Pfingstbewegung zwischen Fragilität und Empowerment. Beobachtungen zur Pfingstkirche „Nzambe Malamu“ mit ihren transnationalen Verflechtungen
Moritz Fischer, Pfingstbewegung zwischen Fragilität und Empowerment. Beobachtungen zur Pfingstkirche „Nzambe Malamu“ mit ihren transnationalen Verflechtungen, Kirche – Konfession – Religion Band 57, V&R unipress, Göttingen 2011, 349 Seiten, 40,90 Euro.
Der Publikation liegt das Habilitationsprojekt des Verfassers an der Kirchlichen Hochschule Neuendettelsau zugrunde. Mit seinen Ausführungen legt Moritz Fischer die Analyse einer ursprünglich im Kongo entstandenen Pfingstkirche vor, die transnational ausgerichtet ist und inzwischen in drei Kontinenten und zahlreichen Ländern Verbreitung gefunden hat. Die präzise und umfassende Fallstudie ist verbunden mit zahlreichen methodischen und inhaltlichen Reflexionen zum Verständnis pentekostaler Bewegungen überhaupt, vor allem hinsichtlich ihrer wirkungsvollen globalen und kulturüberschreitenden Ausbreitungsgeschichte.
Der Autor beginnt mit einem kenntnisreichen Forschungsüberblick, in dem er Nzambe Malamu als „unabhängige Pfingstkirche mit Ursprung im globalen Süden“ (34) einordnet und gleichzeitig für eine mehrperspektivische Betrachtung pentekostaler Bewegungen plädiert, die historische wie auch sozial- und kulturwissenschaftliche Fragerichtungen berücksichtigt. Pointiert vertritt Fischer einen „transdisziplinären Forschungsansatz“ (59). Sein Wahrnehmungsinstrumentarium bezieht verschiedene Disziplinen ein: „Theologie, Historiographie, Sozialanthropologie, Kulturwissenschaft, Soziologie, Ritualforschung, Migrationsforschung und Geographie“ (59). Dabei geht er davon aus, dass pentekostale Identität dynamisch und anpassungsfähig ist und den Charakter einer Konstruktion in diachronen und synchronen Prozessen hat.
Teil I (67 – 185) verfolgt eine missionswissenschaftliche Fragestellung und skizziert die Entstehungsgeschichte von Mzambe Malamu. Nach einer auf methodische Fragen konzentrierten Einführung geht Fischer vor allem auf das Wirken des Kirchengründers Aidini Abala ein und skizziert ihn als „Charismatiker, Apostel und Prophet[en]“ (133ff), der in netzwerkartigen Beziehungen zu zahlreichen anderen Pfingstpredigern stand (u. a. zu Reinhard Bonnke, dem in Afrika bekanntesten deutschen Pfingstprediger). Thematisiert werden auch die zahlreichen Tochter- und Migrationskirchen von Nzambe-Malawu (u. a. in Finnland und Deutschland) wie auch die Nachfolgefrage im zentralen Leitungsamt nach dem Tod Abalas.
Teil II (203 – 253) stellt ekklesiologische Fragestellungen ins Zentrum der Darlegungen und geht ausführlich auf die Beziehungen zu der Bewegung „New Order of the Latter Rain“ und zur pfingstlich geprägten Heilungsbewegung ein (Healing Revival) sowie auf ihre prägenden Personen wie Tommy Lee Osborn, Gordon Lindsay und William Branham, die zwar in den USA beheimatet sind, aber besondere Bekanntheit im globalen Kontext erlangt haben. Mit Recht konstatiert Fischer: „Das Beziehungsgewebe zwischen Tommy L. Osborn und Aidini Abala ist ... nicht auf eine dauerhaft planbare konkrete Zusammenarbeit angelegt. Auch wenn es zu bestimmten Phasen ..., bei Kooperationen und gezielten Veranstaltungen, sehr eng verknüpft werden kann, so können diese Verbindungen wieder gelockert … oder auch bis auf Weiteres ganz aufgelöst werden“ (251).
Teil III (255 – 307) thematisiert die „Performanz des pfingstkirchlichen Heilungsrituals“. Die gottesdienstlichen Versammlungen kulminieren in der konkreten Handlung des Heilens, von der eine große Ausstrahlungskraft ausgeht. Von diesem Zentrum aus versucht der Autor diese Ausprägung des Pentekostalismus „ritualwissenschaftlich zu verstehen und zu dekonstruieren ... Meine These ist, dass das ... Wunderheilungsritual, das sich als Identitätsmerkmal Nzambe Malamus identifizieren lässt, für ihre transnationale Verflechtungsgeschichte von entscheidender Bedeutung ist: Es hat stützende, verstärkende und transkulturelle Funktionen“ (255).
Fischers Arbeit gehört zu den wenigen Studien zu pentekostalen Bewegungen, die die transnationalen Beziehungen und Austauschprozesse präzise analysieren und nicht auf geografische und kulturelle Milieus beschränkt bleiben. Das Buch enthält aussagekräftige und „dichte Beschreibungen“ des pentekostalen Glaubensvollzuges und Selbstverständnisses. Es gelingt aufzuzeigen, inwiefern in pentekostalen Netzwerken Austauschprozesse stattfinden, die zu immer neuen Identitätskonstruktionen Anlass geben und die kulturübergreifende Kommunikationsfähigkeit pfingstlich-charismatischer Bewegungen verdeutlichen. Die inhaltliche Ausrichtung der Studie ist innovativ: anspruchsvolle theoretische Reflexionen, anschauliche Beschreibungen pfingstlicher Frömmigkeit (vgl. auch die Abbildungen, 187ff) und mehrperspektivische Analysen werden in einen engen und konstruktiven Zusammenhang gebracht. Ein ausführliches Literaturverzeichnis wie auch ein Stichwort- und Namensverzeichnis geben dem Leser wichtige Hinweise.
Reinhard Hempelmann