Oberhaupt der Eziden gestorben
(Letzter Bericht: 7/2018, 266f) Das weltliche Oberhaupt der Eziden (Jesiden), Mir Tahsin Said Ali Beg, ist am 28. Januar 2019 nach langer Krankheit im Alter von 86 Jahren in Hannover gestorben (vgl. www.zentralrat-eziden.com/archiv/1378). Nach einer Trauerfeier in Hannover wurde er in seine Heimat im Nordirak überführt und dort bestattet. Das weltliche Oberhaupt steht bei den Eziden neben dem religiösen Führer, dem Baba Scheich, und vertritt die kurdischsprachige Volks- und Religionsgemeinschaft in politischen Belangen, setzt sich für die Einheit der Eziden ein und angesichts der katastrophalen Erfahrungen von Verfolgung und Vertreibung insbesondere für deren schieres Überleben.
Der 1933 im Nordirak/Kurdistan geborene Tahsin Beg war noch ein Kind, als er die Nachfolge seines Vaters nach dessen Tod 1944 antrat. „Kein Ereignis hat ihn so gefordert wie der im August 2014 durch den Islamischen Staat begangene Völkermord an den Êzîden im Shingal(Sinjar)-Gebiet“, schreibt der Zentralrat der Êzîden (ZÊD) in seinem Nachruf. Der IS eroberte die irakischen Gebiete der Eziden, tötete Tausende Angehörige der Religionsgemeinschaft und versklavte Tausende Frauen und Kinder. Zu dem Zeitpunkt war Tahsin Beg schon 70 Jahre der Mir (zu Deutsch „Prinz“) und kaum mehr in der Lage, nachhaltig in das Geschehen einzugreifen. 2015 hatten er und der Baba Scheich eine Audienz bei Papst Franziskus, um auf die Not der Eziden aufmerksam zu machen.
Tahsin Beg setzte sich dafür ein, dass die aus der Versklavung durch den Islamischen Staat befreiten, aber aufgrund der sexuellen Misshandlungen eigentlich ausgestoßenen ezidischen Frauen und Mädchen wieder in die Glaubensgemeinschaft aufgenommen werden konnten.
Mir Tahsin selbst überlebte mehrere Attentate, teils schwer verletzt, ging mehrfach ins Exil, vor allem nach Deutschland, und hielt sich seit gut zehn Jahren dauerhaft in Deutschland auf. Aufgrund seines Alters und Gesundheitszustandes übertrug er vor einigen Jahren die Verantwortung seinem Sohn Hazim Beg. Es ist allerdings laut Presseberichten noch nicht sicher, wie es weitergeht, da der Mir erwogen hatte, das Amt nicht auf traditionelle Weise erblich fortführen zu lassen, sondern parlamentarische Wahlen einzuführen. Darüber muss nun der Religionsrat in Lalisch, dem Ort des zentralen Heiligtums im Nordirak, entscheiden.
In jedem Fall stellen die prekäre Situation der Eziden, von denen die stärkste Diasporagruppe (um die 150 000) in Deutschland lebt, und die dringende Notwendigkeit, die strengen Regeln und Strukturen der sehr traditionell lebenden Eziden an die heutige Situation anzupassen, enorme Herausforderungen an den Nachfolger oder die Nachfolgerinstitution dar.
Friedmann Eißler