Jehovas Zeugen

Präsident der Wachtturm-Gesellschaft verstorben

(Letzter Bericht: 10/2006, 389ff) Wie die Deutschlandzentrale der „Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft“ erst am 6. März in einer Presseerklärung mitteilte, verstarb bereits am 21. Februar 2008 ihr langjähriger Präsident Willi K. Pohl kurz vor seinem 89. Geburtstag. Seit 1976 gehörte er zum Zweigkomitee, das die geistliche Aufsicht der Zeugen Jehovas in Deutschland innehat. Darüber hinaus war er Mitglied der „Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania” (USA). Jahrzehntelang war er als Koordinator für die in vielen ehemals kommunistischen Ländern unter Verbot agierenden Gemeinden der Zeugen Jehovas tätig.

Die Pressemitteilung unterstrich, dass Pohl aufgrund seiner religiösen Überzeugung als Zeuge Jehovas bereits in jungen Jahren von den Nationalsozialisten diskriminiert wurde: Weil er den Hitlergruß verweigerte, verwies man ihn 1933 als 14-jährigen Schüler der Oberrealschule in Eilbeck (Hamburg) von der Schule. 19-jährig wurde er 1938 von einem Sondergericht in Hamburg zu acht Monaten Haft verurteilt, die er in dem als Polizeigefängnis dienenden ehemaligen KZ Fuhlsbüttel verbrachte. In der Verbotszeit hatte er seine Frau Editha kennengelernt. Auch sie musste ebenfalls eine achtmonatige Haft im Konzentrationslager aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas verbüßen. „Von ihrem Pflichtverteidiger erfuhren beide, dass das Gericht eine Propagandaschau plante. Editha sollte einen SS-Mann heiraten und Willi ein Mädchen der Hitlerjugend. So sollten aus beiden ‚brauchbare Volksgenossen’ werden. Ihren Glauben aufzugeben war für sie jedoch undenkbar“, wie die Pressemitteilung diese anrührende Geschichte kommentiert. Und weiter heißt es: „So beschlossen sie, sich noch vor dem Prozess zu verloben, um zu bekunden, wie sie darüber dachten. Sie heirateten am 26. März 1940 und waren bis zum Tod des Ehemanns 67 Jahre verheiratet“.

Nach dem Krieg konnten Jehovas Zeugen in Deutschland ihren Glauben wieder völlig frei ausüben. Nach jahrelangem Rechtstreit wurde die Religionsgemeinschaft im Jahr 2006 sogar als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt (vgl. MD 10/2006, 389ff). Das hat jedoch nicht verhindert, dass die Mitgliedszahlen und Taufen in den letzten zehn Jahren rückläufig sind: Nur in jüngster Vergangenheit deutet sich ein leichter Aufwärtstrend an (vgl. z. B. die Statistik zu den Zeugen Jehovas „Zahlen in Deutschland 1991-2007“ auf www.sektenausstieg.net).

Wie im „Wachtturm“ vom 1. Januar 2008 erläutert wird, hat sich die Wachtturmgesellschaft eine neue publizistische Strategie ausgedacht. Man will durch unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte der eigenen Publikationen gezielter bestimmte Menschengruppen erreichen. Nach wie vor soll „Der Wachtturm“ (aktuelle Auflage: 37.100.000) zweimonatlich erscheinen. Allerdings richtet sich die Ausgabe vom 1. des Monats fortan stärker an die Öffentlichkeit und dürfte sich toleranter, dialogischer und freundlich darstellen, während die Ausgabe vom 15. des Monats intern bleiben soll und eher Anweisungen zum Bibelstudium und Verhaltensregeln beinhalten wird. Die Zeitschrift „Erwachet“ soll sich nach wie vor an Skeptiker richten und Menschen dazu bewegen, mehr über Jehova wissen zu wollen. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Strategie positiv auf die Mitgliederentwicklung auswirken wird.


Michael Utsch