Neuapostolische Kirche

Orientierungshilfe aus Baden-Württemberg irritiert

(Letzter Bericht: 4/2008, 154f) Seit dem Jahr 2001 fanden regelmäßige Gespräche zwischen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Baden-Württemberg und der Neuapostolischen Kirche (NAK) in Süddeutschland statt. Den bislang erzielten Gesprächsstand dokumentiert nun eine „Orientierungshilfe“, die Ende April von der lokalen ACK herausgegeben wurde (siehe: http://ack.drs.de/lila/NAK-ACK.pdf). Nach Einschätzung beider Seiten soll dieser Gesprächsstand Pilotcharakter für zukünftige Gespräche auf Bundesebene haben.

In Bezug auf die Besetzung der Gesprächsrunde ist ein Ungleichgewicht festzustellen: Seitens der NAK waren leitende Amtsträger an den Gesprächen beteiligt, während die ACK nur durch lokale Beauftragte vertreten war. Ist eine regionale ACK der richtige Ansprechpartner für den klar formulierten Wunsch der NAK, wie die Adventisten ACK-Mitglied zu werden? In der Vergangenheit gab es häufiger Konflikte aufgrund einer zielgerichteten NAK-Strategie und unterschiedlicher Auffassungen lokaler, regionaler und bundesweiter ACK-Verbände. Während NAK-Vertreter wie der württembergische Bezirksapostel Volker Kühnle seit geraumer Zeit unermüdlich die ökumenischen Annäherungen der NAK betonen, rief die Gastmitgliedschaft der NAK in zwei bayerischen ACKs auch kritische bis ablehnende kirchliche Voten hervor (vgl. MD 12/2007, 269ff).

In den Vorbemerkungen der Orientierungshilfe wird betont, dass die NAK in den letzten beiden Jahren „bemerkenswerte Lehränderungen“ vorgenommen habe, „etwa im Hinblick auf das Taufverständnis, das Amt des Stammapostels und die bis 2006 sehr exklusiv formulierte Heilslehre“. Dadurch befinde sie sich auf einem Weg, „der sie der ökumenischen Gemeinschaft der Kirchen näher bringt“. Diese Darstellung in einer landeskirchlichen Verlautbarung zu lesen verwundert, weil sie zwar das Selbstbild der NAK transportiert, nicht jedoch kritische kirchliche Anfragen dazu berücksichtigt.

In den folgenden neun Punkten werden praktische Empfehlungen gegeben im Hinblick auf die Taufanerkennung, Einladungen seitens der NAK zu besonderen Anlässen, die Beteiligung der NAK an kommunalen Veranstaltungen, zu denen auch die Mitgliedskirchen der ACK eingeladen sind, die Nutzung kirchlicher Räume, die Teilnahme und Beteiligung an gottesdienstlichen Handlungen, konfessionsverschiedene Ehen mit einem NAK-Partner und die Übergabe von Geldspenden zu diakonischen und karitativen Zwecken. Die Informationsschrift appelliert an die Gemeinden innerhalb der ACK-Mitgliedskirchen in Baden-Württemberg, der NAK Kirchenräume zur Verfügung zu stellen, wenn deren Räumlichkeiten – etwa für Trauerfeiern – nicht ausreichten. Ökumenische Trauungen seien nicht vorgesehen, jedoch könnten sich neuapostolische Geistliche außerhalb der eigentlichen liturgischen Handlung mit Gebet oder Grußwort beteiligen.

Die pragmatischen Vorschläge muten auf den ersten Blick hilfreich an. Wer aber die Geschehnisse rund um die NAK in den letzten Monaten verfolgt hat, bei dem ruft diese Orientierungshilfe Irritationen hervor, weil sie schon nicht mehr vom aktuellen Sachstand ausgeht. Sie übergeht die Wogen der Entrüstung, die der Informationsabend der NAK am 4.12.2007 in Zürich ausgelöst hat (vgl. MD 2/2008, 53ff). Vermutlich war der Text der Orientierungshilfe schon vorher verabschiedet worden, weshalb die jüngsten Entwicklungen nicht mehr aufgenommen werden konnten. Es ist schwer geworden, die lebendige und unberechenbare Veränderungsdynamik der NAK in statischen Papieren zu erfassen. Trotzdem: Weisen die im Januar 2006 in Uster verkündigten „Lehrkorrekturen“ und die Taufanerkennung wirklich auf substantielle Veränderungen hin? Unmissverständlich stellt doch die Orientierungshilfe aus Baden-Württemberg klar, dass die Taufe im Verständnis der NAK nur „in ein erstes Näheverhältnis zu Gott führt; erst gemeinsam mit der Heiligen Versiegelung bewirkt sie die ... Gotteskindschaft“. Das Sakrament der Heiligen Versiegelung kann aber ausschließlich ein lebender Apostel spenden. So lautet unmissverständlich der 5. Punkt im „Selbstbild“ der NAK, das auf dem Informationsabend im Dezember 2007 vorgestellt wurde. Wird damit nicht allen anderen Christen die Gotteskindschaft abgesprochen?

Ohne Zweifel ist es sinnvoll, die progressiven Kräfte in der NAK zu stärken. Das ist ein positiver Effekt der Orientierungshilfe. Ihren Verfassern ist klar, dass der gegenwärtige Gesprächsstand dokumentiert wird und der Text nur einen „vorläufigen Charakter“ hat. Auch wird unterstrichen, dass aus ökumenischer Sicht nach wie vor „Anfragen vor allem hinsichtlich des Kirchen- und Amtsverständnisses sowie der Eschatologie“ bestehen. Es erscheint jedoch fraglich, ob die ACK in anderen Regionen und auf Bundesebene den euphorischen Grundton aus Süddeutschland um die angebliche ökumenische Öffnung der NAK teilen wird. Vermutlich müssen erst die offensichtlichen und bekannten theologischen Unstimmigkeiten innerhalb der NAK geklärt werden, ehe man entscheiden kann, ob sich die NAK wirklich den ökumenischen Grundeinsichten angenähert hat.


Michael Utsch