Optimismus vor 2012 beim ersten „Cosmic Cine Filmfestival“
Die Ratio löse ein Problem und schaffe damit zehn neue, konstatierte Christian Strasser in seiner Eröffnungsrede zum Cosmic Cine Filmfestival (CCF). Bevölkerungswachstum, Staatsschulden, Rohstoffverbrauch und das nahe Ende aller Ressourcen sowie die Grenzen des Denkens forderten einen Paradigmenwechsel wie Luthers Thesenanschlag. Wissenschaft und Spiritualität sollten sich ergänzen, der Mensch solle Verantwortung für das große Ganze übernehmen, eine Transformation des Egoismus zu Respekt, Demut und Kooperation müsse erfolgen. Vor diesem Hintergrund will Strasser, vormals Spitzenmanager beim „Time Life“-Verlag, später bei der Verlagsgruppe Ullstein-Heyne-List, jetzt Chef des Scorpio-Verlags, sein Engagement beim CCF verstanden wissen.Als „erstes Premium-Festival“ präsentierte das CCF ausschließlich das Genre „Bewusstseins- und Transformationsfilm“ (vgl. das Programm auf www.cosmic-cine.com). Zwischen dem 27. April und dem 25. Mai 2011 wurden je eine Woche lang 30 Dokumentar-, Spiel- und Kurzfilme in den vier Regionen München, Bonn-Bad Godesberg, Mannheim-Heidelberg und Frankfurt-Wiesbaden gezeigt, darunter ältere Klassiker („Indigo“ von 2003, „Die Siedler“ von 2004), überwiegend aber Produktionen aus den letzten beiden Jahren. Sie thematisieren grundsätzliche Fragen: „Wie geht es mit der Menschheit weiter? Wohin geht die Reise auf unserem Raumschiff Erde? Wie können wir unser persönliches Glück zur Entfaltung bringen?“ Als Beispiele, wie man mit diesen Fragen umgeht, seien einige der zum Teil deutlich zeitkritischen und sehenswerten Filme genannt: „Die Ware Wahrheit und der mediale Widerstand im Internet“, „2012 – Time For Change“, „R-Evolution 2012“, „Die 4. Revolution – Energy Autonomy“, „Rebellen der Weisheit“, „David Wants to Fly“, „Problema“ oder „Die Gabe – Warum wir hier sind“. Dazwischen liefen auch stillere Produktionen wie „Schwingung und Gesundheit“, „Spiritual Healing“, „Orbs – Der Schleier hebt sich“ oder „Den Engeln auf der Spur“.Spiritualität, Jenseitsvorstellungen, Heilung, unerklärliche Phänomene oder Fragen des Lebensstils, welche Esoterik und New Age im 20. Jahrhundert beschäftigten, werden von den Filmen nicht ausgeklammert, doch wird „in der Mitte der Gesellschaft“ (Strasser-Rede) inzwischen vieles toleriert, was vor 30 Jahren noch verteidigt werden musste. Filmschaffende und CCF-Veranstalter meiden heute banal gewordene Vokabeln und bekennen sich zur „Transformations-Kultur“. Man hat seinen Ken Wilber gelesen, Stuttgart 21, Cyberattacken und Fukushima erlebt. Drängender als isolierte Selbstverwirklichung scheinen menschheitlich-global-kosmische Themen. Mit der „innovativen und zukunftsweisenden Veranstaltungsreihe für die globale Transformations-Kultur“ will man „herausragendes Gedankengut und neue Konzepte“ vorstellen, die geeignet sind, „den Aufbruch der Menschheit in das dritte Jahrtausend zu begleiten“ (Programm). Insofern sie mit dem dritten Jahrtausend rechnen, vertreten die Veranstalter des CCF einen optimistischen Ansatz. Auch das apokalyptische Datum 21.12.2012, das in den Festival-Filmen auffallend oft umkreist wird, markiert nicht den Weltuntergang, sondern eine Zeitenwende zu einer besseren Menschheitsepoche.Gegenwärtig kämpfen die Lichtspielhäuser um ihre Existenz, häufig mit teurer Technik. So ist es begrüßenswert, dass einige Angehörige der Branche versuchen, das Kino durch Inhalte interessant zu machen beziehungsweise es als Medium gesellschaftlicher Einflussnahme zu reanimieren. Man sollte das Engagement würdigen, aber die wirtschaftlichen Aspekte nicht vergessen, die deutlich werden, wenn man die Hauptsponsoren des CCF betrachtet. Es sind dies die Kinopolis-Gruppe mit 18 Kinostandorten und der Scorpio-Verlag, der etliche der gezeigten Filme, dazu Bücher und DVDs vermarktet, etwa Anja Schmidts „Pachakútec – Zeit des Wandels“ (89 Min., Kinostart nicht genannt), der den Jurypreis „Cosmic Angel“ erhielt. Mit dem Publikumspreis wurde der Spielfilm „Der Film Deines Lebens“ von Sebastian Goder ausgezeichnet, gefolgt von Pachakútec. (Die Liste der Top Ten beider Kategorien findet sich auf www.scorpio-verlag.de) In „Der Film Deines Lebens“ (115 Min., Kinostart: bald) erwacht ein Mann namens Blank (Patrik Fichte) aus dem Koma, knüpft auf der Suche nach seiner Identität Kontakte mit archetypischen Mitmenschen (Manager: Francis Fulton-Smith, Unternehmer: Pascal Breuer, Ehefrau des Entlassenen: Lara Joy Körner etc.) und findet die sieben Lebensprinzipien als Schlüssel zu gesteigertem Bewusstsein, Lebensqualität, Glück und Erfolg. Diese Prinzipien sind: Polarität, Spiegelung, Resonanz, Einheit, Ursache und Wirkung, Rhythmus, sowie „Innen wie außen“ – Klassiker der Esoterik.Wird in der Transformations-Kultur versucht, Mensch und Welt zu retten, so spielen die christlichen Kirchen dabei keine Rolle. Lieber vertraut man auf den exotisch-archaischen Zauber von Naupany Puma, dem „letzten Sonnenpriester der Inka“. In „Pachakútec“ begibt sich der Visionär anlässlich der von den Ahnen prophezeiten Zeitenwende auf den „indianischen Weg der Erkenntnis“, zugleich eine Pilgerreise um die Welt, um „das Herz der Erde“ zu heilen. Hier verschwimmt die Grenze zwischen Dokumentation und poetischer Fiktion vom kleinen Mann, der Großes tut. Der Erfolg von Filmen, in denen die esoterische Entwicklung eines Individuums im Zentrum steht, zeichnet sich ab, bleibt beim CCF aber relativ gering. Auch in der Öffentlichkeit war die Resonanz des Festivals nicht sehr groß. Das zweite CCF wurde jedoch bereits für Frühjahr 2012 angekündigt, und Kinopolis will die Festivalbeiträge in seinen Häusern zeigen.
Angelika Koller, München