Neuapostolische Kirche

Mangelnde Geschichtsaufarbeitung in der Neuapostolischen Kirche

(Letzter Bericht: 2/2008, 53ff) Der Umgang mit der eigenen Geschichte ist für die Neuapostolische Kirche (NAK) seit jeher ein heikles Thema, ist sie doch von komplizierten Verwerfungen und Spaltungen geprägt. Deshalb ist es nur zu begrüßen, dass eine Historikerkommission die stark umstrittene, jüngere Epoche der Gemeinschaft zwischen 1938 und 1955 untersucht hat. Bei einem Informationsabend am 4. Dezember 2007 wurden die ersten Ergebnisse dieser Kommission vorgestellt, die jedoch innerhalb und außerhalb der NAK heftigen Wirbel auslösten. Experten beurteilen die Ausarbeitung der Arbeitsgruppe als nachträgliche Rechtfertigung von Fehlern des damaligen Stammapostels Bischoff (siehe den Bericht von Helmut Obst in dieser Ausgabe des MD, 92ff). Besonders auffällig: Auf den provokativen Inhalt der „Botschaft“ von Stammapostel Bischoff (das Wiederkommen Christi noch zu seinen Lebzeiten), die der damals 80-jährige im Weihnachtsgottesdienst 1951 in Gießen verkündigt hatte, geht die Studie der NAK-Kommission nicht weiter ein. Deshalb greift Helmut Obst in seiner Einschätzung dieses Vorgangs auf zeitgenössische kritische Quellen zurück – den Materialdienst der EZW! Eine interessante Randbemerkung: Die gesamte Ausgabe MD 2 des Jahres 1956 befasste sich ausschließlich mit „Spaltungen bei den Neuapostolischen“. Unter dieser Überschrift kam es im Laufe des Jahres zu weiteren zehn Hauptartikeln. Der MD des Jahres 1956 hat faktisch nur zwei Themen behandelt: „Spaltungen bei der NAK“ (116 Seiten Berichterstattung) und „Heilung durch den Geist“ (158 Seiten). Nicht umsonst sagt der Volksmund, dass die Beschäftigung mit der Geschichte die Gegenwart erhellen kann …

Der Eindruck einer fehlenden und unzureichenden Geschichtsaufarbeitung der NAK erhält aktuell Auftrieb durch Hinweise auf weitere Fälle von tendenziöser Geschichtsschreibung. Immerhin hat die „Neuapostolische Kirche International“, nachdem Plagiatsvorwürfe auf kritischen NAK-Internetseiten kursierten, bereits im April 2007 dazu Stellung bezogen. Von der Arbeitsgruppe „Geschichte der NAK“ werden dort vier eigene Publikationen als Plagiats-Fälle bezeichnet (www.nak.org/fileadmin/download/pdf/GNK_07_D_Stellungnahme_zu_Plagiatsvorw_rfen.pdf).

Diese selbstkritische Haltung lässt hoffen. Es ist allerdings ein Unterschied, ob es sich um ein Plagiat – also das Abschreiben ohne die Zitierung des geistigen Eigentums eines Fremdautors – handelt oder ob darüber hinaus Inhalte verfälscht werden. Plagiate werden von der NAK zugegeben, Geschichtsfälschung nicht. Zumindest in einem Fall wurden der NAK bereits im März letzten Jahres Belege darüber vorgelegt, dass in dem von ihr herausgegebenen Werk „Geschichte der NAK“ (Wiesbaden 1987) nicht nur weite Teile eines anderen, älteren Buches über die Entstehung der katholisch-apostolischen Gemeinden ohne Zitierung übernommen wurden (Plagiat), sondern darüber hinaus auch zum Teil der Inhalt verfälscht und an neuapostolische Lehrmeinungen angepasst wurde. Die NAK hat bisher auf diesen Vorwurf nicht reagiert – außer damit, dass nach Aussage des Bischoff-Verlags das kritisierte Standardwerk zur Geschichte der NAK seit kurzem nicht mehr erhältlich ist.

Offensichtlich sind hier schmerzhafte blinde Flecken aufzuarbeiten, auf die Kritiker der NAK schonungslos hinweisen. Diese Vorfälle machen einmal mehr auf die Dringlichkeit einer seriösen Geschichtsaufarbeitung aufmerksam.


Michael Utsch