Neuveröffentlichungen zu Verschwörungserzählungen

Spätestens mit Beginn der Corona-Pandemie 2020 haben Verschwörungserzählungen zunehmend AnhängerInnen weit über das rechte Spektrum hinaus gefunden. Nicht zuletzt durch den Sturm auf das Capitol in Washington D. C. am 6. Januar 2021 rückten dabei die QAnon-Mythen ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Eine neue Untersuchung, die am 9. August 2021 vom American Jewish Committee Berlin (AJC) im Rahmen einer Pressekonferenz mit Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau und Benjamin Strasser MdB vorgestellt wurde, zeigt auf, wie aktuelle Verschwörungstheorien nach wie vor mit altem antisemitischem Gedankengut unterfüttert sind und mit tagesaktuellen Themen, wie derzeit der Corona-Pandemie, verbunden werden. Der Untersuchung mit dem Titel „Antisemitische Verschwörungsmythen in Zeiten der Coronapandemie: Das Beispiel QAnon“, welche vom Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) durchgeführt wurde, ging es im Speziellen um die derzeitige Bedeutung der QAnon-Verschwörungsmythen und die Frage, wie die darin enthaltenen antisemitischen Aussagen durch die Pandemie in ihrer Verbreitung begünstigt wurden. Rias erfasste 561 antisemitische Vorfälle mit Bezug zu Corona im Zeitraum von März 2020 bis März 2021. In mehr als der Hälfte aller Vorfälle ging es um antisemitische Äußerungen, die während Demonstrationen und Veranstaltungen gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie stattgefunden haben.

Der Direktor des AJC, Remko Leemhuis, warnte deswegen explizit vor einer Verharmlosung von Verschwörungstheorien, auch wenn sie vielen Menschen abstrus erscheinen. Zwar seien die antisemitischen Äußerungen auf den sogenannten „Hygiene-Demonstrationen“ hauptsächlich von rechtsextremen Kräften ausgegangen, die große Zahl an DemonstrantInnen jenseits dieses Spektrums habe sich jedoch nicht daran gestört, neben solchen Akteuren mitzulaufen:

„Wir können nur eindringlich davor warnen, dieses Protestgeschehen und seine Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu unterschätzen. Die Attentäter von Halle und Hanau wie auch der Mörder von Walter Lübcke haben ebenfalls Verschwörungsmythen angehangen, wie sie seit Pandemiebeginn auf den sogenannten Hygienedemonstrationen oder im virtuellen Raum von den Protagonistinnen und Protagonisten geäußert wurden.“1

Bundesweit vermerken auch die kirchlichen und staatlichen Beratungsstellen zunehmend Anfragen zu Verschwörungserzählungen und -theoretikerInnen, insbesondere von besorgten Familienmitgliedern und Bekannten, die sich über die jeweiligen Theorien informieren wollen und im Umgang mit radikalisierten Mitgliedern Hilfe suchen. Aus diesem Grund gibt es momentan einige Publikationen von Beratungsstellen, die hilfreiche Informationen liefern wollen. So veröffentlichte die Vereinigte-Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) in ihrer Reihe „Texte aus der VELKD“ den Text Verschwörungsmythen und Verschwörungsglaube (2021), um über die Inhalte und die Bedeutung von Verschwörungserzählungen zu informieren.2

Zum Umgang mit AnhängerInnen von Verschwörungstheorien im Familien- und Bekanntenkreis hat zudem Sarah Pohl von der Zentralen Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen BW (ZEBRA BW) zuletzt den praktischen Ratgeber „Alles Spinner oder was?“ veröffentlicht.  Die breit aufgestellte Bearbeitung des Themas von wissenschaftlicher, kirchlicher wie auch staatlicher Seite zeigt, für wie wichtig es gehalten wird.


Claudia Jetter, 01.09.2021

 

Anmerkungen

1  Siehe Pressemitteilung des American Jewish Committee Berlin, https://ajcgermany.org/de/kommentar/pressemitteilung-das-american-jewish-committee-berlin-veroeffentlicht-die-untersuchung (Abruf: 9.8.2021).

2  www.velkd.de/publikationen/texte-aus-der-velkd.php?publikation=554&kategorie=22 (Abruf: 10.8.2021).