Rath-Partei mit Verschwörungstheorien auf Stimmenfang
(Letzter Bericht: 1/2005, 29f) Die Partei „Allianz für Gesundheit, Frieden und soziale Gerechtigkeit“ (kurz AGFG) wurde im Juni 2005 gegründet und hat eigenen Angaben zufolge etwa 500 Mitglieder. Vorsitzender dieser Partei ist Lutz Kliche, Marketing-Chef von Raths Produkten. Als stellvertretender Vorsitzender amtiert der umstrittene Arzt Matthias Rath selber. Bei den im März stattgefundenen Landtagswahlen trat seine Partei in Sachsen-Anhalt, in Rheinland-Pfalz sowie in vier kleinen Wahlkreisen Baden-Württembergs an.
Die Wahlversprechen Raths zielen bewusst auf Menschen, die Arbeit suchen, an einer Volkskrankheit (Herz-Kreislauf, Krebs) leiden und enttäuscht von den etablierten Parteien sind. Ein Kernstück des Grundsatzprogramms bildet die Gesundheitsphilosophie des Parteigründers und Alternativheilers Dr. Matthias Rath. Dieser wurde durch die fragwürdige Behandlung von Krankheiten wie Aids und Krebs mit Vitamin-Präparaten und Naturheilverfahren, der sogenannten Zellular-Medizin, bekannt (MD 12/2003, 469f). Eine nachhaltige Veränderung soll entstehen, wenn die Pharmaindustrie entmachtet wird und mehr hochdosierte Vitamine konsumiert werden. Mit den eingesparten Gesundheitskosten solle medizinische Forschung finanziert werden. Aber welche Art von Forschung schwebt Rath wohl vor?
Der umstrittene Mediziner leugnet seit Jahren beharrlich die Erfolge medikamentöser Krebstherapien. Nur seine natürliche „Zellular-Medizin“ biete die Chance, „alle Krebsarten mit Hilfe eines biologischen Wirkprinzips zu bekämpfen“. Mittlerweile hat ihm das Berliner Kammergericht untersagt, weiterhin mit Krankengeschichten für seine Medizin zu werben, unter denen der „Fall Dominik“ zu trauriger Berühmtheit gelangte. Das tragische Schicksal des neunjährigen, krebskranken Jungen hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt, weil Rath das Kind allen ärztlichen Interventionen zum Trotz nur mit Vitaminpräparaten behandelt hatte. Die Eltern hatten eine schulmedizinische Behandlung abgelehnt und ausschließlich der Alternativmedizin Raths vertraut. Noch nach dem Tod seines Patienten behauptete Rath, Dominik sei nicht an Krebs, sondern an den Folgen vorheriger ärztlicher Kunstfehler gestorben. Ein unabhängiges Gutachten stellte jedoch zweifelsfrei einen bösartigen Tumor in der Brust als Todesursache fest.
In den letzten Jahren verlagerte Rath seine Geschäfte nach Südafrika, wo prozentual mehr Menschen HIV-positiv sind als sonst irgendwo auf der Welt. Dort preist er einen Vitamin-Cocktail als Heilmittel gegen Aids an. Zugleich warnt er auf Großplakaten vor herkömmlichen Medikamenten, die das Leben von Infizierten erleichtern und verlängern. Solche Werbetafeln in den Elendsvierteln am Kap verwirren die Menschen, und viele glauben einer Verschwörungstheorie, der zufolge Big Pharma aus reiner Profitgier den Tod unzähliger Menschen in Kauf nimmt. Anfang März wurde Rath vom Obersten Gerichtshof in Kapstadt untersagt, die örtliche Aidsaufklärung als Fassade und Propaganda für Pharmahersteller zu denunzieren.
Wie finanziert Rath seine kostspielige Werbung? Seit Jahren können Raths Präparate via Internet bestellt und aus den Niederlanden bezogen werden. Dieser Umweg ist nötig, weil sie wegen der hohen Dosierung hierzulande unter das Arzneimittelgesetz fallen würden und die für eine Zulassung nötigen Daten und klinischen Studien bisher nicht vorgelegt wurden.
Bei der Bundestagswahl 2005 konnte die AGFG nur in einem Bundesland, nämlich in Sachsen, die nötige Anzahl von Unterstützungsunterschriften nachweisen und deshalb überhaupt zur Wahl antreten. Dort erhielt sie lediglich 0,86 Prozent der abgegebenen Stimmen, dies entspricht etwa 0,05 Prozent bundesweit. Der Einfluss der Partei bei den Landtagswahlen blieb ebenfalls bedeutungslos: In Rheinland-Pfalz erhielt sie 1886 Stimmen (0,1 Prozent), in Sachsen-Anhalt 2738 (0,3 Prozent).
Michael Utsch
Weitere Infos im Internet
http://www.agfg.de (Raths Partei)
http://www.oekotest.de/cgi/nm/nm.cgi?doc=akt-140905-rath (Kritik an dem Parteiprogramm)
http://www.taz.de/pt/2006/03/04/a0104.1/text (Werbeverbot in Kapstadt)
http://www.zeit.de/2005/21/Glosse_21 (Kritik am AIDS-Programm Raths)