Neues aus dem US-amerikanischen Amt für Internationale Religionsfreiheit
Am 28. Juli 2014 ließ das dem US-Außenministerium unterstellte Amt für Internationale Religionsfreiheit gleich zwei wichtige Neuigkeiten verlauten: Der „International Religious Freedom Report“ für das Jahr 2013 wurde vorgestellt, und die Nominierung des Rabbiners David Saperstein für den Posten des Botschafters für Internationale Religionsfreiheit wurde bekannt gegeben.
Die hierzulande wenig beachtete Behörde war aus dem „International Religious Freedom Act“ (IRFA) von 1998 hervorgegangen. Ziel dieses Gesetzes war und ist, den weltweiten Einsatz für Religionsfreiheit als zentrales Element der US-Außenpolitik zu verankern. In diesem Sinne soll Religionsfreiheit einerseits aktiv gefördert und andererseits ihre Verletzung sanktioniert werden.
Einen wesentlichen Teil der Arbeit dieses Amtes macht die jährliche Herausgabe eines Berichts zur Lage der Religionsfreiheit in allen Staaten der Welt – ausgenommen einzig die USA selbst – aus (alle Jahrgänge ab 2001 zugänglich unter www.state.gov/j/drl/rls/irf ). Darin enthalten sind jeweils eine kurze Länderkunde, der rechtliche Rahmen für Religionsfreiheit und die Agenda der betreffenden Regierung, konkrete Verletzungen und Verbesserungen sowie (hauptsächlich diplomatische) Maßnahmen der US-Regierung. Seit der ersten Ausgabe 1999 gab es hinsichtlich Struktur und Inhalt der Berichte eine begrüßenswerte Entwicklung: Die anfangs eher an Stichworten orientierte Auflistung ist zu einer in weiten Teilen zusammenhängenden, differenzierteren Darstellung geworden, die das Problem mangelnder Religionsfreiheit zunehmend in einen allgemeinen Kontext von Demokratisierung und Menschenrechten stellt. In diesem Zusammenhang erfährt seit einigen Jahren insbesondere zivilgesellschaftliches Engagement (und gegebenenfalls dessen Unterdrückung) in den einzelnen Ländern stärkere Beachtung.
Deutschland schneidet in den Berichten seit jeher gut ab. Die Bundesregierung erhält auch für das Jahr 2013 wieder das Prädikat, dass sie Religionsfreiheit „grundsätzlich respektiere“. Das klingt nur bedingt schmeichelhaft, ist allerdings das bestmögliche Urteil. Kritik gibt es erneut vor allem für rechtsextreme Übergriffe, den Umgang mit Scientology und – man höre und staune – die Praxis der „Sektenbeauftragten“ (sect commissioners) der großen Kirchen. Ebenso wenig wie die Bezeichnung entspricht es dem gegenwärtigen Stand, wie die US-Behörde kirchliche Weltanschauungsarbeit wahrnimmt. Demnach bestünde diese hauptsächlich darin, vor „angeblichen Gefahren von Sekten“ zu warnen und sie „unvorteilhaft“ darzustellen.
Von ernsthafter Bedeutung für die US-Politik sind jedoch ohnehin lediglich die sogenannten „Countries of Particular Concern“ (CPCs), die durch dauerhafte und systematische schwere Verletzungen der Religionsfreiheit auffallen. Es handelt sich dabei aktuell um China, Eritrea, Iran, Myanmar, Nordkorea, Saudi-Arabien, Sudan, Usbekistan und seit 2013 Turkmenistan. Theoretisch ist die US-Regierung verpflichtet, Strafmaßnahmen gegen diese Staaten zu verhängen. Allerdings erlischt dieser Zwang, wenn gegenüber dem betreffenden Staat bereits aus anderen Gründen Sanktionen bestehen („Double Hat“-Prinzip), was etwa auf Nordkorea zutrifft. Darüber hinaus kann der US-Präsident bzw. der Außenminister auf solche Maßnahmen verzichten, wenn das nationalen Interessen der Vereinigten Staaten und/oder dem „Anliegen“ des IRFA zugute komme. So wird es etwa im Blick auf Saudi-Arabien seit dessen Bestimmung zum CPC (erst) im Jahr 2004 gehandhabt.
Damit ist bereits ein wesentlicher Kritikpunkt an der Umsetzung des IRFA angesprochen: Die Vereinigten Staaten würden entgegen ihrem eigenen Anspruch auch angesichts schwerster Verletzungen der Religionsfreiheit nur als „crying wolf“ auftreten. Für schwerwiegende Konsequenzen sei die Religionsfreiheit auf internationaler Ebene noch immer nicht gegen andere, „harte“ Interessen, vor allem im wirtschaftlichen und militärischen Bereich, durchsetzungsfähig. Ein anderer Vorwurf betrifft die mangelnde Kultursensibilität der US-Verantwortlichen, die vom spezifisch US-amerikanischen Verständnis von „Religion“ und „Religionsfreiheit“ ausgingen, wonach Religion in erster Linie eine Angelegenheit privaten Glaubens sei. Das führe dazu, dass Formen öffentlicher und mitunter politischer Religion, wie sie vor allem die islamische Welt kennt, nicht angemessen einbezogen würden.
Zumindest mit Blick auf das letztgenannte Problem hat es m. E. im Laufe der letzten Jahre einen Bewusstseinswandel seitens der US-Behörden gegeben. Möglicherweise kann ein weiterer Impuls in diese Richtung davon ausgehen, dass mit Rabbi David Saperstein erstmals ein Anhänger einer anderen Tradition als der christlichen zum Botschafter für Internationale Religionsfreiheit designiert worden ist. Zugute kommt dem Leiter einer der wichtigsten Reformgemeinden in den USA und langjährigen Vorreiter für interreligiösen Dialog und Religionsfreiheit nicht zuletzt sein hohes internationales Ansehen. Ob es allerdings infolge dieser Personalie zu einem entschiedeneren, konkreten Einsatz der US-Regierung für weltweite Religionsfreiheit kommt, ist äußerst zweifelhaft.
Tom Bioly, Leipzig