Islam

MAZ - die Muslimische

Ein neues Printmedium sucht Publikum – oder sollte man sagen: Das hessische „Freitagsblatt“ wird „reloaded“? Zum Ramadan 2006 wurde kostenlos die Nullnummer einer 16-seitigen Monatszeitung in Moscheen ausgelegt und auf Veranstaltungen zum Thema Islam verteilt. Die „Muslimische Allgemeine Zeitung“ (MAZ, auch „die Muslimische“), die sich an etwa vier Millionen Muslime in Österreich, Deutschland und der Schweiz wendet, wird herausgegeben vom Wiener „Verein für Integration durch Information“ (InfoGrat) und gesponsert von einer anonymen „Gruppe muslimischer Privatpersonen“ aus den drei Staaten. An Werbung enthält sie bislang nur eine Anzeige der Puan Tour Travel Agency für Mekka-Reisen.

Als Chefredakteur zeichnet Amir Zaidan, der auch Vorstand von InfoGrat ist. Der 1964 geborene Syrer hat sich zum Vordenker des Islam ernannt. Hatte er ursprünglich in Syrien Medizin, dann in Deutschland Mathematik studiert, wandte er sich später der Islamologie zu. 1997 gründete er die „Islamische Religionsgemeinde Hessen“. Durch Auftritte, Bücher, seine Zeitung „Freitagsblatt“, die wegen extremistischer Äußerungen eingestellt wurde, und die Kamel-Fatwa wurde er bekannt. Sie legt fest, dass Frauen nur so weit allein verreisen dürfen, wie eine Kamelkarawane an einem Tag kommt: 81 km; bei größeren Entfernungen muss ein verwandter Mann mitreisen. Die Fatwa wurde u.a. in der Debatte um Klassenfahrten relevant. – Auch in anderen Punkten fiel Zaidan auf. So urteilt Herbert Müller von der Kompetenzgruppe Islamismus beim Verfassungsschutz Baden-Württemberg: „Höflich gesagt, ist Zaidan ein ultraorthodoxer Muslim.“ Um Problemen auszuweichen, verlagerte Zaidan sein Wirken nach Österreich. In Wien fungiert er seit 2003 als Direktor des staatlich finanzierten „Islamischen Religionspädagogischen Instituts“ (IRPI). Da österreichische Islamlehrer jährlich Fortbildungen absolvieren müssen, reicht sein Einfluss weit. Im Wiener Magazin „Falter“ lobte Zaidan die günstigen Bedingungen für seine „Pionierarbeit in Europa“ (Vita und Zitate nach: S. Apfl / W. Luef: Allah und er, Falter 18/3.5.2006).

Die Nullnummer der MAZ weist elf Rubriken auf (Deutschland, Österreich, Schweiz, Europa, International, Wirtschaft, Wissenschaft, Feuilleton, Kultur, Portrait und Islamologisches). Es melden sich acht Autoren zu Wort, wobei Karola Khan, Sekretärin und Dozentin am IRPI, mit vier Beiträgen die Quotenfrau abgibt. Zwei anonyme Artikel („Mut zur Erziehung! WAQF“ und „Lexikon: Islam“) stammen wohl aus Zaidans Repertoire. Österreich erntet G. Demirs Lob als „Erfolgsmodell“, und Zaidan verteidigt Mozarts „Idomeneo“ gegen eine „Germanisierung gleich Vulgarisierung“. F. Daris und O. Grossen-Hazil zeigen der Schweiz die rote Karte für ihre Asyl- und Ausländerpolitik („Schweiz am Pranger“) bzw. die „Toiletten zur Integrationssteigerung“. Kein gutes Haar lässt M. Alman an Schäubles Islamkonferenz: „Suche nach Konsens oder verstärkter Anpassungsdruck?“ moniert die Zusammensetzung von „26 staatlichen, liberalen, säkularen und nicht-muslimischen Repräsentanten“ gegenüber vier echten Muslimen sowie die „einseitig festgelegte Thematik“. Khan polemisiert gegen den Berliner Integrationsgipfel als „Ignoranzgipfel“ und die Regensburger Papstrede oder verlangt Respekt fürs Kopftuch. Walters Interviewpartner M. Tatari von „Halal Control“, einer Prüfstelle für islamgemäße Produkte, bedauert das Fehlen solcher Ware in Deutschland, was angesichts der vielen muslimischen Geschäftsinhaber zumindest in Ballungszentren doch überrascht. So viel zum Inhalt. Der Kurs der MAZ lässt sich ahnen.

Man verspricht Information und druckt Meinungen in anklagend-aggressiver Weise. Was die europäische Gesellschaft den Muslimen anbietet, gilt als Diskriminierung. Liberale Muslime werden abgelehnt, während man selbst genau weiß, was „islam-konform“ bedeutet oder was ein „Normalo-Muslim“ ist und isst. Im MAZ-Editorial fragt Zaidan nach der Tendenz europäischer Medien: „Was ist Realität, was ist Fiktion, was ist schlicht falsch, was ist verzerrt, was erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung, was ist einfach nur niveaulos dumm und was ist bösartig hasserfüllt?“ Die Fragen erweisen sich als der bislang beste Teil des Produkts. Sie sollten in der Redaktion auf die MAZ hin reflektiert werden. Wird das Blatt weiter in Moscheen vertrieben, so verbessern sich vielleicht die Sprachkenntnisse mancher Muslime, während diese weiter in geistige wie soziale Isolation, Fundamentalismus und Bunkerstimmung getrieben werden.

Redaktionsadresse, Herausgeber und Verleger: InfoGrat e.V. Fuhrmannsg. 12/2, A-1080 Wien; Die MAZ soll in Österreich 1,- €, in Deutschland 1,20 €, in der Schweiz 2,50 Fr kosten.


Angelika Koller, München