Marihuana für die spirituelle Praxis?
Europäische Anhänger der afro-amerikanischen Rastafari-Bewegung versuchen immer wieder, ihren Marihuana-Konsum als Ausdruck ihrer Religionsausübung zu verteidigen. In Terni in Italien ist nach Zeitungsberichten vor kurzem ein 44-jähriger „Rasta“ zu 16 Monaten Haft verurteilt worden, nachdem 100 Gramm Marihuana bei ihm gefunden worden waren. Die Menge ergibt rund 70 Zigaretten. Das Kassationsgericht hat jedoch das Gerichtsurteil revidiert und dem Mann recht gegeben. Dieser berief sich darauf, dass er als Anhänger des Rastafarianismus in Haile Selassie den direkten Nachkommen des jüdischen Königs Salomo sehe und ihn deshalb als seinen Gott – „Jah“ – verehre. Jah wiederum habe „Ganja“ – Marihuana – als „Kraut des Heils“ bezeichnet und deshalb für die spirituelle Praxis für unverzichtbar erklärt. Somit sei der Genuss von Marihuana ausschließlich religiös motiviert. Wie der 44-Jährige hervorhob, müsse jeder Rasta-Anhänger täglich zehn Gramm rauchen. Im Gegensatz zum Gericht in Terni folgte das Kassationsgericht dieser Argumentationslinie. Rastafari-Anhänger verwenden Marihuana für „meditative Zwecke“, so das oberste Gericht, weshalb die Einnahme legal sei. Doch damit ist keinesfalls das letzte Urteil zu dem angeblich religiös motivierten Marihuana-Genuss in Italien gefällt. Die Sache wurde zurückverwiesen. Nun wird sich das Berufungsgericht in Florenz des Falls annehmen müssen.
In Deutschland hatte bereits im Jahr 2000 der bayerische Liedermacher, Reggae-Musiker und bekennende Rastafari-Anhänger Hans Söllner (Jahrgang 1955) vergeblich auf sein Recht geklagt, als „Rasta“ Marihuana im Rahmen der grundgesetzlich geschützten Religionsausübung rauchen zu dürfen. Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin (seit 2002 in Leipzig) wies diese Klage am 21.12.2000 ab. Eine Ausnahmegenehmigung vom Verbot des Hanf-Anbaus könne nicht mit der Begründung beansprucht werden, der Genuss von Marihuana sei Teil der Religionsausübung, entschieden die Bundesrichter. Das Betäubungsmittelgesetz verbiete generell den Anbau von Cannabis-Pflanzen und lasse eine Erlaubnis ausnahmsweise nur dann zu, wenn der Gebrauch wissenschaftlichen Zwecken oder anderen öffentlichen Interessen diene. Beide Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Für eine abweichende Auslegung im Hinblick auf das Grundrecht der freien Religionsausübung sei kein Raum (Az.: BVerwG 3 C 20.00).
Nach Schätzungen beläuft sich die Zahl der Rastafari-Anhänger weltweit auf 700 000. Die meisten von ihnen finden sich unter den 2,6 Millionen Einwohnern des Karibikstaates Jamaika.
Matthias Pöhlmann