Neuapostolische Kirche

NAK untersagt Veröffentlichung einer Zeitzeugenstudie zur Bischoff-Botschaft

Erneut sorgt die „Botschaft“ des Stammapostels Johann Gottfried Bischoff für Ärger in der Neuapostolischen Kirche (NAK). Es scheint, dass die Kirche im Umgang mit der Vergangenheit wieder in überholt geglaubte Reflexe von Schweigen und Drohungen verfällt: Derzeit versucht sie, die Publikation einer von ihr selbst in Auftrag gegebenen Studie zu verhindern.

Im Juli 2012 hatte die NAK die Historikerin Almut Leh (Fernuniversität Hagen), Expertin für Mentalitätsgeschichte und Oral History, mit einer wissenschaftlichen Studie zu den Kirchenausschlüssen und Spaltungen im Umfeld von Stammapostel Bischoffs Parusie-Botschaft von 1950 beauftragt. Diese befragte als Zeitzeugen jeweils zehn Mitglieder der NAK und der damals abgespaltenen Apostolischen Gemeinschaft (bzw. „Vereinigung Apostolischer Gemeinden“, VAG). Seltsam mutete bereits zu Beginn an, dass die NAK sich vertraglich eine inhaltliche Einflussnahme auf das Endergebnis sichern wollte. Das lehnte die Wissenschaftlerin aber ab, worauf dieser Passus aus dem Vertrag gestrichen wurde. Als nun die fertige Studie vorlag, erklärte die NAK plötzlich, man werde diese nicht veröffentlichen und auch eine Veröffentlichung von anderer Seite nicht genehmigen. Aufgrund des geschlossenen Vertrages habe man als Auftraggeberin und Financier das alleinige Recht zu entscheiden, was mit den Ergebnissen geschehen solle. Die Historikerin war mit diesem Ausgang einer mehrjährigen Forschungsarbeit naturgemäß unzufrieden, aber einem Rechtsstreit abgeneigt. So versuchte sie als Kompromiss, wenigstens die Erlaubnis zu bekommen, ihre Ergebnisse an die zwanzig befragten Zeitzeugen weitergeben zu dürfen, was sie zugesagt hatte und was eigentlich selbstverständliche Praxis wäre. Doch untersagte die NAK ihr auch dies und verlangte sogar eine entsprechende Unterlassungserklärung. Dieser rüde Ton im Umgang mit einer von der NAK selbst beauftragten neutralen Wissenschaftlerin wird nicht nur innerhalb der NAK als höchst befremdlich wahrgenommen.

Dabei geht es der NAK, wie sie sagt, gar nicht um die inhaltlichen Ergebnisse. Vielmehr, so die offizielle Erklärung für das Vorgehen, habe inzwischen eine Versöhnung zwischen NAK und VAG stattgefunden (vgl. MD 1/2015, 27ff), und nun wolle man diesen Moment auskosten, ohne weiter an die alten Geschichten und Verletzungen zu rühren. Allerdings ruft das jetzige neuapostolische Vorgehen viel eher neue Verletzungen hervor, ja, es ist geradezu ein Schlag ins Gesicht der VAG und der beteiligten Zeitzeugen. Noch in der Versöhnungserklärung vom November 2014 hatten NAK und VAG abschließend explizit vereinbart: „Die Apostolische Gemeinschaft und die Neuapostolische Kirche bekunden ihren Willen, die Geschichtsaufarbeitung weiter voranzutreiben.“ Nun bricht die NAK schon nach wenigen Monaten an diesem prominenten Eckpunkt der Versöhnungserklärung ihr Wort. Schon 2007 hatte eine einseitig-neuapostolische Geschichtsdarstellung zu einem Gesprächsabbruch zwischen NAK und VAG geführt. Auch wenn das diesmal noch nicht droht, werden die Ereignisse den Zweiflern an der grundsätzlichen Ökumenefähigkeit der NAK wieder Aufwind geben. Wie echt sind die Entschuldigungen der NAK, und wie viel vom alten Geist der Kontrolle und des Einheitsdenkens ist hinter den Kulissen noch lebendig und kann jederzeit wieder hervorbrechen? Die Studie von 2007 hatte zu einem innerkirchlichen Proteststurm in der NAK und zur Gründung eines kirchenleitungsunabhängigen apostolisch-ökumenischen „Netzwerks Apostolische Geschichte“ durch junge Mitglieder verschiedener apostolischer Kirchen geführt. Auch jetzt tauchten innerhalb weniger Tage Internet-Petitionen von NAK-Mitgliedern auf, in denen die Kirche dazu aufgefordert wird, die Studie zu veröffentlichen. Der neuapostolische Journalist Michael Koch (glaubenskultur.de) titelte in Anspielung auf die juristischen Drohgebärden sogar: „NAK machte Historikern Angst“.

Man muss hoffen, dass die NAK ein Einsehen haben und ihre falsche Entscheidung revidieren wird. Denn der Fall macht andererseits auch deutlich, dass zwar in den oberen Etagen alte Reflexe bisweilen noch lebendig sind, aber gegen ein sich emanzipierendes und Mitsprache forderndes Kirchenvolk nur noch schwer widerspruchslos durchgesetzt werden können.


Kai Funkschmidt