Neuapostolische Kirche wird in die ACK Deutschland aufgenommen
Neuapostolische Kirche wird in die ACK Deutschland aufgenommen. (Letzter Bericht: 11/2018, 434f) Wenn am 2./3. April 2019 in Hofgeismar die diesjährige Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) tagt, wird sie die Neuapostolische Kirche (NAK) als ihr neuntes Gastmitglied aufnehmen. Dieser Schritt war im letzten Jahr von den 50 Delegierten einstimmig empfohlen worden, und im Laufe des Jahres stimmte die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit der Kirchenleitungen aller 17 Mitgliedskirchen zu. Mit der ACK-Aufnahme kommt ein fast 20 Jahre währender Prozess der Annäherung und theologischer Lehrgespräche zum Abschluss. Die deutsche ACK vollzieht damit nach, was die Ökumenischen Kirchenräte der Niederlande und der Schweiz schon vor Jahren mit weit kürzerer Vorlaufzeit geschafft hatten.
Die NAK hatte im 19. Jahrhundert als ökumenisch ausgerichtete Reformbewegung begonnen, entwickelte aber im Laufe des 20. Jahrhunderts ein sehr exklusivistisches Selbstverständnis und manövrierte sich zunehmend in eine fast totale Isolation von anderen Kirchen. Sie war zwar frei von Polemik gegen andere Kirchen, doch gerade gegenüber den Großkirchen entstanden nicht zuletzt dadurch Spannungen, dass ihr rapides Wachstum jahrzehntelang überwiegend durch Konversion gläubiger evangelischer und katholischer Christen geschah. Erst Mitte der 1990er Jahre setzte ein Öffnungsprozess ein, der zur Voraussetzung für die jetzige ACK-Aufnahme wurde. 1999 schuf das NAK-Kirchenoberhaupt Stammapostel Richard Fehr zum einen eine Arbeitsgruppe für Ökumenekontakte und leitete zum anderen eine Überarbeitung der NAK-Lehrgrundlagen ein. Als dogmatische Basis diente der 150 Jahre alten Kirche mit 500 000 Mitgliedern nur ein jahrzehntelang unverändertes, schmales Heftchen mit dem Titel „Fragen und Antworten“.
Das erste sichtbare Wirken der Ökumene-AG war der Beginn offizieller Gespräche mit der ACK auf regionaler Ebene, die ab 2001 in Baden-Württemberg stattfanden. Die württembergische Weltanschauungsbeauftragte Annette Kick, die damals schon bei den Gesprächen dabei war, erinnert sich, dass es sehr schnell zu einem menschlich unkomplizierten Miteinander kam: „Sektiererische Abgrenzung in der direkten Begegnung oder etwas dieser Art war eigentlich schon damals nicht zu spüren. Aber in der Lehre war die NAK doch sehr exklusivistisch. Es war den Gesprächspartnern nur schwer zu vermitteln, wie groß für uns das Problem mit dem lehrmäßigen Exklusivismus war, trotz oder gerade auch angesichts der ansonsten so offenen Begegnung.“
2006 verkündete der neue Stammapostel Wilhelm Leber bedeutende Lehrveränderungen, unter anderem die Anerkennung der Taufen anderer Kirchen und eine Relativierung des Exklusivismus. Dieser sogenannte „Info-Abend von Uster“ (Schweiz) wurde von den Reformkräften innerhalb der NAK als bahnbrechende Zäsur wahrgenommen. Die Entwicklung erleichterte die ökumenischen Kontakte erheblich, sodass schon kurz danach in Memmingen die erste NAK-Gemeinde in eine lokale ACK aufgenommen wurde. Heute sind an die 150 NAK-Gemeinden in knapp 60 lokalen ACKs als Voll- oder Gastmitglieder aktiv und werden dort, so ergab eine deutschlandweite Auswertung vor einigen Jahren, durchweg als Bereicherung erlebt. Außerdem ist die NAK in acht regionalen ACKs vertreten.
Ein weiterer Meilenstein war 2012 die Veröffentlichung des „Katechismus“ der NAK, der das Heftchen „Fragen und Antworten“ ersetzte und weniger ein Katechismus als eine Grundlagendogmatik der NAK-Lehre ist. Hierin wurden zahlreiche Theologumena ökumenisch anschlussfähig formuliert und die Basis für die weitere ökumenische Einbindung der Kirche gelegt.
2015 veröffentlichten ACK und NAK gemeinsam eine Handreichung zum gegenseitigen Verhältnis und praktischen Fragen (gegenseitiges Gastrecht in Kirchengebäuden, konfessionsverschiedene Ehen usw.).
Im Laufe der Jahre fanden eine ganze Reihe theologischer Studientagungen und theologischer Gesprächsreihen mit der NAK statt, in denen auch die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, das Zentrum Ökumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Frankfurt, das Konfessionskundliche Institut Bensheim und das Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik involviert waren.
In diesem „sehr breit angelegten Diskussions- und Kommunikationsprozess, den wir auf allen Ebenen der ACK durchgeführt haben“, sieht denn auch Marc Witzenbacher von der ACK-Geschäftsstelle in Frankfurt auf Nachfrage die Gründe für das langwierige Aufnahmeverfahren. „Um möglichst alle Mitgliedskirchen in dem Prozess mitzunehmen und sie einzubinden, haben wir noch die eine oder andere Schleife mehr gedreht. Insgesamt haben wir so aber eine sehr fundierte theologische Auseinandersetzung geführt, an deren Ende große Zustimmung und Akzeptanz stehen.“
Die NAK-Vertreter äußerten sich zwar im Verlauf der Beratung gelegentlich ratlos, weil ihnen nicht immer ganz klar schien, was von ihnen noch erwartet wurde, um als „ökumenetauglich“ zu gelten, ohne die eigene Identität aufzugeben. Aber im Rückblick sieht man die Gründe dafür vor allem in der eigenen Geschichte, wie der langjährige Vorsitzende der neuapostolischen Ökumene-AG, Apostel Volker Kühnle, im Gespräch erklärt. Die Außenwahrnehmung sei nachhaltig durch das frühere Wachstum auf Kosten anderer Kirchen und eine Heilslehre, die auf andere Christen ausschließend wirkte, geprägt worden. Das zu überwinden, brauchte offenbar Zeit: „Die vielen Begegnungen und Gespräche haben einerseits geholfen, bestehende Unsicherheiten und Vorbehalte aus ‚alter Zeit‘ zu überwinden. Andererseits förderte das intensive Aufeinander-Hören und Miteinander-Lernen das wechselseitige Verständnis für Sonderlehren und unterschiedliche Frömmigkeitsformen. Für diesen Lernprozess können wir nur dankbar sein!“
Etwas skeptischer blickt die württembergische Verhandlungspartnerin Annette Kick zurück: „Trotz des langen Gesprächsprozesses und einiger Lehrveränderungen ist die NAK im Kern doch bei ihrem exklusiven Selbstverständnis geblieben. Da hätte ich mir aus ökumenischer Sicht nach den Fortschritten der ersten Jahre doch etwas mehr erhofft.“
Einig sind sich alle Beobachter und Beteiligten darüber, dass die ACK-Aufnahme ein zwar wichtiger, aber letztlich nur formaler Schritt ist. Entscheidend sei, was nun ökumenisch passieren und getan werden solle. Die bisherigen Erfahrungen mit der NAK in ACK-Strukturen lassen hoffen, dass sie, obwohl fast alle Amtsträger berufstätige Laien sind, ein eher aktives und engagiertes ACK-Mitglied sein wird.
Kai Funkschmidt