Kirche

Ökumene der Konservativen?

Die in Siegburg herausgegebene Monatszeitschrift „Theologisches“ stellt im katholischen Blätterwald das Sprachrohr der entschiedensten Konservativen dar; im kirchlichen Alltagsjargon könnte man – analog zu „evangelikal“ – von den „Katholikalen“ sprechen. Es nimmt nicht wunder, dass hier des öfteren die vermeintliche „Protestantisierung“ der katholischen Kirche beklagt wird und Wünsche nach ökumenischen Schritten wie der eucharistischen Gastfreundschaft noch schroffer zurückgewiesen werden als dies aus Rom ohnehin geschieht. Um so überraschender klingt das Lob, das im Dezemberheft 2005 einem Flügel des Protestantismus zuteil wird, der selbst einer engen Ökumene eher argwöhnisch gegenübersteht. Ausdrücklich wird dort empfohlen, „den Kontakt zu den bibel- und bekenntnistreuen evangelischen Christen zu suchen“, die sich in der Evangelischen Allianz Deutschland, der Konferenz Bekennender Gemeinschaften oder der Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium“ zusammengeschlossen haben.

Zwar seien die Fronten klar: im Kirchenverständnis gebe es unüberbrückbare Gegensätze. Aber gelobt wird die „im Gegensatz zum ,offiziellen‘ deutschen Protestantismus starke inhaltliche Identität“. Sie ermögliche Bündnisse vor allem im gesellschaftspolitischen Bereich: „Vorstellbar wäre es, gemeinsam in Position zu gehen gegen die zunehmende Gottlosigkeit und die ‚Diktatur des Relativismus’ in Deutschland, die sich nicht zuletzt in der Zerstörung von Ehe und Familie durch eine permissive Sexualmoral und in dem mangelhaften Schutz des ungeborenen Lebens widerspiegeln.“ Eine ähnliche Haltung lässt sich auch beim dezidiert konservativen Internet-Portal „www.kath.net“ beobachten, das nicht selten Nachrichten des „Informationsdienstes der Evangelischen Allianz“ (IDEA) übernimmt oder auch Meldungen gemeinsam veröffentlicht.

Auf den ersten Blick überrascht diese neue Allianz der Konservativen quer durch die Konfessionen; so ist beispielsweise die Zeitschrift der Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium“ durch und durch geprägt von kritischer Abgrenzung nicht nur gegenüber dem liberalen Mehrheits-Protestantismus, sondern auch dem Katholizismus. Was sie eint, ist die gemeinsame Feindschaft gegenüber linksliberal getönter Theologie wie Politik. Es bestätigt sich wieder einmal die Beobachtung, dass die gefühlten und die rechtlichen Konfessionsgrenzen durchaus nicht identisch sind. So scheint etwa bei den charismatischen Gruppen unterschiedlicher konfessioneller Herkunft die Gemeinsamkeit in Glaube und Frömmigkeit oftmals größer als die mit den „Liberalen“ der jeweiligen Konfession. Ähnliches gilt für die politisch engagierten Reformer, die in kirchlichen Friedens- oder Dritte-Welt-Gruppen aktiv sind und mit der Befreiungstheologie sympathisieren. Mutmaßlich verstehen sich katholische und evangelische Streiter „für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ untereinander besser als mit den Konservativen in der jeweils eigenen Kirche (erkennbar zum Beispiel an dem mittlerweile konfessionsübergreifenden Profil der ursprünglich reformkatholischen Zeitschrift „Publik-Forum“). Offenbar hat diese Entwicklung durch eine List der Geschichte jetzt auch die heimgesucht, welche die konfessionelle Fahne traditionell am höchsten halten: die Evangelikalen und die „Katholikalen“. Ob das demnächst auch zu gemeinsamen Aktionen führt, bleibt abzuwarten.


Lutz Lemhöfer, Frankfurt a. M.