Kai Funkschmidt

Nach Einführung der Frauenordination: Schisma in der Neuapostolischen Kirche in Afrika

Innerhalb der Neuapostolischen Kirche (NAK) ist es nach der jüngst erfolgten Einführung der Frauenordination durch die Apostelversammlung zu einer Abspaltung in der Kirche in Afrika gekommen. Das berichtet das Netzwerk Apostolische Geschichte (vgl. MdEZW 11/2013, 424 – 427) in seinem Rundbrief 4/2022. Von Protesten gegen die Entscheidung sind offenbar vor allem Sambia und die Demokratische Republik Kongo betroffen. In Sambia erklärten die dortigen Apostel und Bischöfe, sie würden den Beschluss zur Frauenordination vorläufig nicht umsetzen – eine Möglichkeit, die bei der Einführung der neuen Praxis ausdrücklich eingeräumt wurde, um die erwarteten Spannungen zu vermindern. Im Kongo waren die Proteste grundsätzlicher. Auf YouTube finden sich eine Reihe von Videos wütender Demonstranten, die zum Beispiel am Gebäude der Kirchenverwaltung in Kinshasa Reifen verbrennen. In einem anderen Video muss sich der Bezirksapostel Michael Deppner, abgeschirmt durch eine Gruppe junger Männer, den Weg durch eine aufgebrachte Menschenmenge bahnen und unter tumultartigen Szenen aus einer Kirche in Sicherheit gebracht werden. Die Apostel anderer NAK-Provinzen in der DR Kongo kritisierten auf YouTube die gewaltsamen Proteste und riefen die Gläubigen zur Einheit und zur Annahme der Frauenordination auf.

Die Kritik an der Entscheidung ist denkbar einfach gestrickt. Die Frauenordination sei nicht biblisch, weil ihr zahlreiche neutestamentliche Aussagen entgegenstünden. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den detaillierten Ausführungen des Stammapostels Jean-Luc Schneider zur Begründung der Entscheidung ist freilich nirgends zu erkennen. Die von Schneider vorgebrachten (aus protestantischer Sicht eigentlich wenig revolutionären) exegetischen Argumente werden eher als satanisch inspirierte Verzerrungen einer offen zutage liegenden Wahrheit gesehen. „Theologie“ gilt hierbei als trickreiches Herauslavieren aus dem biblischen Befund – eine Skepsis gegenüber akademischer Theologie, die in der NAK bis vor wenigen Jahrzehnten Allgemeingut war.

Eine wesentliche Rolle scheint die Befürchtung zu spielen, der jetzt eingeschlagene Weg sei nur der Anfang viel weitreichenderer Reformen. Die Frauenordination sei nämlich nur der erste Schritt, darauf folgten sicher irgendwann die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und die Ordination homosexueller Amtsträger. Dieser Spekulation traten verschiedene NAK-Leitungsebenen entgegen und erklärten, an einen solchen Schritt sei nicht gedacht. Den Kritikern stehen hier vermutlich die Beispiele protestantischer Kirchen vor Augen, die in den letzten Jahrzehnten sukzessive entsprechende Entscheidungen von der Frauenordination über homosexuelle Amtsträger bis zu Segnungen homosexueller Paare getroffen haben. Die daraus folgenden Spannungen und Spaltungen in verschiedenen weltweiten Konfessionsfamilien (Anglikaner, Reformierte, Herrnhuter, Methodisten, Lutheraner usw.) trennen oft westliche und afrikanische Kirchen (in deren Ländern Homosexualität zum Teil strafbar ist). Diese schmerzhaften Diskussionen in anderen Kirchen sind natürlich auch in der afrikanischen NAK bekannt und verleihen den in diese Richtung gehenden Befürchtungen eine gewisse Plausibilität – zumal auch dort die westlich-progressiven Kirchen den Takt vorgaben und die (wie in der NAK) zahlenmäßig stärkeren konservativeren afrikanischen Geschwister folgten.

Im Zuge der Proteste distanzierte sich am 26. Oktober 2022 der Apostel Christophe Kabongo Kantu vom Stammapostel und seiner „unbiblischen Lehre“ und rief in Kinshasa die Gründung der Église Néo-Apostolique Authentique aus – eine offene Kampfansage an die zentrale Autorität der Neuapostolischen Kirche, der gegenüber jeder neuapostolische Christ – und Kantu als Apostel in besonderem Maße – zu Loyalität verpflichtet ist. Daraufhin wurde Kantu vom Stammapostel für aus der NAK ausgeschlossen erklärt. Der erste Gottesdienst der neuen Kirche fand zwei Tage später in einem Stadion mit nach eigenen Angaben ca. 12.000 Gläubigen statt. Die Abspaltung schaut sich jetzt nach Gottesdienststätten um und versucht sich zu internationalisieren. Ob die Ablehnung der Frauenordination als einzige eigene Lehre ausreichen wird, um ein selbständiges Dasein der Kirche zu begründen, bleibt abzuwarten. Die Zugriffszahlen auf die diversen Videos, in denen Kantu seine Ideen darlegt, liegen bis heute im Bereich von einigen Hundert bis etwas über tausend.

Betrachtet man die an Trennungen reiche Geschichte der Neuapostolischen Kirche, die vor allem in Europa zu einer Vielzahl bis heute bestehender apostolischer Splittergruppen führte, so gehört die jetzige Abspaltung bislang eher zu den kleineren Fußnoten. Die Mehrheit der afrikanischen neuapostolischen Gläubigen scheint den Schwestern den Zugang zum Amt jedenfalls nicht verwehren zu wollen. Vielleicht hat man ja bei den Pastorinnen der protestantischen Kirchen gesehen, dass zu Ängsten kein Anlass besteht, sondern sich diese Entwicklung dort als durchaus segensreich erwiesen hat?


Kai Funkschmidt, 05.01.2023

 

Quellen

Proteste in Kinshasa: www.youtube.com/watch?v=xoSh_HQV68Q.

Deklaration der Gründung der Église Néo-Apostolique Authentique: www.youtube.com/watch?v=xR7S6J6z2wI.

Adresse de l’apôtre Christophe Kabongo Kantu sur l’authenticité de l’évangile: www.youtube.com/watch?v=yMWh1NewT5Q.

Erster Gottesdienst der neuen Kirche: www.youtube.com/watch?v=IfB7iBGUNVM.