Neuer Katechismus lässt weiter auf sich warten
(Letzter Bericht 6/2010, 227ff) Schon 1992 äußerte der damalige Stammapostel der Neuapostolischen Kirche (NAK), Richard Fehr, die Hoffnung, dass anstelle einer Überarbeitung einzelner Inhalte des veralteten Lehrbuchs „Fragen und Antworten über den neuapostolischen Glauben“ bald eine systematische Neubearbeitung der Glaubenslehre vorgelegt werden könne. Das Projekt erwies sich jedoch als komplex, so dass 1995 eine weitere „Änderungsmitteilung“ von „Fragen und Antworten“ in Form eines 16-seitigen Einlageblattes erschien. Später verzichtete man auf die Publikation von Änderungsmitteilungen. Weitere „Präzisierungen“ oder „Anpassungen“ der Glaubenslehre erfolgten durch „offizielle Verlautbarungen“, die auf der Internetseite der NAK publiziert wurden.
Am 6. Juni 2010 informierte nun Stammapostel Wilhelm Leber in einem Brief, der allen Besuchern der Gottesdienste vorgelesen wurde, über eine „Änderung der Glaubensartikel“. Bei der Erarbeitung der Katechismusinhalte sei es nötig geworden, die Glaubensartikel zu präzisieren. Nachdem der neue Katechismus zunächst für 2008, später für 2010 in Aussicht gestellt worden war, wurde nun als neues Datum „frühestens Ende 2012“ genannt. Vergleicht man die neue Fassung der Glaubensartikel mit dem alten Glaubensbekenntnis, muss man genau hinschauen, um Änderungen festzustellen. Einzig im 6. Artikel zum Taufverständnis ist eine substanzielle Änderung vorgenommen worden, um die Stellungnahme vom ersten Informationsabend (Uster 2006) in die Glaubenslehre einzubinden. Ansonsten sind nur sprachliche Glättungen erkennbar. Die aufwändige Inszenierung einer „Änderung der Glaubensartikel“ sollte vielleicht eher dazu dienen, das nervöse Warten auf den neuen Katechismus an der Basis zu beruhigen. Eilig wurde am 8. Juni in einer Pressemitteilung nachgeschoben, dass „die inhaltlichen Arbeiten am Katechismus im Frühsommer 2010 abgeschlossen sein werden“.
Aber warum verzögert sich die Herausgabe des Gesamtwerks so unverhältnismäßig lange? Peter Johanning, Sprecher der NAK, nannte als Grund die Übersetzungsproblematik, die eine große Herausforderung bedeute und eine „ziemlich lange Zeit“ beanspruchen werde. Allen Gläubigen der weltweiten Kirche zeitgleich den neuen Katechismus in ihrer Muttersprache zugänglich zu machen, ist ein ambitioniertes Ziel. Dennoch wirkt die Entschuldigung wie eine Ausrede. Warum verfährt man nicht wie bei der Mitgliederzeitschrift „Unsere Familie“? Die Hauptausgabe erscheint 14-tägig in deutscher, englischer, französischer und niederländischer Sprache. Zusätzlich wird eine Ausgabe pro Monat ins Spanische, Portugiesische und Russische übersetzt. Kürzere Ausgaben erscheinen in 15 weiteren Sprachen.
Für die Verzögerung scheinen eher ungelöste Konflikte zwischen reformwilligen und der Tradition verpflichteten Kräften verantwortlich zu sein. Immerhin wurde auf der Bezirksapostelversammlung im März 2010 in Dortmund schon einmal 18 Bezirksaposteln und 11 Bezirksapostelhelfern „Einführungsstrategien“ in den neuen Katechismus vermittelt. Auf der dreitägigen Apostelversammlung betonte Leber, wie enorm wichtig es ihm sei, die „Inhalte des Katechismus sorgfältig in die Gemeinden zu tragen, auch wenn dies einen längeren Prozess darstelle“ (Unsere Familie 11/2010, 35). Die Kirchenleitung will offensichtlich schrittweise vorgehen, um den Bogen zwischen orthodoxem und liberalem Lager nicht zu überspannen. Dazu gibt es eine neue Taktik. Es soll in „Unsere Familie“ in Kürze eine Artikelserie zur Thematik starten. Außerdem sind Schulungsangebote für Amts- und Funktionsträger geplant.
Diese Vorgehensweise hat vor allem einen Effekt: Es wird Zeit gewonnen, was dringend geboten scheint, um dogmatische Unstimmigkeiten zu glätten. Die Verzögerungstaktik mit schrittweisen Änderungen könnte jedoch die Geduld mancher Reformwilliger überstrapazieren – zumal wenn sich die „Änderungen“ im Wesentlichen als Umschreibungen altbekannter Dogmen entpuppen.
Michael Utsch