede weitergehende Interpretation der Studie wird berücksichtigen müssen, dass die Jugend immer auch Projektionsfeld für die Erwachsenen ist und umgekehrt. Jugend ist heute keine genau festlegbare und abgrenzbare Lebensphase mehr, sondern ein langer und manchmal durch Brüche und Diskontinuitäten gekennzeichneter Weg, der mindestens die Lebensjahre 10 bis 30 umfassen kann. Diese zunehmende Uneindeutigkeit des Jugendalters steht in Korrespondenz zu dem Phänomen, dass Altersfragen im Blick auf Wertorientierungen und Lebensformen nur noch eine begrenzte Rolle spielen.
Reinhard Hempelmann